25. Kapitel: "Was wär' ich ohne dich?"

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Es sind einige Tage vergangen, seit ich mich mit Alexa gestritten habe und ich kann kaum glauben, dass Vincent tatsächlich bei mir daheim auf der Couch sitzt. Nach unserer Studiosession hat er mich gefragt, ob wir noch was essen gehen wollen und nach dem Essen dann, ob er mit zu mir kommen soll, woraufhin ich erstmal wissen wollte, ob mit seiner Freundin alles in Butter ist, oder ob er irgendwie Angst hat, zu Charlotte nach Hause zu gehen. Vincent hat das verneint und betont, er möchte mich nicht allein lassen. Er würde merken, dass ich eine Menge Frust ablassen muss. Dann besser bei ihm als bei wem anders, hat er gemeint. Jetzt taxiert er nachdenklich den schwarzen Bildschirm des ausgeschalteten Fernsehers.

„Was denkst du über die Situation?", frage ich meinen besten Freund und reiche ihm eine Tasse Kaffee.
„Danke", murmelt Vincent. Er pustet, damit die Flüssigkeit an der Oberfläche auf Trinktemperatur abkühlt. Beziehungsweise, eigentlich pustet er, um sich seine folgenden Worte sorgfältig zurechtzulegen. „Immerhin weiß Alexa endlich, was Sache ist und dass du dein Herz an Pari verloren hast." Mir entgeht nicht, wie er die Stirn in Falten legt, als er ihren Namen erwähnt und ich beschließe, es ihm nicht zu verübeln. Er macht sich bloß Sorgen um mich. „Apropos Pari: Hattest du zu der eigentlich nochmal Kontakt seit eurem letzten Treffen?", will er wissen und mustert mich aufmerksam.

Ich fahre mir durch die Haare und öffne den Chat mit ihr, bevor ich Vincent mein Handy reiche.
„Sie besteht auf ein zweites Treffen mit mir", erkläre ich. Vincent, der die Nachrichten studiert, nickt abwesend.
„Du hast gesagt, die erste Aussprache mit ihr lief gut?", hakt er nach, als er vom Display wiederaufschaut.
„Ziemlich. Wir haben es vermieden, über uns zu reden. Sie hat's versucht, als wir in der Chocolaterie saßen, aber ich habe an der Stelle abgeblockt."
„Das wäre auch einfach zu früh gewesen, Dicka", bestätigt Vincent mir, dass ich das Richtige getan habe. „Du warst zwei Tage davor noch dermaßen aufgewühlt im Studio." Er macht eine kurze Pause, ehe er fragt: „Glaubst du, du kannst ihr diesen Friendzone-Move verzeihen?"
Ich trinke einen Schluck aus meiner eigenen Kaffeetasse und nicke.
„Doch, kann ich. Ich habe lange darüber nachgedacht, nachdem du im Gespräch mit Iara und Charlotte über das Ausmaß von Schaden philosophiert hast, den Pari und Alexa in meinem Leben verursacht haben. Pari hat sich eine Menge zuschulden kommen lassen, brauchen wir nicht drüber reden, aber erstens habe ich in den letzten Monaten zu meiner Schande aufgeholt und zweitens ging's mir mit Alexa noch viel schlechter. Kaum zu glauben, aber wahr."
Vincent lehnt sich auf dem Sofa zurück und streckt die Beine aus.
„Ich halte Zwerg Nase auf jeden Fall für harmloser als Alexa. Die hat euer Verhältnis absichtlich verpfuscht. Mag sein, dass sie dich nur auf Kurs bringen wollte, aber sie hätte ihre Taktik abändern müssen, als es nicht funktioniert hat. Sie hatte nicht deine Interessen im Kopf, es war egoistisch von ihr, dich am Haken zappeln zu lassen. Über Jahre. Pari wollte das nie; dass du dich so auf sie einschießt, dass du nicht mehr von ihr loskommst ..." Er wirkt gedankenversunken, während er so vor sich hinredet.
„Woher willst du denn über Paris Motive Bescheid wissen?", frage ich skeptisch.
Mein bester Freund zuckt bloß die Schultern.
„Sie hat mir das direkt ins Gesicht gesagt, als wir mit ihr beim Inder essen waren. Später auf dem Konzert hat sie nochmal betont, dass sie dich nicht ausnutzen möchte, weil sie dir damit schaden würde. Alexa hingegen wollte dir schaden, sie wollte deine Grenzen austesten. Sie hat es wahrscheinlich auch nur gut gemeint, aber ihre Selbstsucht stand ihr offenbar im Weg. Ich glaube, bei Pari ist das anders. Wie gesagt, ich denke, in Wahrheit ist sie harmlos und will dir nichts Böses. Bei Alexa bin ich mir da nicht so sicher", fällt er sein vernichtendes Urteil.

„Ich mir auch nicht mehr", schließe ich mich ihm an, vergrabe mein Gesicht einen Moment lang in den Händen, versuche mich nicht in Erinnerungen an Alexa zu verlieren, weder in den guten noch in den schlechten.
„Ich hacke jetzt nicht weiter darauf rum, dass du auf keinen Fall mit ihr hättest schlafen dürfen", gibt Vincent nonchalant seinen Kommentar ab.
„Hast du aber gerade indirekt", grummle ich.
„Ich bin nur ehrlich."
„Ich weiß. Manchmal nervst du damit."
„Fass dir mal an die eigene Nase, was das angeht", lacht er und ich steige darauf ein. „Wann siehst du Pari?", schiebt er noch eine Frage hinterher.
„Kommende Woche oder so."
„Habt ihr noch nichts ausgemacht?"
„Du hörst dich schon genauso an wie Iara." Vincent zuckt gleichgültig die Achseln.
„Klär das doch eben mit ihr, ich muss aufs Klo." Er gibt mir mein Handy zurück, steht auf und verschwindet im Badezimmer. Ich drehe mein Smartphone zwischen den Händen. Nichts führt vorbei an dem Gespräch mit Pari, aber ich traue mir nicht die Vernunft zu, die es braucht, damit wir einander weder an die Gurgel noch an die Wäsche gehen.

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