Kapitel 25

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I know I could lie but I'm telling the truth
Wherever I go there's a shadow of you

~ „Wherever I go", OneRepublic

Hermine hatte Draco auf ihr Sofa verfrachtet, wo er immer noch bewusstlos lag.
Panisch fuhr sich die Braunhaarige durch die Haare. Was sollte sie jetzt machen?
Die Situation hatte sie komplett überfordert. Er war einfach so vor ihrer Tür aufgetaucht, vollkommen panisch und war dann vor ihren Füßen zusammengebrochen. Eigentlich nicht das, was sie sich für diesen Abend vorgestellt hatte. Was war passiert? Sollte sie ihn in ein Krankenhaus bringen?
Gerade, als sie Harry oder sonst wen um Hilfe bitten wollte, regte sich der blonde Zauberer auf ihrer Couch.
„Draco!" Sofort stürzte Hermine zu ihm und ließ sich auf die Knie neben ihn sinken, um auf einer Augenhöhe mit ihm zu sein. Er hatte so sehr geschwitzt, dass sie ihm seine Jacke ausgezogen und das Hemd geöffnet hatte, damit die Luft ihn ein wenig abkühlte.
„Hermine...", sagte er schwach.
Die Braunhaarige sprang auf und befüllte in der Küche ein Glas mit Wasser, das sie ihm brachte. Vorsichtig nahm er ein paar Schlucke und reichte es dann an sie zurück.
„Was ist passiert?", erkundigte sich die junge Hexe und strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht.
„Ich... ich war auf dem Weg zu deiner Wohnung und... ich schwöre dir, ich habe ihn gesehen!"
„Wen gesehen?"
Draco schloss die Augen und schien mit sich zu ringen. „Meinen Vater", sagte er schließlich.
Hermines Augenbrauen zogen sich zusammen. „Draco, das... das kann nicht sein", sagte sie sanft.
„Ich habe ihn gesehen!" Er betonte jedes Wort einzeln. „Das musst du mir glauben!"
Hermine seufzte. Sie stand auf und sah auf dem Fenster auf die Straße nach unten. Natürlich war es jetzt zu spät und wer auch immer dort war – wenn überhaupt jemand dort war -, war jetzt verschwunden. Trotzdem fühlte Hermine sich ein wenig besser, als sie feststellte, dass nur eine Mutter mit ihren zwei Kindern und eine ältere Dame über die Straße liefen.
„Bitte, Hermine, du musst mir glauben!" Draco fuhr sich verzweifelt durchs Gesicht. Hermine kehrte wieder zur Couch zurück und sah ihn an. Sie versuchte, ihre Zweifel zu verbergen, damit er sich nicht noch schlechter fühlte.
„Ich habe ihn wirklich gesehen, Hermine!", sagte er verzweifelt. „Ich habe ihn wirklich gesehen!"

Draco hatte die Nacht bei ihr verbracht, da Hermine ihn in diesem Zustand nicht nach Hause gehen lassen wollte. Die Nudeln waren kalt geworden, aber Hermine war auch der Appetit vergangen. Sie wusste, dass Draco nicht wirklich geschlafen hatte, denn immer wieder war sie aufgewacht, als er sich unruhig im Bett herumgewälzt hatte.
An diesem Morgen verließ Draco früh ihre Wohnung. Er musste sich neue Kleider zu Hause holen und dann im Ministerium seinen zweiten Arbeitstag antreten. Eigentlich fühlte er sich absolut nicht in der Verfassung dazu, aber es brachte nichts. Wenn er schon an seinem zweiten Arbeitstag nicht kam, würden die Gerüchte nur noch wilder werden und darauf hatte er beim besten Willen keine Lust.
Auch Hermine machte sich an diesem Morgen mit einem mulmigen Gefühl fertig. Sie knöpfte den letzten Knopf ihrer Bluse zu, strich noch einmal darüber und zog dann ihre Schuhe an. Der Vorfall von gestern Abend ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Draco hatte so panisch gewirkt... Irgendetwas musste an der Sache dran sein, aber sie beide hatten gesehen, dass Lucius Malfoy definitiv tot war. Draco hatte ihn selbst getötet. Wie konnte er glauben, ihn auf der Straße gesehen zu haben? Und woher sollte er wissen, wo Draco sich aufhielt? Es war einfach absolut unmöglich.

Als Draco an diesem Morgen in der Aurorenzentrale ankam, verstummten die Gespräche mit einem Mal. Er sah finster in die Runde und ließ sich dann auf seinen Schreibtischstuhl sinken. Was sollte das? Er hatte diesen Leuten nichts getan, kannte sie noch nicht einmal und sie erlaubten sich, ein Urteil über ihn zu bilden. Sie hatten nur Gerüchte gehört und wussten doch nicht, wie er wirklich war.
„Guten Morgen, Draco", begrüßte Harry ihn, als er an seinem Platz vorbeiging. In der gestrigen Mittagspause hatte er sich eigentlich ganz gut mit dem Schwarzhaarigen unterhalten, aber Draco war immer noch der Überzeugung, dass er nur aus Mitleid mit ihm essen gegangen war und Mitleid brauchte er sicherlich nicht.
Schlecht gelaunt wandte er sich der Akte auf seinem Schreibtisch zu und versuchte, die Tuscheleien um ihn herum auszublenden.
Mal wieder hasste er es, dass sein Ruf ihm vorauseilte und er schneller rennen musste, als er es jemals getan hatte, um ihn einzuholen...

Der Arbeitstag ging schneller vorbei, als Hermine vermutet hatte. Zwar ging es immer noch eher langsam voran, da sie noch viel lernen musste, aber es hatte ihr wieder einmal Spaß gemacht und das war die Hauptsache.
Auf Draco traf sie im großen Eingangsbereich des Ministeriums. Sie lächelte ihn an und er erwiderte es, jedoch reichte das Lächeln nicht bis zu seinen Augen.
„Komm, lass uns schnell hier verschwinden", meinte er, nahm ihre Hand und zog sie durch die Halle.
Hinter sich hörte die Braunhaarige gerade noch, wie jemand ihren und Dracos Namen sagte, dann war das Gespräch zu weit entfernt.
Die beiden kamen bald an dem Restaurant an, in dem sie sich heute verabredet hatten. Draco wollte mit ihr auf ihre ersten Tage im Berufsleben anstoßen und dabei war es ihm egal, ob es sich dabei um ein Muggel-Restaurant handelte oder nicht.
Wieder einmal musste Hermine staunen, wie sehr er sich verändert hatte.
„Was war das eben?", fragte sie, als sie am Tisch saßen und sich etwas zum Essen ausgesucht hatten.
„Nichts", erwiderte Draco. Er wollte sie nicht auch noch damit belasten. Lieber wurde er alleine damit fertig. Sie hatte schließlich nichts mit der ganzen Sache zu tun, also musste sie auch nichts davon erfahren.
„Nichts?", hakte sie nach. „Das sah aber nicht nach nichts aus. Wieso wolltest du so schnell verschwinden?"
Draco verdrehte innerlich die Augen. Manchmal hasste er es, dass sie so neugierig war und alles hinterfragte, aber er liebte sie trotzdem – so sehr, dass er sie nicht mit in diese Sache hereinziehen wollte. Er war sich sicher, dass sie, sollte sie von den Gerüchten über ihn erfahren, wie eine Furie in die Aurorenzentrale stürmen und seinen Kollegen ordentlich die Meinung sagen würde und das wollte er auf jeden Fall vermeiden.
„Es ist wirklich nichts. Ich... hatte einfach nur Hunger", sagte er schließlich und griff auf dem Tisch nach ihrer Hand, fuhr sanft mit dem Daumen über ihren Handrücken.
Zum Glück kam in diesem Moment der Kellner, was ihn vor weiteren Fragen rettete.

Ein paar Stunden später standen die beiden vor Hermines Wohnung im Hausflur. Die Tapeten waren gelb und rosa geblümt, was Draco zunächst etwas kitschig gefunden hatte.
Das Essen hatte – für ein Muggel-Restaurant – wirklich lecker geschmeckt, hatte Draco festgestellt. Für ein paar Stunden hatte er all seine Probleme vergessen können. Es hatte ihm gutgetan.
„Du weißt ja, dass du immer mit mir sprechen kannst, wenn dich irgendwas bedrückt oder es dir nicht gut geht?", fragte Hermine.
„Natürlich", erwiderte Draco. „Aber es ist alles okay. Mach dir keine Sorgen. Gestern... Vielleicht habe ich nur jemanden gesehen, der ihm ähnlichsah."
Ganz überzeugt war Hermine nicht von seiner Antwort, wollte aber auch nicht nochmal nachhaken. Er würde schon mit ihr sprechen, wenn die Zeit dafür gekommen war und sie wollte ihn nicht zu etwas drängen. Zwar kannte sie ihn mittlerweile gut genug, dass sie wusste, dass er gerne Dinge in sich hineinfraß anstatt sie sich von der Seele zu reden, aber wenn er mit ihr darüber sprechen wollte, würde er das auch tun.
„Schlaf gut", sagte sie dann, zog ihn am Nacken zu sich herunter und gab ihm einen sanften Kuss.
„Du auch."
Und bald schon verklangen seine Schritte im Treppenhaus.

I'll be good [Dramione]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt