Kapitel 15

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Als Mondjunges am nächsten Morgen erwachte, herrschte schon geschäftiges Treiben im Lager. Gerade verließ eine Jagdrotte die Senke und ihr Vater teilte eine Grenzpatrouille ein. Einige Schüler fraßen noch und allgemein war keine Spur der melancholischen Stimmung zu vernehmen, die Mondjunges letzte Nacht gefühlt hatte. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun konnte, und langsam hatte sie das satt. Nicht nur, dass sie sich unnütz vorkam, sondern auch einfach, dass sie nie etwas zu tun hatte. Keiner konnte ihr eine Aufgabe geben, und sei sie noch so klein, um sie zu beschäftigen. Und Aschenstern schien sie als potenzielle Schülerin komplett zu übersehen und auf Rabenjunges und Fichtenjunges zu warten. Innerlich hätte Mondjunges explodieren können. Wieso ignorierten sie alle einfach? Jemand kam auf sie zu. "Hast du Hunger? Soll ich dir was bringen?", fragte ihr Vater, offensichtlich fertig mit seiner Pflicht. "Nein, das kann ich selbst", giftete Mondjunges und versuchte sich an der massigen Gestalt Vipernschweifs vorbeizuschieben. "Geht's dir sonst gut? Ist alles in Ordnung? Hast du wieder irgendeine hirnrissige Idee?" "Mir geht's so wie die ganzen anderen Male, die du mich fragst, es ist soviel in Ordnung, wie sein kann und Ideen habe ich seit der letzten Frage von gestern Abend nicht. Darf ich jetzt vorbei? Du solltest dich vielleicht um deine Jungen kümmern..." Mit den Worten drängelte sie weiter und erreichte den Frischbeutehaufen. Alles im Lager erinnerte sie daran, wie unfähig sie eigentlich war. Dass sie ihrem Clan zur Last fiel. Der Hunger war der jungen Kätzin vergangen, wieder kam dieses Gefühl der Überflüssigkeit auf. Mit hängenden Schultern schlich sie von der Beute weg. Sie verdiente es doch gar nicht, etwas zu essen, wenn sie den ganzen Tag nur rumlag und nichts tat. Ja, die Ältesten durften das, sie hätten ihrem Clan lange gedient, die Jungen würden es noch und Krieger und Schüler machten es gerade. Nur sie konnte das nicht. Ihr Schweif schleifte über den Boden und zog eine Spur in die Nadeln. Sie streifte den Ausgang zum Schmutzplatz. Vielleicht sollte sie einfach verschwinden, dann brauchte sich keiner Sorgen um sie zu machen, keiner Rücksicht nehmen oder Angst haben, schwach dazustehen. Entschlossen bog sie ein und verschwand aus dem Lager, ihrer Meinung nach für immer. Da der Schmutzplatz außerhalb lag, war es für Mondjunges ein Leichtes, in das Territorium zu gelangen.

Es war ganz anders als das erste Mal. Nicht nur, dass nun Tauwetter herrschte, es nicht so kalt war und man anderes hörte und roch. Auch die Tatsache, dass es hell sein musste. Mondjunges sah keine Bäume, keine Sträucher, nicht einmal den Boden. Zögerliche Schritte machend, schossen ihr Gedanken durch den Kopf. Sollte sie hier draußen sterben? Hätte sie schon ihre Geburt nicht überleben sollen? Wie ihre Mutter zum SternenClan gehen? Blind stolperte sie über den Boden, fiel hin, rappelte sich wieder auf und ging, nein, stürmte weiter. Kaum einen Schritt kam sie, bis sie gegen einen Baum stieß. Sie wollte ausweichen, doch da war ein Strauch, der ihr den Weg versperrte. Sie hatte das Gefühl eingekesselt zu sein, keinen Ausweg zu finden. Siehst du? Sogar zu dumm zum weglaufen bist du!, beschimpfte sie sich selbst und sank zu Boden. Was machte sie bloß? Eine Weile verharrte sie einfach, sie ignorierte die Kälte, die Nässe, die ihr Fell durchdrang, einfach nur den Klängen lauschend.

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