DAMIAN
Ich habe meinen freien Sonntag damit verbracht meinen Rausch auszuschlafen. Nachdem Emilia abgehauen ist, hatte ich mich an der Bar volllaufen lassen. Wie ich in mein Apartment gekommen bin, weiß ich nicht mehr genau. Aber ich bin froh alleine in meinem Bett aufzuwachen.
Der Abend ist bereits wieder angebrochen, als ich aus dem Bett krieche. Mein Schädel brummt und wie überfahren schleppe ich mich in die Küche um Schmerztabletten zu suchen.
Nachdem ich welche gefunden habe und mit Kaffee herunter spüle, werfe ich mich auf meine Couch und entsperre mein Handy. Tom hat mehrmals versucht mich anzurufen. Der letzte Anruf war gerade Mal vor fünf Minuten.
Stöhnend drücke ich die Wahlwiederholung auf meinem Smartphone und warte auf ein Freizeichen.
„Hey Kumpel wie geht's?" Brüllt er mir entgegen, nachdem er nach dem ersten Klingeln abgenommen hat. Schnell halte ich mir das Handy vom Ohr, da mein Kopf droht zu platzen.
„Nicht so laut. Mein Kopf." Brumme ich ins Telefon zurück. Toms leise lache ist zu hören.
„Klasse Geburtstag gestern. Hast du schon was gegessen?" Fragt Tom mich in einem ruhigen Ton, wofür ich ihm Dankbar bin.
„Nein habe ich nicht. Gerade erst aufgestanden." Ich höre ihn abermals lachen.
„Gut. Dann mach die Tür auf." Verwirrt blicke ich zu meiner Eingangstür und höre anschließend ein klopfen. Schwerfällig erhebe ich mich und stapfe immer noch nur mit meiner Jogginghose bekleidet zur Tür.
Mit einer Tüte von unserem Lieblings Chinesen, um die Ecke, bewaffnet steht mein langjähriger Freund vor der Tür und lächelt mich breit an.
„Oh mein Gott. Du siehst ja scheiße aus." Begrüßt Tom mich. Er drückt mir die Tüte in die Hand und zwängt sich an mir vorbei um in die Wohnung zu gelangen.
„Danke." Antworte ich ihm sarkastisch, bevor ich die Tür schließe. „Willst du was trinken?" Ich stelle die Tüte auf den Couchtisch und drehe mich zu meiner offenen Küche.
„Ja ein Bier." Ich fische ein Flasche Bier aus dem Kühlschrank und mir selbst ein Wasser. Mit einer Gabel bewaffnet setze ich mich auf den Boden vor den Tisch und Packe die Tüte aus. Belustigt zeigt Tom auf mein Besteck.
„Kannst du immer noch nicht mit Stäbchen umgehen?" Ich werfe ihm einen finsteren Blick zu.
„Wachsen dir immer noch keine Haare auf dem Kopf?" Frage ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. Toms Gesichtszüge entgleiten ihm kurz, was mich zum Lachen bringt. Großer Fehler, da mein Kopf wieder anfängt zu dröhnen. Tom lacht ebenfalls, als er meinen Schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck sieht.
„Karma mein Freund." Er schiebt mir, immer noch lachend, meine Ente süß sauer über den Tisch, bevor er sich selbst sein Kung-Pao-Hühnchen mit Erdnüssen aus der Tüte nimmt.
„Emilia war gestern schnell weg. Ich weiß, dass du sie nicht leiden kannst, weil sie gelogen hat, aber versuch doch wenigsten etwas freundlicher zu sein. Sie ist uns wirklich eine große Hilfe an der Bar." Versucht Tom mir nochmal ins Gewissen zu reden. Er hat mich gestern bezüglich meines Ausbruches nicht mehr angesprochen, daher war mir schon bewusst, dass er das nicht dabei belässt.
„Ich werde morgen nochmal mit ihr sprechen und mich entschuldigen." Perplex starrt er mich an, da er wahrscheinlich mit Widerworten gerechnet hat. Doch anders als mein Freund denkt, will ich mich für etwas anderes entschuldigen.
„Okay. Woher dieser Sinneswandel?" Ich nehme einen Schluck aus meiner Wasserflasche.
„Sie macht ihren Job gut und solange sie keine Probleme macht kann sie bleiben." Tom nickt nur bevor er sich wieder seinem Essen widmet. Dass ich gestern über sie hergefallen bin, erzähle ich ihm nicht. Wie automatisch muss ich an unseren Kuss denken. An ihre sinnlichen vollen Lippen, ihre weiche helle Haut mit den Sommersprossen, ihre leuchtenden Grau-Blauen Augen.Sie hat sich anders angefühlt als ich gedacht habe. Gestern hat sie mir ihre Leidenschaft gezeigt. Ihre süßen Seufzer haben mich verrückt gemacht.
Ich hatte noch nie Probleme Frauen ins Bett zu bekommen die ich wollte. Und ich wollte Emilia.
Um zu wissen wie es mit ihr ist. Welche Emilia im Bett erscheint. Die schüchterne oder die leidenschaftliche.
Doch ich habe die Unsicherheit und auch die Angst in ihren Augen gesehen.
„Isst du das noch?" Tom reißt mich aus meinen Gedanken und zeigt auf meine halb aufgegessen Ente. Ich schüttle den Kopf und schiebe ihm das Essen hin. Er schaufelt sich auch noch meine Portionen komplett rein. Er konnte immer schon für zwei essen.
"Gott war das lecker." Tom schiebt beide leeren Pappschalen beiseite, bevor er sich schwerfällig zurücklehnt. Schweigend sitzen wir auf meiner Couch und lauschen der Stille.
Tom ist immer für mich da, egal in welcher Lage ich gesteckt habe. Durch meine Familie wurde ich in der Schule zu einem Einzelgänger, bis ich Tom vor den älteren Mitschülern gerettet habe. Ich weiß nicht wieso ich das getan habe. Damals war es mir egal ob einer der Unbeliebten verprügelt wurde oder nicht. Doch bei Tom war es mir nicht egal. Durch meine regelmäßigen Besuche beim Krav Maga, war es ein leichtes die zwei Jahre älteren auszuschalten. Danach hatte ich einen Freund fürs Leben.
Egal in welcher Situation wir uns im Leben befanden, wir hielten zusammen.
In der Pubertät wurden Mädchen interessant. Viele Tränen und gebrochene Herzen ließen wir zurück. Doch keines war wichtig genug uns zu entzweien.
Jahre später lernte Tom Sandra kennen. Sie war hübsch, gebildet und schlagkräftige und ich schloss sie ebenfalls in mein Herz. Ich freute mich für ihn, einen Menschen gefunden zu haben der ihm so wichtig war. Doch auch dann ließ mich Tom nie im Stich.
In der Zeit, häuften sich die Probleme mit meinem Vater. Er wollte, dass ich seine Firma übernahm und drängte mich regelrecht in die Ecke.
Ich beendete das Collage ohne Abschluss und verließ das Haus meiner Eltern. Ich fühlte mich am Boden angekommen. In diese Dunkelheit wollte ich Tom nicht mit hineinziehen.
Ich verschwand. Auch für ihn.
Im Nachhinein habe ich in dieser Zeit meine meisten Fehler gemacht, die mich sogar fast mein Leben gekostet hätten. Ich geriet auf die schiefe Bahn und schloss mich einer Gang Namens HellBeast an. Drogen, Alkohol, Kriminalität und Überfälle waren nur die Kleineren Übel mit denen sich die Mitglieder auskannten. Doch ich war klug genug mich aus den Richtig harten Dingen rauszuhalten.
Ich vertickte für sie Drogen und Gewann einige Untergrundkämpfe, doch das war es schon. Ich verwandelte meine Probleme mit meinem Vater in Wut um und setzte sie auf der Straße ein. Doch anstelle geringer zu werden, wurden sie größer. Irgendwann konnte ich mein eigenes Spiegelbild nicht mehr ertragen. Rutschte immer tiefer in den Treibsand, wo ich letztendlich stecken blieb.
Einer Verletzung die mich hätte töten können und Richard, ein sehr guter alter Freund, brachten mich auf den richtigen Weg zurück.
Ich kämpfte mich wieder in ein normales Leben wo Tom immer noch hinter mir stand.
Erst als Normalität eingetroffen war heiratet Tom Sandra und mein Patenkind kam auf die Welt. Wir machten das gemeinsam, wie damals.
Bis ich Elena kennen lernte. Ab da drehte sich meine Welt um sie.
Im gleichen Jahr hatte Sandra einen schweren Autounfall, bei dem sie mit ihr leben bezahlte. Tom blieb für seine Tochter stark, doch ich sehe ihm immer noch den Schmerz an, den er auf seinen Schultern trägt."Was denkst du?" Ich blicke in seine braunen Augen. Tom und Sarah sind meine Familie. Sie werden immer in meinem Leben bleiben. Komme was wolle.
"An damals." Ein Lächeln ziert seine Lippen. Er wirft einen Blick auf die Uhr und leert sein Bier.
"Das waren noch Zeiten. Bis spät in die Nacht saufen. Weiber abschleppen und Scheiße bauen ohne auf die Konsequenzen achten. Doch das ist vorbei Kumpel. Du bist jetzt in den Dreißiger. Lange versoffene Nächte werden mit drei Tage auskurieren und einem Kater bestraft. Die Frauen wollen alle einen Ring an den Finger gesteckt bekommen und Konsequenzen gibt es immer. Sogar wenn du zu scharf ist." Wir lachen und brüderlich legt er seine Hand auf meine Schulter. Langsam erhebt er sich. "Ich muss los. Die Nachbarin passt auf Sarah auf und bat mich nicht zu spät nach Hause zu kommen." Ich erhebe mich ebenfalls und begleite ihn an die Tür.
"Danke für die Party." Er dreht sich kurz um und schlägt bei mir ein.
"Willkommen im Dreißiger Club, Kumpel."Am nächsten Morgen komme ich nur schwer aus dem Bett. Eine Kalte Dusche und eine Runde Laufen im Park, lassen mich zumindest wieder klarer denken.
Nach einem starken Kaffee, beschließe ich in den Club zu fahren um die Abrechnung für den Monat zu machen.
Ein Sonniger 1. April strahlt mir entgegen. Der Club ist noch leer, da meine Angestellten erst am späten Nachmittag anfangen. Ich begebe mich in mein Büro und fange mit den Abrechnungen der Gehälter an.Nach einigen Stunden vor den ganzen Zahlen, brauche ich eine Pause. Ich steige die Treppe nach unten und mache mich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum um mir eine Kleinigkeit zum Essen zu machen. Dort angekommen blicken mich zwei große Augen an. Emilia sitzt am Tisch und trinkt eine Tasse Kaffee. Als sie mich erblickt zieht sich eine schöne Röte über ihre Wangen und nervös blickt sie nach unten.
„Hallo." Ich lächle sie an und trete vor den Kühlschrank um mir eines der Sandwiches von Gestern zum Essen zu holen.
„Morgen." Bringt sie flüstern hervor. Ich setze mich mit meinem Teller neben sie. Sie fummelt an der Tasse herum um mich nicht anklicken zu müssen.
Ich spüre ihre Unsicherheit und ich kann mir gut vorstellen, dass es an unserem Kuss lag. Ich lächle in mein Schinken-Käse-Sandwich, während ich ein großes Stück abbeiße.
"Äh. Ich wollte gleich anfangen aufzuräumen." Stottert sie. Mein Blick gleitet zur Uhr. Es ist erst 2 p.m. Da ich meist schon mittags im Büro bin, ist mir schon öfters aufgefallen, dass Emilia immer viel Früher kommt. Meist fängt sie an zu putzen, obwohl die Bar immer schon abends ordentlich gemacht wird.
„Du weißt schon, dass du zu früh bist?" Ihre Hände verkrampfen sich um ihre Tasse.
„Ich mache das freiwillig. Du musst mich nicht bezahlen." Antwortet sie etwas schroff, bevor sie aufspringt und ihre Tasse in die Spüle stellt.
Perplex blicke ich ihr nach, als sie Richtung Club verschwindet. Schnaufend esse ich mein Sandwich zu ende. Verstehe einer diese Frauen.
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ZERRISSEN - Zwischen Angst und Liebe
Romance~Abgeschlossene Geschichte~ Noch nicht überarbeitet, daher verzeiht den ein oder anderen Fehler. ♥︎♥︎♥︎ 3. Platz Romantik Award ♥︎♥︎♥︎ Die schüchterne neunzehnjährige Emilia Schmidt hat es von Geburt an nicht leicht. Von ihrer drogenabhängigen Mutt...