35. AUFGEBEN

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EMILIA

Ich schrecke nach oben und die Dunkelheit lässt Panik in mir aufsteigen. Mein Herz rast und nur langsam wird mir bewusst wo ich mich aufhalte. Doch mein Alptraum ist nicht beendet. Er ist wahr und wird es immer sein.
Niemand wird mich hier finden. Niemand wird mich retten. Niemals werde ich fliehen können.
Schon zu lange ist mein Alptraum Wirklichkeit. In New York wollte ich ihn beenden und trotzdem hat er mich eingeholt. Er wird mich immer einholen. Wie ein dunkler Gang wird er mich immer wieder verschlingen und die Strecke wird sich niemals ändern.
Abermals laufen mir Tränen über mein Gesicht. Ich kaure mich in die Ecke und schluchze in meine Knie.
Ich spüre den Nagel in meiner Faust und halte ihn vor meine Augen. Nur Schemenhaft erkenne ich ihn, so finster ist es hier.
Ich könnte es beenden, da es Jason nie tun wird. Was würde ich verlieren? Mich würde nicht mal jemand vermissen. Damian würde mich vergessen und Kim hat bald ein Leben das ihre Aufmerksamkeit fordert. Außerdem kennen wir uns erst wenige Monate. Da werde ich schnell in Vergessenheit geraten.
Ich kratze mit dem Nagel über meine Pulsadern und erhöhe den Druck leicht. Ein leichter Schmerz geht von meinen Unterarmen aus. Doch ich spüre ihn kaum. Etwas Warmes läuft über meine Finger und tropft auf den kalten Steinboden. Es kostet mich einiges an Kraft den Stumpfen Nagel tiefer durch meine Haut zu stechen. Doch der Wille, dieses Leben nicht mehr zu führen, lässt mich Mutiger werden mehr Druck anzuwenden.
Warum sollte ich noch hierbleiben, auf einem Planeten der mich nicht haben möchte. In einer Welt leben, die mir nur Dunkelheit geschenkt hat.
Ich werde niemanden zurücklassen, da es keinem in meinem Leben gibt, dem ich so viel bedeute.

Immer mehr Blut rinnt über meine Fingerspitzen und tropft auf den Boden vor mir. Meine Augenlider werden schwerer. In den letzten Stunden habe ich schon so viel Blut verloren, dass ich mich ausgelaugt fühle.
Schwer sinkt meine Hand neben meine Beine und der Nagel fällt klirrend herunter.
Ich dachte immer sterben wäre schmerzhaft, doch es fühlte sich leicht an. Mein Blick verschwimmt und immer undeutlicher sehe ich die schwarzen Umrisse.
Gedämpft dringen Stimmen zu mir durch, doch ich verstehe ihre Worte nicht. Ein Schlüssel wird durch das Schloss geschoben und ich höre gedämpft Jasons Stimme. Ein lächeln ziert meine Lippen. Er wird mich nicht aufhalten können. Das Licht wird immer heller und mein Kopf sinkt auf den Boden.
Schwer wird die Eisentür aufgeschoben und jemand betritt den Keller. Doch meine Lider senken sich und Dunkelheit umgibt mich, nur dieses Mal ist sie nicht Bedrohlich. Friedlich und Sicher fühle ich mich, wie in Damians Armen.

Das Gefühl von Glück lässt mich lächeln. Sieht so der Himmel aus?
Mit dem Waisenhaus sind wir jeden Sonntag in die Messe und haben uns die Predigten des Priesters angehört. Ich habe nie an Gott geglaubt, aber an einem Leben nach dem Tod schon. Es hat sich nicht so endgültig angehört, sollte man von dieser Welt verschwinden. Besonders da dieses Leben nichts für mich hatte.
Immer wieder dringen Stimmen zu mir durch, die ich nicht beachte. Eine wärme breitet sich in mir aus, die sich nach Geborgenheit und Sicherheit anfühlt. Ein Gefühl, dass ich nicht oft, in meinem Leben, hatte.
Langsam öffne ich die Augen, da ich das Paradies sehen möchte.
Gleißendes Licht blendet mich und mehrmals Blinzelnd, versuche ich meine Umgebung zu erkennen.
Doch zu meiner Verwunderung sieht es hier nicht nach einem Paradies aus. Langsam blicke ich mich um und ein eher schlichtes Zimmer erscheint.
„Emilia?" Seine Stimme dringt an meine Ohren und langsam wende ich mich der Stimme zu. Und dann sehe ich ihn. Wie ein Traum erscheint er in meinem Blickfeld. Das gleißende Licht hinter ihm lässt ihn wie eine Erscheinung aussehen.
Ich strecke meine Hand nach ihm aus und berühre seine, mit Bartstoppeln besetzte, Wange. Er ist hier. Bei mir.
Es wirkt so real obwohl ich weiß, dass er es nicht ist. Doch ich möchte diesen Moment genießen, bevor er endet. Meine Finger streichen über seine Wangen. Ein lächeln ziert mein Gesicht, bevor ich erschöpft wieder meine Augen schließe.
„Emilia." Seine Stimme schwingt in meinen Gedanken mit, als mich die Dunkelheit abermals einnimmt.

ZERRISSEN - Zwischen Angst und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt