Ryan Evans

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Sobald Tony mich auf dem Carrier abgesetzt hatte, merkte ich das Zittern meiner Beine, die bald darauf nicht mehr als Stütze hielten und ich mich im Sitzen über den festen Boden freute.
Leider wurde mir meine Freude nicht wirklich gegönnt, denn neben, Steve, Clint und Natasha sah ich auch Fury auf mich und Tony zukommen.
Als erstes fragte Steve jedoch, wie es mir ginge. Obwohl mir noch immer schwindelig und übel war und der Schock tief saß, versicherte ich ihm, dass mir nichts weiter passiert sei. Beim Versuch Aufzustehen musste er mich dann jedoch stützen, was meine Aussage wohl zunichtemache.
„Möchte mir jetzt einer erklären, was hier los war?", fragte Tony in die Runde, sein Visier hatte er mittlerweile hochgefahren.
„Erstmal sollten wir Summer zum Krankenflügel bringen", meinte Natasha und ich spürte die besorgten Blicke aller auf mir ruhen. Fury wollte sich der Gruppenmeinung leider nicht anschließen.
„Das kann noch einen kurzen Moment warten", ordnete der Organisation Boss an, „Zunächst würde ich gerne erfahren, was Miss Anderson über unseren Gast alles zu sagen hat."
Verdutzt schaute Tony von Fury zu mir und wieder zurück: „Du kennst diesen Verrückten?"
„Er ist nicht verrückt!", gab ich, vielleicht etwas zu harsch, zurück, „Er ist nicht verrückt...", wiederholte ich deshalb etwas ruhiger, „Das war nicht er, so ist er eigentlich nicht."
„Hört sich nach einer längeren Geschichte an", stellte Clint trocken fest.


Mit Hilfe von Steve schleppte ich mich zur Brücke. Das Zittern der Beine ließ langsam nach, dafür kehrte ein dumpfer Kopfschmerz ein.
Am Konferenztisch in der Schaltzentrale wartete Bruce bereits auf uns, schnell malträtierte ich den Boden mit meinem Blick. Durch die schnelle Kopfbewegung entwich mir ein schmerzhaftes Zischen.
Erst jetzt realisierte ich wirklich, dass ich meine Brille in dem ganzen Gewühle verloren hatte, immerhin war Bruce mittlerweile der Einzige hier, für den sie eventuell noch was brachte.
Blöde Fähigkeiten.
„Bruce?" Meine Stimme hörte sich genau schrecklich an wie ich mich fühlt.
„Ja?"
„Würde es dir was ausmachen, dich umzudrehen? Auf eine Hulkverwandlung könnte ich jetzt gut verzichten. Sorry "
Das Quietschen seines Stuhls folgte meiner Aussage: „Du siehts schrecklich aus. Du gehörst in den Krankenflügel und nicht hier her."
Tony, der seinen Iron Man Anzug neben der Tür geparkt hatte, brummte zustimmend, Fury hielt es nicht für Notwendig, sich dazu zu äußern, ich setzte mich an den Tisch und hielt mir den Kopf.
Fury war der einzige, der stehen bevorzugte: „So, dann lassen Sie mal hören."
Blöde Autorität.
„Sein Name ist Ryan Evans, 18 Jahre alt, Student an der Rider University New Jersey", erklärte ich langsam.
„Irgendwas, was SHIELD nicht längst weiß?", unterbrach mich Fury.
Blödes SHIELD.
Nervlich hatte ich heute das Limit erreicht, weshalb ich einfach monoton antwortete. „Dann fragen Sie doch einfach nach dem, was Sie genau wissen wollen."
„In welcher Verbindung stehen Sie zu ihm?"
„Mein Vater arbeitet in einem Labor in New York", begann ich und versuchte mich dabei etwas aufzusetzen, „Aber ich wette, SHIELD weiß mehr darüber an was sie da genau forschen und tüfteln", Fury bestätigte meine Aussage mit einem kurzen Nicken, „jedenfalls hatte Ryan dort ein Schülerpraktikum und bekam später einen Schülerjob angeboten. Wenn mein Vater mich mal von der Schule abgeholt hatte, sind wir oft erst noch an Ryans High School vorbeigefahren, ehe er mich bei Zuhause abgesetzt hatte und die beiden dann weiter zum Labor gefahren sind. In den Ferien habe ich generell öfter mal auf der Arbeit meines Dads vorbeigeschaut. Ryan war fast immer da und wir haben uns besser kennengelernt. Er ist zwei Stufen über mir und als ich an seine High School gewechselt bin, haben wir noch mehr zusammen gemacht Sobald er aufs College gewechselt ist, hat sich das jedoch alles verlaufen, ich weiß nur, dass er immer noch im Labor aushielt, wenn er in New York ist."
„Und dann?", fragte Natasha nach, „Ist das alles?"
„Nichts und dann", die Erinnerung an die damalige, unbekümmerte Zeit hatet ein leichtes lächeln auf mein Gesicht gezaubert, doch mit jedem weiteren Wort wurde meine Miene düsterer, „Ryan war früher der tollpatschige Laborassistent, der immer einen netten Spruch parat hatte. Er war nicht so, so..., so...."
„Verrückt?", warf Tony als Idee ein. Mein derzeit bester Todesblick strafte ihn.
„Arrogant und von sich überzeugt. Wie gesagt, er ist nicht Verrückt. Vielleicht ein bisschen", lenkte ich auf seinen „Er hat dich umbringen wollen"-Blick hin ein, „So kenne ich ihn gar nicht. Das letzte Mal hatte er auch nicht diese smaragdgrünen Augen... er hat sich verändert, so wie ich." Beim letzten Teil schaute ich zu Fury, er sollte wissen, dass ich ihm Vorwürfe machte, „Es ist doch wohl offensichtlich. Er hat eine komische, übermenschliche Fähigkeit, seine Haare sind zweifarbig und seine Augen leuchten förmlich. Ach ja, und am Arm hat er übrigens eine Narbe, die ich Ihnen gerne Live und in Farbe auch an mir zeigen kann."
Fury wartete kurz ehe er mir mit ruhiger Stimme klar machte, mit wem ich gerade redete: „Wie ich Ihnen bereits sagte, SHIELD weiß von keinem Vorfall, der dem Ihren nahe kommt, er muss sich selbst Versorgt haben, falls es überhaupt das gleiche Phänomen sein sollte wie bei Ihnen."
War ja klar, sobald man SHIELDS uneingeschränktes Wissen einmal brauchte, sollte es angeblich nicht da sein? Ich brachte all meine verbliebene Kraft auf, um im beginnenden Blickduell nicht zu verlieren.
Bruce, der bisher stumm der Ecke zugeschaut hatte, unterbrach das Gefecht allerdings: „Du hast seine Augen gesehen?"
Ein bisschen verwirrt schaute ich von Fury auf den Hinterkopf des Arztes: „Ja, bei der Intensität war es auch schwer, sie zu übersehen. Wieso?"
„Naja, immerhin muss ich mich grad mit der Wand unterhalten."
Wie aus Reflex fasste ich zu meinen Augen. Meine Brille! Ich hatte mir bei Ryan anfangs gar keine Gedanken über meine Fähigkeiten gemacht, immerhin dachte ich ihn zu kennen. Erst als er uns sein Unbeeindrucken gegenüber Waffen demonstriert hatte, hatte ich aktiv vermieden ihn anzusehen.
Clint konnte wohl auch eins und eins zusammenzählen: „Dann hat der Tag wenigstens etwas gebracht."
Fury nickte leicht, doch ich ließ mich in meinen Stuhl fallen: „Ja toll und jetzt, da wir endlich wissen, dass mir das unnütze Plastik wirklich was bringt, habe ich es nicht mehr."
„Auf einem Schiff voller Agenten sollte es nicht so schwer sein, an eine neue ranzukommen", klopfte mir Tony aufmunternd auf die Schulter.
Eine Reaktion meinerseits blieb aus. Meine Kopfschmerzen legten sich langsam und auch mein Magen hatte sich beruht, meine Stimmung änderte sich dadurch nicht. Im Moment wollte ich eigentlich nur meine Ruhe.
„War's das, oder wollen Sie noch was wissen?", fragte ich schließlich Fury, der mich daraufhin entließ.
Natasha und Clint gesellten sich zu den anderen Agenten der Brücke, Bruce machte anstalten zu seinem Labor zurückzukehren und Tony machte sich zu meiner Überraschung auf, um ein Gespräch mit Fury zu beginnen.
Steve schaute mich von der Seite sorgenvoll an. „Dann bringen wir dich mal in den Krankenflügel."
„Kann ich mich nicht einfach in meinem eigenen Bett ausruhen?", protestierte ich. Ich fühlte mich zwar nicht super, aber doch wieder gut genug um mich einer weiteren Untersuchungsprozedur entziehen zu können, gerade da Bruce diesmal als Arzt wahrscheinlich ausschied.
Zu diesem schaute Steve nun, in der Hoffnung auf Unterstützung.
Selbst ohne hinzusehen, konnte ich Bruce' prüfenden Blick auf mir spüren, bis er ergeben Seufzte: „Persönlich würde ich einen richtigen Check auch für besser finden, ich kann so nichts über ihren Zustand sagen. Allerdings hat Summer ihre Heilungsfähigkeiten bereits bei derSchulterwunde unter beweis gestellt und wenn irgendwas sein sollte, müsste ihr Körper eigentlich damit klar kommen, gerade wenn sie selber der Meinung ist, dass es ihr schon besser geht."
„Siehst du", erschöpft schaute ich zu Steve, „Mein Arzt sagt ich darf in mein Bett."
„Du meldest dich aber sofort bei einem von uns, sobald du merkt, dass was nicht in Ordnung ist!", ermahnte Bruce mich noch, während Steve und ich aufstanden und Richtung Fahrstuhl schlürften.
Bruce musste wohl noch warten, bis er zu seinem Labor kam.
Die gesamte Zeit über merkte ich Steves verlangen, mich zu belehren.
„Na los, sag's schon. Ich sollte mich im Krankenflügel ausruhen, anstatt in meinem Zimmer."
„Du solltest dich gar nicht ausruhen müssen", konterte der blonde Mann neben mir.
„Oh", gab ich kleinlaut zu, „darauf willst du hinaus."
„Du hättest nicht das Risiko eingehen dürfen, so nah an ihn ranzugehen, du hättest erst gar nicht dort sein sollen!"
Bei der Aussage bekam ich Gänsehaut. „Ryan hat das auch gesagt", flüsterte ich und blieb im Fahrstuhl stehen, als sich die Türen öffneten und Steve bereits ausstieg, „dass ich nicht hier bei SHIELD hätte sein dürfen."
Ich wusste nicht, ob Steve mich gehört hatte, als er sich jedoch verdutzt umdrehte und die Türen dran hinderte sich wieder zu schließen, hatte ich meine Antwort. „Ihr habt noch miteinander gesprochen, als er dich entführt hat?"
Ich hatte das meiste der Situation verdrängt, jetzt schwemmte die Erinnerung jedoch Stück für Stück mein Gedächtnis.
„ ‚Miteinander' nicht wirklich. Vielmehr er. Er hat so wirres Zeug geredet", erklärte ich leise, ich versuchte selber das noch alles zu verarbeiten, „Dass er wohl schon alles geplant und einzig und allein nicht mit mir gerechnet hätte." Fast konnte ich den Luftzug wieder spüren, mein Herz fing an stark zu schlagen, als würde es erwarten, gleich wieder abzurutschen.
Steif vor Angst versuchte ich vorsichtig einen Fuß vor den anderen zu setzten, in der Hoffnung so zu realisieren, dass ich nicht wieder in der Luft war.
Steve beobachtete das ganze Prozedere besorgt.
„Er war ganz anders", ich wusste mittlerweile nicht mehr , ob ich redete, um mir selbst einzugestehen, dass das alles wirklich geschehen war, oder um mich irgendjemandem mitzuteilen, dem ich vertrauen konnte, „Er wirkte fast so, als würde er das alles gar nicht richtig wollen, als würde er mit sich selbst kämpfen."
„Für mich sah es so aus, als würde er genau wissen was er tat", warf Steve ruhig ein.
„Aber nicht, weil er es wollte!", sagte ich mit Nachdruck. Er konnte es einfach nicht gewollt haben.
Steves Ton änderte sich, klang fast ungläubig: „Verteidigst du etwa gerade denjenigen, der dich eben noch in Lebensgefahr gebracht hat?"
„Nur weil ich weiß, dass das nicht Ryan war!" Meine Nerven waren schon gespannt genug und langsam wurde ich wütend. Ich wusste Steve machte sich nur sorgen um mich, aber im Moment wollte ich eigentlich nur sein Verständnis und keine Vorwürfe.
„Sah aber ziemlich stark nach ihm aus...", allen Anschein nach wurde Steve ebenso ungeduldig.
„Du warst eben nicht da!", schrie ich ihn fast hysterisch an
„Du hättest es auch nicht sein sollen!"
Während unseres kleinen, netten Gespräches war ich auf meinen wackeligen Beinen auch endlich an meiner Zimmertür angekommen.
Kurz holte Steve Luft um sich zu beruhigen: „Du solltest Fury davon erzählen, das könnte wichtig sein, das mit dem ‚Kampf gegen sich selbst'."
Nun war es an mir ihn unglaubwürdig anzuschauen. Ich war mir nicht sicher, ob er das nur sagte, um den aufkommenden Streit zu deeskalieren, oder weil er mir wirklich glauben schenkte. Aber ein weiterer kleiner, ängstlicher Teil von mir ging dem Gefühl in mir nach, dass seit der Situation mit Ryan an mir nagte. „Um mich dann zu beobachten, weil es sein könnte, dass mir das auch passiert?"
Meine Stimme konnte sich nicht ganz entscheiden, ob sie monoton oder voller Angst sein wollte. Für mich hörte es sich wie eine Mischung aus beidem an, keine Ahnung wie es wirklich rüberkam.
Steve schien bemerkt zu haben, dass er auf den Kern meiner Sorgen gestoßen war, den selbst ich eben erst etdeckt hatte.
Kurzes Schweigen tritt ein. „Du weißt doch gar nicht, ob es mit deinen.... Mit euren Fähigkeiten zusammenhängt. Bei dir haben wir sowas in die Richtung doch nicht mal annähernd festgestellt."
„Das schien mir auch kein schneller Prozess zu sein, wer weiß was noch kommt, wir viel wissen wir schon über dieses Aliengift, dass grade in mir wüted." Mit jedem Wort verlor meine Stimme an Kraft.
Dafür nahm mein Körper daran zu, wodurch ich nun zum zweiten Mal meine eigentlich reparierte Türklinke wortwörtlich in der Hand hielt. Mit einer Mischung aus Verzweiflung und Wut schleuderte ich sie kurzerhand in die nächstbeste Flurecke.
Stumm schaute Steve mich an, wortlos schob ich meine Tür auf, lehnte sie hinter mir wieder an und hörte wie sich Schritte entfernten.
Überfordert rutschte ich an der Wand gen Boden. Steve anzuschreien war ihm gegenüber nicht fair gewesen, er konnte nichts für mein Gefühlschaos, wahrscheinlich hatte ich ihm am Ende sogar noch mehr Sorgen bereitet, als er sich eh schon machte. Das hatte ich ja toll hinbekommen.


Nach einiger Zeit klopfte es meiner Tür, erst dachte ich, dass Steve mit einem großen Eis reinkommen würde, um mit mir zu reden. Das hätte mir wahrscheinlich gefallen.
Doch schaute kein blonder, sondern schwarzhaariger Kopf durch die Tür.
„Hast du Eis?"
„Ich befürchte nicht", gab Tony gespielt leid tuend zu, „aber vielleicht was Besseres."
„Besser als Eis?", fragte ich ungläubig, während der Milliardär sich neben mir an der Wand nieder lies.
„Wie klingt eine Auszeit für dich?"
„Nicht wie ein Vanilleeis mit Keksteig."
„Und wie klingt eine Auszeit, mit so viel Eis wie du möchtest?"
„Schon besser. Aber als ob Fury mir sowas gönnen würde."
„Fury vielleicht nicht unbedingt", erklärte Tony, „aber ich konnte mich mit ihm Einigen."
Mit hochgezogen Augenbrauen schaute ich zu ihm: „Du, Tony Stark, konntest dich mit Fury auf etwas einigen?"
„Er sieht ein, dass es dein Freund anscheinend auf dich abgesehen hat", fing er an zu erklären, „Ich schlug ihm vor, dich für ein paar Tage mit zum Stark Tower zu nehmen, in denen der Helicarrier sich an eine neue Position begeben kann. Dass du auch mal ein paar ruhige Tage brauchen könntest, verschwieg ich ihm. Wahrscheinlich hätte unser Mister Augenklappe dann nicht unbedingt dafür gestimmt. Ich weiß nicht mal, ob er das Wort „Entspannung" kennt."
Eine Auszeit hörte sich wirklich ganz gut an, im Moment konnte ich den Helicarrier nicht mehr sehen. Da fiel mir etwas auf: „Wie komm ich zu deinem Tower?"
„Das könnte ein Problem werden...", druckste mein Sitznachbar rum, „Wie klingt ein Flug mit der Iron Man Airline für dich?"
Bei dem Gedanken nochmal so schutzlos den Flugmodus auszuprobieren, bekam ich schon wieder eine Gänsehaut und das Blut in meinen Adern gefror. Ich hatte Steve schon verschreckt, dass musste ich bei Tony nicht auch noch machen, weshalb ich versuchte es mir diesmal nicht anmerken zu lassen. Ausatmend legte ich meinen Kopf in den Nacken, bis er auf die Wand hinter mir traf. „Wie ein ganzer Haufen Eis."
„Na, da hat ja schon jemand seinen Humor zurück", grinste Tony erfreut, woraufhin seine Rippen leichte Bekanntschaft mit meinem Ellenbogen machten. 

The next Avenger - the new life of a "normal" girl (german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt