Kapitel 10

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Zwei Monde waren seit dem Vorfall vergangen. Mondjunges lag gelangweilt im Heilerbau und hörte Eschenpelz zu, der etwas über irgendwelche Kräuter erzählte. Sie verdrehte die Augen. Irgendwann würde sie aus diesem Loch kommen und allen zeigen, dass sie eine gute Schülerin war! Plötzlich stürmte jemand in den Bau, Aufregung lag in der Luft. "Lichterglanz", keuchte Schlangenbiss aufgeregt, "bekommt ihre Jungen!" Mondjunges zuckte zusammen. Sie wollte das nicht. Wieso musste sich ihr Vater in die Schwester ihrer Mutter verlieben? Allein bei dem Gedanken sträubte sich ihr Fell. Vipernschweif passte gar nicht zu der goldgetigerte Kätzin. Sie schloss die Augen und stellte sich schlafend. Mondjunges wollte nichts von ihren Halbgeschwistern wissen, schon gar nicht bei der Mutter! Eschenpelz huschte an ihr vorbei. Schlangenbiss stand noch eine Weile im Eingang. "Willst du nicht auch dorthin?", fragte der Kater. Zuerst wollte das Junge ihn ignorieren, schüttelte dann aber den Kopf. Seitdem jeder im Clan wusste, dass sie eingeschränkt war, ging man sehr umsichtig mit ihr um. "Wenn du willst, sage ich dir Bescheid, wenn die Jungen da sind..." Mondjunges murrte den braungetigerten Kater etwas entgegen und vergrub ihre Schnauze in ihrem Schweif. Ein wenig neugierig war sie ja schon. Die Augen immer noch geschlossen wartete sie, bis Schlangenbiss fort war. Die weiße Kätzin war jetzt sechs Monde alt, normalerweise das Alter, indem sie aufgeregt vor ihrer Anführerin stehen und ihren Schülernamen empfangen sollte. Stattdessen gammelte sie im Heilerbau vor sich hin, ohne was zu tun. Müdigkeit überkam sie, matt lag ihr Kopf auf ihren schweren Pfoten. Und schon entschwand sie in ihr eigenes Traumland. 

Sie blickte sich um, Licht erfüllte das Waldstück in dem sie stand. Ihre Augen waren klar Blau und auch ihre Sicht nicht getrübt. Ein Zischeln schreckte sie auf. Über den nadelbedeckten Boden schlängelte sich eine Schlange, fauchte sie an und verschwand in einem Dickicht, aus dem ein großer, dunkler Rabe mit lautem Krächzen aufstieg. Eine schwarze Feder segelte in dem glänzenden Licht zu ihr herunter und bettete sich neben einem Nadelhaufen. 

"Mondjunges? Mondjunges!" 

Die junge Kätzin schreckte hoch. Sofort sah sie wieder nur Dunkelheit. "Die beiden sind da", meinte Schlangenbiss. Das weiße Junge rappelte sich auf. "Warte, ich helfe di-" "Nein! Ich kann das alleine!", fauchte sie den Krieger an, als etwas ihre Schulter berührte. Stolz rauschte sie aus dem Bau und in Richtung Kinderstube. Diese war nicht zu verfehlen, also steuerte sie direkt darauf zu. Mohnsamen wohnte noch immer darin, gemeinsam mit ihren vier Jungen und wenn Lichterglanz auch zwei hatte, konnte es eng werden. Am Eingang zögerte sie. Sanfte Stimmen waren von drinnen zu hören. "Komm rein", bat sie jemand, niemand geringerer als ihr Vater. In letzter Zeit war sie froh über alles, was ihn von ihr ablenkte. So oft, wie er an ihr klebte, nervte es sie fast. Eine andere Stimme begrüßte sie. "Du darfst ruhig ein bisschen näher kommen", miaute Lichterglanz samtig. Vorsichtig trat Mondjunges an die Königin heran. Zwei fremde Düfte empfingen sie. "Die Kleine ist schwarz und ihr Bruder braun", erklärte die Mutter der Jungen. "Wir wollten, dass du uns mit den Namen hilfst", ergänzte Vipernschweif. Überrascht zuckte das ältere, weiße Junge zusammen. Auch wenn sie das Gefühl hatte, den Wunsch hege eher ihr Vater, ging sie dennoch darauf ein. Sie holte tief Luft und erinnerte sich: "Nennt sie doch Rabenjunges und Fichtenjunges!"

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