4. Kapitel: "Was willst du von mir?"

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Luna Catalina Torres. Als Influencerin macht sich der Name vor dem blauen Haken perfekt. Storys von Friseur- und Nagelstudiobesuchen leuchten mir vom Display meines Handys entgegen, als ich am Tag darauf aufs Sofa gefläzt durch Instagram scrolle. Geistesabwesend greife ich mir eine handvoll Chips aus der Tüte, die vor mir auf dem Couchtisch liegt. An die Folge Simpsons, die über den Fernseher flackert, erinnere ich mich noch ausgezeichnet, also hat mich die Langeweile auf das Profil meiner „guten Freundin" gelotst. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, als was ich Luna genau bezeichnen soll.

Unter ihren tausend belanglosen Posts finden sich ein oder zwei ältere mit Tiefgang, in denen sie auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam macht. Das Modepüppchen ist hauptsächlich Fassade. Mich hat immer gestört, dass sie den bequemen Weg gewählt und sich für diese oberflächliche Scheiße entschieden hat. Sie ist klüger als ihr Instagram-Feed vermuten lässt, aber das spiegelt sich eben nur in den wenigsten ihrer sonst völlig banalen Uploads.

An dem Abend, an dem ich sie kennengelernt habe, war sie mit Abstand das Mädchen, das sich auf der Studenten-Party am peinlichsten von allen benommen hat, und trotzdem kam sie damit durch. Nachdem sie mich erkannt hatte, hat sie allen dort erzählt, Vincent und ich würden mal groß rauskommen und sich mir praktisch an den Hals geworfen. Ich hatte den schlechtesten ersten Eindruck von ihr, den man überhaupt nur haben kann. In der Uni hat sie mich die Woche drauf ganze drei Tage gesucht, um sich zu entschuldigen. Dass sie mich gefunden hat, indem sie allen möglichen Leuten ein Foto von mir gezeigt hat, war echt ziemlich gruselig. An sich ist Luna allerdings harmlos, also habe ich sie gewähren lassen, nachdem sie sich für ihr Verhalten bei mir entschuldigt hatte. Zuerst fand ich sie lästig, aber sie ist nicht dumm – sie tut nur dauernd so. Obwohl sie mir erklärt hat, dass das alles nur ein Spiel für sie ist, werde ich wohl nie nachvollziehen können, dass sie solchen Spaß daran hat, die Leute nach Strich und Faden zu verarschen, wenn's um ihre Persönlichkeit geht. Schon bloß darüber nachzudenken macht mich irgendwie wütend, zumindest nervt es mich.

Ich erinnere mich noch immer an diese Abende mit ihr. Luna und ich, umringt von teurem Riesling, Chianti, Dornfelder; jeder ein buntes Coca-Cola-Glas in der Hand, weil ich kein einziges Weinglas besitze. Ihr Vater, der Star-Sommelier, hat sie mir gesagt, wäre schockiert, wenn seine Tochter einen Banausen ohne Weingläser daten würde.

Genau hier auf meiner Couch haben wir unsere Zeit mit solchen Scherzen totgeschlagen und mich hat das wiederaufgebaut. Tagsüber habe ich Alexa so gut ich konnte mit Linus geholfen, aber sobald ich wieder nur allein für mich war, wurde mir schlagartig bewusst, dass das Baby, das ich mitversorgte, gar nicht von mir war, sondern von diesem anderen Kerl, der meine Ex-Freundin – die Frau, die ich gerade erst wieder lieben lernte – in ihrer Wohnung zusammengeschlagen hatte.

Luna war die pure Ablenkung. Zwar hätte ich nie ernsthaft was mit ihr angefangen, doch die ungeteilte Aufmerksamkeit, die sie mir schenken konnte, hat meine Wunden geheilt. Für sie war ich der Einzige. Sie wollte nur mich und das hat sich gut angefühlt. Es war ganz anders als mit Alexa, die mich wollte, aber schon vergeben war. Ich habe meine Ex-Freundin ein paarmal gefragt, was sie ursprünglich an Linus' Vater gereizt hat, aber es waren leere Worte, weil ich mir ihre Antworten nie richtig anhören konnte. Mich hat zutiefst gekränkt, dass sie an diesem Idioten festgehalten hat. Warum er? Warum wollte sie mich nicht? Warum konnte Alexa nur in diesem einen Punkt nicht ein bisschen mehr wie Luna sein?

Ich zucke zusammen, als mein Handy in meiner Hand zu vibrieren beginnt. Vincents Name leuchtet mir entgegen und ich gehe sofort ran.
„Stein, altes Haus", begrüße ich ihn.
„Dag? Bist du's wirklich?", fragt er ungläubig. „Seit wann gehst du direkt nach dem Freizeichen an dein Telefon?"
„Seit ich jemanden auf Instagram stalke und du mich mittendrin anrufst", antworte ich ihm wahrheitsgetreu.
„Stalkst du Pari?"
Ich schlucke, dann verneine ich monoton.
„Was gibt's, Alter?", frage ich ihn, um meine verhaltene Reaktion zu überspielen.
„Hast du Zeit zu reden?"
„Ich hab ausnahmsweise sogar mal Zeit, dir ordentlich zuzuhören", bestätige ich.
„Das hört man doch gern", erwidert Vincent. Mein Bester seufzt am anderen Ende der Leitung. Spontan schleicht sich die Lust auf eine Tasse Kaffee bei mir ein, also stehe ich auf und bewege mich in Richtung Küchenzeile.

Escape the FriendzoneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt