23. AUSSPRACHE

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DAMIAN

Ich versuche ihr Gesicht zu erhaschen, dass sie mir abgewandt hat. Ihre Hände zittern immer noch und gerade kämpft sie mit den Tränen, was ich an dem Schniefen erschließe.
Dass ihr irgendwer etwas angetan haben muss, hat sich nach ihrer Reaktion schnell in meinem Kopf zusammengesetzt. Auch ihr jetziges Verhalten, auf meine Frage, deutet darauf hin.
Die Falsche Identität, ihre Abwehrhaltung und ihre Angst, als sie die Bilder von Elena gesehen hat. All das deutet auf eine Misshandlung hin. Ich atme einmal tief durch um die Wut herunterzuschlucken.
„Ich habe meine Frau nie angefasst oder geschlagen." Setzte ich vorsichtig an. Emilia zuckt kurz zusammen, doch hält ihren Blick gesenkt. Daher setzte ich mit meiner Erklärung fort.
„Sie hat mich betrogen, woraufhin ich sie verlassen habe. Bei unserm ersten Termin, für unsere Scheidung, hat sie mir diese Anklage an den Hals gejagt.
Sie legte die Fotos vor, die du gesehen hast. Eine Freundin sagt aus und beschuldigte mich. Alle glaubten ihr und ich stand als Monster da. Sogar die Presse bekam Wind davon. Beinahe hätte ich es selbst geglaubt, doch vorgestern hat sich das Blatt gewendet. Ihre Freundin hat ihre Aussage zurückgezogen und gegen Elena ausgesagt." Ich höre sie ausatmen. „Sie wurde von Elena Erpresst und dazu gezwungen. Sie wollte mich in den Knast bringen." Ein sarkastisches Lachen verlässt meine Lippen, als würde ich jetzt erst richtig wahrnehmen was alles in letzter Zeit passiert ist. „Ich habe sie geliebt und tue es vielleicht immer noch. Warum sie das getan hat weiß ich allerding noch nicht." Füge ich zum Schluss noch leise hinzu.
Emilia hebt den Kopf und ich sehe in ihre Tränen Gefüllten wunderschönen Augen.
„Ich bin kein Heiliger, Emilia. Doch einer Frau Schmerzen zufügen würde ich niemals." Vorsichtig nähere ich mich mit meiner Hand. Kurz zuckt sie zusammen, doch ich lasse mich nicht davon abbringen ihr eine Träne von der Wange zu wischen. „Gib mir bitte noch eine Chance." Meine Stimme ist ruhig geworden und ich bemerke wie auch Emilia ruhiger wird. Sie wischt sich die restlichen Tränen von der Wange.
„Ich weiß nicht ob ich dir vertrauen kann." Ihre Stimme klingt leise und ich muss genau hinhören um sie zu verstehen. „Ich habe mich bei dir wohl gefühlt. Die Nacht mit dir war schön und es hat sich gut angefühlt."
„Nur schön?" Frage ich sie mit hochgezogenen Augenbrauen und einem Lächeln im Gesicht. Ihr Mundwinkel zuckt, doch sie geht nicht auf meine Stichelei ein.
„Ich muss das erst mal verdauen, Damian." Ich nicke, da ich sie gut verstehen kann.
„Okay. Aber lass mich dir beweisen wer ich wirklich bin." Sekunden vergehen, in der sie mich nur anblickt. Ihre Augen erkunden mein Gesicht und versuchen die Wahrheit herauszufinden. Ich hoffe sie gibt mir noch eine Chance, ich möchte sie nicht verlieren. Weder als Angestellte noch als... als was? Was ist Emilia für mich? Eine Freundin? Eine Geliebte? Ablenkung zu Elena?
Ich kann diese Frage nicht beantworten, weil ich noch nicht weiß was sie für mich ist. Ich weiß nur das sie mir etwas Bedeutet. Was genau muss ich noch herausfinden.
Langsam nickt sie und ein kleines Lächeln schleicht sich auf meine Lippen.
„Danke. Und jetzt fahre ich dich zu einem Arzt der das näht." Ihre Augen werden groß und wild schüttelt sie den Kopf.
„Nein. Das geht nicht."
Emilia springt von ihrem Stuhl auf. Verwirrt blicke ich sie an.
„Warte. Er ist ein Freund. Er stellt keine Fragen. Aber bitte. Die Wunde ist tief. Sie muss genäht werden." Sie blickt auf ihre Hand herunter. Durch den Verband scheint schon leicht die röte von ihrem Blut durch. Ich sehe ihre Zweifel und immer wieder huscht ihr Blick zur Tür. „Soll ich ihn fragen ob er hierherkommt?" Frage ich sie vorsichtig. Ihr Blick fällt auf mich, bevor sie langsam nickt.
„Ok." Emilia setzt sich wieder auf den Stuhl, während ich Richard anrufe. Es ist zwar schon sehr spät, doch nach dem zweiten Klingen geht er ans Telefon.
„Junge. Hast du mal auf die Uhr geschaut?" Ich verkneife mir ein Schmunzeln.
„Tut mir leid Richard. Aber ich brauch deine Hilfe." Schon wieder denke ich mir im Stillen.
„Klar. Soll ich zu dir nach Hause kommen?" Er hat nie lange gezögert um mir zu helfen.
„Nein in den Club." Er stimmt zu und legt auf um sich auf den Weg zu machen. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es weit nach Mitternacht ist und trotzdem kann ich mich auf ihn verlassen.
Emilia hat unser Gespräch verfolgt und blickt mich neugierig vom Stuhl aus an.
„Du wirst ihn mögen. Er ist ein Freund und war der Hausarzt meines Vaters." An die Zeit von damals denkend, setzte ich mich lächelnd ihr Gegenüber.
„Er hat mir immer Geschichten, von seinen unzähligen Reisen, erzählt. Wo er überall schon war, wen er da getroffen hat und wo er so gerne noch hinmöchte." Ein Bild von mir als Kind, auf dem Fußboden der Bücherei sitzend, erscheint vor meinen Augen. Auf einem bequemen Sessel saß Richard und hat mir von China erzählt. Von der schier Endlose Chinesischen Mauer. Den Bunten Festen und die verschiedenen Essen. Ich habe ihm so gerne Zugehört und jeden Tag freute ich mich ihn zu sehen.
„Irgendwann kam er nicht mehr. Ich war wütend, da ich mich allein gelassen von ihm fühlte."
Die Erinnerung wie Richard ging, stimmt mich traurig.
An diesem Tag hatte ich ein Gespräch zwischen ihm und Vater belauscht. Mein Vater war sauer und schrie Richard an, dass er mir doch nur Flausen in den Kopf setzten würde und es schlecht für mich wäre. Die beiden Männer haben sich lauthals Gestritten und am nächsten Tag kam Richard nicht mehr. Ich war wütend auf ihn und jahrelang redete ich nicht mehr mit ihm.
„Erst Jahre später fand ich heraus, dass mein Vater ihm Verboten hatte mich zu sehen. Richard hatte keine Chance in meine Nähe zu kommen." Nachdenklich blicke ich auf den Boden.
„Wie habt ihr euch wieder getroffen?" Emilia reißt mich aus meiner Erinnerung. Ich blicke in ihre Augen und sehe Aufrichtigkeit darin.
„Es gab eine Zeit in meinem Leben, auf die ich nicht stolz bin. Ich geriet in falsche Kreise und steckte viel zu oft in Schwierigkeiten." Mein Gesicht verfinstert sich, wenn ich nur an damals denke. Ich war dumm und jung. Wollte meinem Vater trotzen und schadete nur mir selbst.
Damals schloss ich mich einer Gang an um meine Wut nach außen tragen zu können. Permanente Streitigkeiten mit Rivalisierenden Gangs, bewaffnete Überfälle und Drogenverkauf waren da an der Tagesordnung.

„Wenn man verletzt wurde, kam man nicht ins Krankenhaus, sondern zu einem Arzt der keine Fragen stellte. Das war bei uns Richard." Ich spielte mit meinen Fingern um mich zu beschäftigen. Ich redete nicht gerne über meine Vergangenheit, selbst Tom weiß nicht alles. Doch aus einem bestimmten Grund wollte ich es Emilia erzählen. Es hatte sogar etwas Befreiendes an sich.
„Anscheinend hat er, nachdem er von meinem Vater rausgeworfen wurde, den bedürftigen geholfen. Darunter auch einigen Kriminellen."
Hörbar Atme ich aus und blicke nach oben, nur um in ihre schönen Augen zu sehen. Sie beruhigen mich. Bringen mich zur Entspannung.
„Und trotzdem seid ihr jetzt Freunde?" Fragt sie leise nach.
Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen, als ich an den Abend zurückdenke.
„Ein verfeindetes Gang Mitglied schoss mir direkt in den Bauch. Sie brachten mich zu Richard, der um mein Leben kämpfte." Sie bekommt große Augen.
„Du wärst fast gestorben?" Langsam nicke ich und unbewusst fasse ich mir an den Bauch. Immer noch habe ich das Gefühl den Schmerz zu spüren, als die Kugel in mich eingedrungen ist.
„Er hat mir an dem Abend nicht nur mein Leben gerettet, sondern hat auch dafür gesorgt, dass ich wieder auf den rechten Weg komme." Ein kleines Schmunzeln verlässt meine Lippen.
Die Erinnerung ist immer noch präsent in meinem Kopf, als wäre es erst gestern gewesen.

Ich brauch deine Hilfe nicht Richard." Brülle ich den alten Mann an. Schmerzend halte ich mir den Bauch. Ein großer Weißer Verband verdeckt die eben operierte Wunde. Gerade war ich noch auf der Straße mit Ace, ein kleiner Schmächtiger Junge der mir immer am Hintern hang, als ein Auto an uns vorbeirauschte und ein Schuss viel. Danach weiß ich nichts mehr. Bis ich hier aufgewacht bin. Richard neben meinem Bett wie ein heiliger Priester, der ungläubig auf mich herabblickt.
Damian, bitte. Ich weiß, dass du wütend auf mich bist, aber lass mich dir helfen." Unter Schmerzen richte ich mich im Bett auf und suche gerade nach meinem Shirt, das ich noch vor kurzem getragen habe.
Ich verzichte." Als ich es nicht finde, erhebe ich mich Oberkörper frei.
Damian. Du bist gerade Angeschossen worden. Bleib liegen." Ich schlage seine Hand weg, die er mir hinstreckt. Doch ein fieser Schmerz, der durch meinen Körper zieht, lässt mich zurück auf das einfache Bett sinken.
Fuck." Fluche ich laut. Durch die kurze Anstrengung, steht mir der Schweiß auf der Stirn. Mit fest zusammengebissenen Zähnen, versuche ich den Schmerz zu unterdrücken. Richard steht immer noch vor mir und blickt mich traurig an. Ich kann ihn kaum ansehen, so wütend bin ich. Auf ihn, dass er mich im Stich gelassen hat. Auf meinen Vater, der mich nie geliebt hat. Wütend auf mich selbst, dass ich es soweit hab kommen lassen. Ich bin ein Krimineller. Ich habe alles verloren, sogar mich selbst.
Junge..." Richard hat sich wieder auf den Stuhl neben dem Bett gesetzt und blickt mich ruhig an.
Nenne mich nicht so." Bringe ich nur knurrend hervor. Mir ist schlecht und ein unsagbarer Schmerz zieht sich durch meinen Körper. Richard schnauft und fährt sich mit der Hand über die kurzen grauen Haare. Das erste Mal blicke ich ihn direkt an. Tiefe Augenringe zieren sein Gesicht. Die Haare kurz geschnitten und grau. Er ist nicht mehr ganz so schlank wie damals. Ein Bauch versteckt sich unter seinem blauen Pullover. Die Brille sitzt tief auf seiner Nase und seine Lippen schmal zusammengepresst.
Sei nicht dumm, Damian. Du schmeißt dein Leben weg, wie Müll. Ist es das was du möchtest? In einer Gang dein Leben riskieren?" Ich schnaufe verächtlich bringe aber keine Widerworte heraus. „Du kannst so viel mehr sein und das weißt du."
Ja das wusste ich. Doch das zu ändern erfordert umso viel mehr.

ZERRISSEN - Zwischen Angst und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt