In Bonn, oder?

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NELES POV:

Schieß los.

Wo sollte ich da anfangen? Wie viel wollte ich Andre überhaupt erzählen?

Hier ist nichts anders.

Wie meinst du das?

Die Menschen hier sind nicht anders. Die Häuser hier sind nicht anders. Die Läden hier sind nicht anders.

Wo bist du denn?

Nicht mehr in Köln.

Und wo bist du dann?

Bei einer alten Bekannten.

Ein paar Minuten bekam ich keine SMS zurück.

Du bist in Bonn, oder?

Woher zum Teufel wusste er das?

Hat dir Marie das gesagt?

Nur sie wusste von Ev. Sonst kannte sie keiner aus meinem Leben in Köln.

Nein.

Gut.

Wieder eine Pause.

Willst du vielleicht mal mit Marie darüber sprechen?

Das war der Moment, an dem ich die Konversation am liebsten abgebrochen hätte. Das letzte Mal hatte Marie mich kurz nach meiner Ankunft hier bei Jean angerufen. Ich hatte sie einfach weg gedrückt. Marie wollte ich am meisten aus meinem alten Leben vergessen. Ich dachte jedenfalls nicht, dass ich sonst noch eine Chance hatte, Andres und meine Vereinbarung einzuhalten.

Du hast ihr nicht davon erzählt, oder?

Wovon?

Dass du Kontakt zu mir hast.

Nein.

Gut.

Soll ich?

Nein!

Warum nicht?

Imaginar schlug ich ihm einmal ordentlich in die Fresse. Eigentlich hatte ich mir nicht vorgenommen, das in einer Nachricht irgendjemandem erklären zu müssen.

Sie soll mich nicht vermissen, wenn ich weg bin. Je früher sie sich damit abfindet, desto besser.

Sie ist doch deine beste Freundin, oder nicht? Ich finde, Marie hat ein Recht darauf, zu erfahren, wo du bist und wie es dir geht.

Was du findest, interessiert nur leider keinen.

Genausowenig, wie die Leute sich für dich interessieren.

Was sollte das denn jetzt? Wollte er mir nun helfen oder mich noch früher in den Selbstmord treiben?

Sehr kontraproduktiv, Andre.

Tut mir leid, das war nicht so gemeint, schrieb er im selben Augenblick.

Schon okay. Ich habe die Hoffnung sowieso verloren.

Bist du dir sicher, dass du nicht noch einmal irgendwie mit Marie sprechen oder schreiben möchtest?

Nein! Ich will das nicht! Kapier es doch endlich und tu niht so auf hilfsbereit, du arroganter Arsch!

Dann werde ich Marie bescheid sagen!

Das wirst du nicht!

Was willst du tun? He?

Ich weiß mehr über dich als du denkst.

Ach ja, das interessiert mich aber brennend!

Wir hatten es so abgemacht. Drei Monate gegen dein Schweigen gegenüber Marie.

Was ist mit den anderen?

Denk gar nicht daran!

Sonst...?

Ungültige Vereinbarung.

Irgendwie tat mir Andre leid. Ich konnte mir selbst vielleicht relativ schlecht vorstellen, wie es war, in so einer Klemme zu stecken, aber er wusste ja gar nicht, dass ich ihm nur leer drohte. Ich war schon kurz davor, mich dafür zu entschuldigen, als er wieder etwas schrieb.

Okay.

Ich legte mein Handy beiseite und wickelte mich in die Decken des Bettes ein. Vage bekam ich noch mit, wie die Haustür einmal auf und zu ging, meine Kraft war jedoch nicht ausreichen, um nachzusehen, was Jean von mir wollte, von meiner Motivation ganz zu Schweigen. Andre hatte diesen Tag nur noch schlimmer gemacht, als er vorher schon gewesen war. Dank ihm hatte ich noch mehr Schuldgefühle, ich musste ihm leer Drohen, um Marie irgendwie zu schützen und meine Motivation war mal wieder völlig im Keller. Mit den Gedanken um Andre, sein Lederarmband und die Frage, was Marie wohl gerade in ihrem ach so perfekten Leben trieb, schlief ich ein. An Norgen weckte mich mein Wecker, doch ich hatte absolut keine Lust, aufzustehen und mich einen weiteren Tag in dieser Anstalt von Schule von dreihundert missbilligenden Augenpaaren begutachten zu lassen, also schrieb ich Ev, dass ich krank sei, drehte mich wieder um, ohne auf ihre Antwort zu warten und schlief wieder ein. Erst der Duft von indischem Essen weckte mich. Ich öffnete die Augen und starrte gegen die weißen Vorhänge, die mir nur wenige Millimeter vor dem Gesicht hingen. Mit einem leisen Grunzen richtete ich mich auf und blickte aus dem Fenster. Ich hatte gestern Abend vergessen es zu schließen und der ganze Duft des Inders gegenüber hing nun schwer im Raum. Mein Magen knurrte so sehr, dass mir schlecht wurde. Ich stellte die Fußspitzen auf dem kalten Boden auf und griff nach meinem Handy. Darauf fand ich ein ungelesene Nachricht. Ich entsperrte mein Telefon und tippte darauf. Die Nachricht kam wieder von Andre. Während ich sie las, wurden meine Augen immer größer.

15.00 Uhr vor dem alten Rathaus. Ich bin alleine da, niemand weiß davon.

Ich schrieb nicht zurück. Okay, einmal Gedanken sortieren, bitte. Andre bestellte mich zum Wahrzeichen Bonns, alleine, keiner wusste etwas davon. Ich, volkommen desmotiviert, hatte eigentlich keine Lust auf gar nichts und schon gar nicht auf diese Oberproll, sagte nicht ab. Wieso sagte ich nicht ab? Wieso schrieb ich ihm nicht, dass das nicht in die Tüte kam? Was bewegte meinen Verstand dazu, mich von einem möchtegern Seelenretter herumkommandieren zu lassen, ohne groß mit der Wimper zu zucken? Ich hatte mich erst auf diese absolut dämliche Abmachung eingelassen und jetzt auch noch auf ein Treffen? Was war los mit mir? Ich warf vorsichtig einen Blick auf meine Uhr und stockte. Es war 14:15 Uhr. In einer dreiviertel Stunde wollte sich Andre mit mir treffen.

"Okay, okay, okay, okay, okay...´", murmelte ich leise für mich selbst. Mit einem Satz sprang ich auf, rannte ins Bad, putzte mir die Zähne, rannte zurück in das Gästezimmer, zog mich an, wieder zurück ins Bad, schminken, zurück ins Gästezimmer, alles in meine Tasche scheißen, Haare kämmen und fertig. Gerade in diesem Moment meldete sich mein Bauch wieder und ich krümmte mich vor Hunger. Schnell lief ich noch einmal in die Küche und entdeckte noch ein Croissant in einer Papptüte, schnappte es mir, meine Tasche über dem Arm und stecke es zwischen meine Lippen, wo ich es fest hielt, während ich meine Schuhe anzog. Dann nahm ich es wieder aus dem Mun, griff nach meinem Longboard und verließ zügig die Wohnung auf dem weg zum alten Rathaus. Andre würde dort warten. Andre sah mich noch. Andre war da. Wie konnte man sich so an eine letzte Hoffnung krallen?

Jep, ich werde hier regelmäßiger, Leserchens,

jedenfalls in dieser Geschichte, denn ich habe mir fest vorgenommen, noch in diesem Jahr das Geheimnis um Neles Tod nieder zu schreiben. Also steht diese Geschichte für mich vorerst an erster Stelle, die Originale Ju FF schaffe ich vorraussichtlich wirklich nicht mehr in diesem Jahr, also mache ich mir da gar keinen großen Druck.

LG Kaeferchen

Die Geschichte von Nele (Julien Bam/Apecrime FF FanFiction) (Parallelgeschichte)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt