Teil 1

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Jungkook bemerkte gar nicht, wie das Personal um ihn herumwuselte.

Mal zupfte jemand unablässig an seinen Haaren herum.

Mal wurde ihm ein Pinsel mit Make Up ins Gesicht gehalten.

Mal versuchten drei Menschen gleichzeitig, sein Jackett zu richten.

Jungkook seufzte und ließ alles geschehen. Ohne Widerrede tat er, was sie wollten; drehte sich um 180°, hob den Kopf, schloss die Augen...

Er bekam davon gar nichts mit. Seine Gedanken waren ganz woanders. Seine Gedanken schwebten bei den Erinnerungen der letzten Nacht.

Alles war so unerwartet geschehen. Plötzlich war da V. Jungkook wusste nur noch, dass der Ältere nach ihrem Konzert so niedergeschlagen war wie noch nie zuvor. Als Jungkook aus seiner Kabine kam, hatte er ihn mit vors Gesicht geschlagenen Händen auf der Treppe hinter der Bühne sitzen sehen. Jungkook, der in den letzten Jahren irgendwie eine besondere Schwäche für Taehyung entwickelt hatte, konnte daran einfach nicht vorbeilaufen. Er musste sich einfach neben ihn setzen und versuchen, ihn zu trösten. Damit hatte er Tae fast zu Tode erschreckt. Nachdem der sich beruhigt hatte und nun peinlich berührt zur Seite sah – seine Wangen waren etwas feucht und seine Augen angeschwollen, sodass Kookie annahm, dass er geweint hatte – traute Jungkook sich vorsichtig nachzufragen, was los war. Zuerst schwieg Taehyung und Jungkook hatte angenommen, dass er nicht darüber reden wollte. Im Nachhinein schien es nur, als hätte Tae sich stark zusammennehmen müssen, nicht wieder zu weinen und/oder sich zu bemühen, die richtigen Worte zu finden. Jungkook hatte seine Hand genommen, um ihm zu verdeutlichen, dass er nicht alleine war und er ihn unterstützte. Es war ihm nicht aufgefallen, wie Tae ihn angesehen hatte oder wie er sich auf seine Unterlippe gebissen hatte. Dann hatte der Ältere leise erzählt, dass er während des Konzerts auf der Bühne gestolpert und gefallen war. Es hätte nicht nur furchtbar peinlich ausgesehen, sondern er hätte darüber vor Panik auch noch seinen Text vergessen. Jungkook war von dieser Nachricht total überrascht gewesen, das hatte er gar nicht mitbekommen. Aber manchmal vergaß er auf der Bühne einfach alles um sich herum, wenn zehntausende von Armys ihre Lightsticks im Takt der Musik schwenkten...
Tae war so nervös und verlegen gewesen, dass er ganz rote Wangen bekommen hatte, was Jungkook als unendlich hübsch empfand, ihn aber nicht darauf ansprach, weil es Tae wahrscheinlich unangenehm war. Der erzählte leise weiter, dass er seit diesem Zwischenfall die ganze Zeit daran denken musste, dass Bighit ihn als Mitglied der Bangtan Boys so lange geheim gehalten hatte. Ihm wurde immer eingetrichtert, dass es so gelaufen war, weil er die Geheimwaffe gewesen sei, die nicht von anderen Firmen weggeschnappt werden solle. Doch in Wahrheit, so glaubte er, war es, weil sich Bighit nicht sicher gewesen war, ob er dazugehören sollte. Ob er es packte – genau wegen solcher Sachen. "Ich bin halt eben doch nur ein dummer Bauernjunge", hatte er gemeint, bevor seine Stimme weggebrochen und er verstummt war. Jungkook hatte entsetzt mit ansehen müssen, wie er die Knie an seinen Oberkörper zog, die Arme darumlegte, sein Gesicht zwischen seinen Knien vergrub und lautlos zu weinen anfing. Der Jüngere wusste nicht, wie er reagieren sollte, also schloss er Tae in seine Arme und flüsterte ihm leise ins Ohr, dass das nicht stimmte, was er sich einredete. „Du wurdest wirklich zurückgehalten, damit wir dich behalten können. Es war doch von Anfang an keine Frage, ob du es schaffst. Tae-Tae... sag sowas nicht. Du hast so viel gemeistert."
Tae hatte Kookies Shirt nassgeweint. Jungkook traute sich nicht, ihm übers Haar zu streichen, dafür hatte er zu viel Respekt vor dem Älteren. „Du bist kein dummer Bauernjunge, Tae. Du hast Talent. Großes Talent. Solche Fehler passieren jedem Mal. Sowas passiert mir auch ständig, das ist doch kein Grund zum Weinen. Trotzdem gehörst du zu uns! Du bist genauso wichtig für Bangtan wie Namjoon oder ich. Ohne dich wären wir jetzt nicht da, wo wir sind, glaub mir. Rede dir nichts anderes ein... bitte..."
Plötzlich hatte V den Kopf gehoben und Jungkook einfach nur angestarrt. Es hätte ihm unangenehm sein müssen, doch der einzige Gedanke, der ihm durch den Kopf fuhr, war: Verdammt, Taehyung sieht sogar perfekt aus, wenn seine Augen total verheult und sein Gesicht angeschwollen sind. Er hatte es nicht begreifen können, aber als er es versuchte und Tae genauer betrachtete, war ihm nur aufgefallen, dass der Ältere näherkam. „Danke, dass du... mir hilfst", hatte der gemurmelt, „Das ist süß von dir. Dass du so liebe Sachen sagst und mich tröstest... Danke, Jungkook-ah." Kookies Gehirn setzte aus, als Taes Gesicht unaufhaltsam näher kam.
„Geht es..." Er hatte sich räuspern müssen, weil sein Hals vor Nervosität so trocken wie die Wüste Sahara war. „Geht es dir besser?", fragte er, naiv wie er war. Tae grinste schief und Jungkook starb innerlich fünf schnelle, aber durchaus angenehme Tode. „Ja", sagte V dann, „Dank dir geht es mir schon wieder viel besser." Jungkook wurde rot und senkte den Blick. Aber nur kurz, denn immer noch hatte er das Gefühl, als würde Tae den Abstand zwischen ihnen verringern. „Das Ganze hier ist mir echt peinlich, also...", meinte V leise, „Wäre es okay, wenn das unter uns bleibt? Bitte, Kookie?" Jungkook, der sich einbildete, bereits Taes Atem auf seiner Haut spüren zu können, nickte benommen. „Mh-hm, klar... kein Problem", hauchte er und hatte sich bereits in diesen unendlich tiefen Augen verloren. Tae lächelte dankbar. Es sah unvorstellbar anziehend aus. „Großartig. Herzlichen Dank. Wenn diese Begegnung hier unter uns bleibt – also tatsächlich –, dann kann ich ja vielleicht... etwas ausprobieren..."

Jungkooks Herz schien in dem Moment stillzustehen, in dem Tae ihn geküsst hatte.

Ein Fehler? [Taekook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt