Die Stimmung im Studio ist gedrückt wie im Gerichtssaal, nachdem die Anklageschrift verlesen wurde. Ich bin der Angeklagte und sitze einer Jury bestehend aus drei Personen gegenüber. Vincent, Charlotte und Iara schauen mich an, als wäre ich ein Außerirdischer. Mein bester Freund nimmt mich so prüfend in Augenschein, als wäre ich ihm völlig fremd; Charlotte bereut offenbar ihre unstillbare Neugier, die sie vom Bildschirm ihres Laptops wie an unsichtbaren Fäden in Richtung des Lärms gezogen haben muss. Diesen Lärm hat Iara veranstaltet, die nur haarscharf an einem Heulkrampf vorbeigerauscht ist, mir ihre Meinung zu meinem seltsamen Verhältnis mit Alexa aber trotzdem laut genug um die Ohren geknallt hat, sodass ich einen leichten Tinnitus davongetragen habe. Der anhaltende, hohe Pfeifton nervt. Ich kann mich auf nichts konzentrieren, weiß nicht mal, wem der Drei ich in die Augen schauen soll.
Schließlich ist es Vincent, der sich als Erster aus seiner Starre löst.
„Sag mal, hast du sie noch alle? Da ist ein Kind involviert. Alexa und du, ihr spielt ihrem Sohn hemmungslos heile Welt vor. Merkst du nicht, wie abgefuckt das ist, Dag?"
Charlotte sinkt auf die Kante der Tischplatte. Sie ist blass um die Nase.
„Was wenn der Junge anfängt, dich als seinen Vater zu sehen?", fragt sie mich, ohne jegliche Gefühlsregung in der Stimme. Iara nickt stumm zu ihren Worten.
„Bald nennt er dich Papa, viel fehlt da nicht", pflichtet auch Vincent ihr umgehend bei.
„Das ist nicht fair, was du da abziehst", schaltet Iara sich ein und ich vermeide es, ihr in die grünen Augen zu schauen, weil sie recht hat und weil ich nicht sehen will, wie enttäuscht sie ist. Als wir miteinander telefoniert haben, hat sie sich sicher etwas anderes unter dem Geständnis vorgestellt, das ich wie versprochen vor Alexa ablegen wollte. „Du machst allen etwas vor", fährt sie fort. „Sogar einem ahnungslosen Kind. Was ist nur aus dir geworden?" Nachdenklich mustert sie mich. Vincent und Charlotte wissen dem offenbar nichts hinzuzufügen, jedenfalls schweigen sie. Ich ziehe ein letztes Mal an meiner Zigarette, drücke sie im Aschenbecher aus und zünde mir direkt eine neue an.
„Mir ist schon klar, dass das nicht mein hellster Moment war", nuschle ich mit dem Glimmstängel im Mund.Vincents freudloses Lachen zwingt mich aufzuschauen.
„Warum machst du's dann? Wieso stellst du dich blöd?", fragt er. „Bitte erklär's mir endlich, damit ich es wenigstens irgendwie nachvollziehen kann."
„Es gibt nichts zu erklären", sage ich ernüchtert. Die Trostlosigkeit trieft mir aus jeder Pore.
Iara vergräbt ihr Gesicht in den Händen.
„Hör auf, deine ganze Liebe Alexa zu schenken", bittet sie mich leise.
„Ja", kommt es von Vincent wie aus der Pistole geschossen. „Sie hat sie nicht verdient. Was sie durchmachen musste, war ohne Frage furchtbar und es tut mir sehr leid für sie. Aber das ändert nichts daran, dass sie dir auf eine Art und Weise wehgetan hat, die du ihr nie vergeben können wirst. Noch eher vergibst du Pari, und das weißt du auch."
„Unwahrscheinlich", schnaube ich.
„Blödsinn", mischt Charlotte sich ein. „Ich dachte, du liebst Pari, natürlich vergibst du ihr."
„Wenn das so verdammt einfach wäre, hättest du ihn in eurer Krise damals gar nicht erst verlassen", antworte ich bissig und deute auf Vincent, der bloß den Kopf schüttelt.
„Jetzt lass mal uns da raus, es geht hier um dich", erinnert er mich. „Dass Pari versucht hat, dich in die Friendzone abschieben, war scheiße von ihr und ich traue ihr allein deswegen nicht über den Weg, aber wenn du das im Verhältnis zu Alexa betrachtest, die dich nach Strich und Faden belogen hat, bis sie schwanger von 'nem andern Typen war, dann ist Zwerg Nase definitiv die vernünftigere Option", fasst er die Lage zusammen.
„Ich sehe das genauso", schließt Charlotte sich ihm an, „und lass deine Ex-Freundin ziehen, Dag. Gib Alexa die Chance, aus ihren Fehlern zu lernen. Das ist das einzige, was du noch für sie tun kannst."
„Niemand kann mir versprechen, dass Pari nicht nochmal dasselbe mit mir abzieht wie nach Paris, wenn ich mich für sie entscheide", protestiere ich.„Doch, ich", meldet Iara sich plötzlich zu Wort und drei Augenpaare blicken sie verblüfft an. „Pari ist meine beste Freundin. Sie begreift langsam, was sie dir angetan hat – und sie würde es nie wieder so weit kommen lassen." Irritiert fahre ich mir durch die Haare.
„Dafür garantierst du?"
Iara nickt.
„Ich kenne sie seit dem Kindergarten, ich habe ihre besten und ihre schlimmsten Phasen mit ihr gemeinsam durchgestanden und ob du ihr verzeihst oder nicht, ich bin an ihrer Seite. Sie hat um unsere Freundschaft gekämpft, als wir uns beinah zerstritten hätten. So ist sie. Wenn sie weiß, was sie will, steht sie dafür ein."
Mir wird seltsam schwummrig. Was soll das in Bezug auf mich bedeuten?
„Pff", macht Vincent. „Willst du damit sagen, nachdem sie ihn wie Müll behandelt hat, ist sie endlich bereit, ihn vom Boden aufzukratzen und zu recyclen?"
Mir entgeht das Schmunzeln nicht, das kurz über Charlottes Lippen huscht. Ich nehme es ihr nicht übel, objektiv betrachtet ist es genauso lächerlich, wie Vincent es beschrieben hat. Mir ist trotzdem nicht nach grinsen zumute.
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Escape the Friendzone
Fanfiction~ Auf der Suche nach uns selbst, kann uns niemand begleiten. ~ Pari hat Dag in die Friendzone abgeschoben. Oder zumindest hat sie es versucht. Denn er hat sie einfach stehenlassen und nun herrscht Funkstille zwischen den beiden. Dag hat genug von Pa...