Düsseldorf

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NELES POV:

Eine Weile saß ich da und tat nichts. Dachte nichts. Schrieb nichts. Es war kein Zufall gewesen, das war mehr als sicher. Und dummerweise bestätigte das nur noch mehr meine letzten Gedanken. Ich vertraute Andre. Ich tat es nicht bewusst, aber genau das schien sein Ziel gewesen zu sein. Ja, ich vertraute Andre und ich glaubte, es war okay. Ich glaubte, er tat das alles für mich. Ich glaubte an sein Herz. Es war genau das, was ich eigentlich brauchte. Die Bestätigung, dass nicht alle Menschen auf der Welt schlecht waren. Dass ich nur ein oder zwei Mal am falschen Ort zur falschen Zeit gelandet war. Das war genau das, was Andre wollte. Er wollte mir das zurück geben, was ich war. Das und nicht weniger.

Danke, was das letzte, was ich ihm schrieb, bevor ich mein Handy ausschaltete.

ZEITSPRUNG

Es hatte mehrere Wochen gedauert, bis ich diese Entscheidung sicher treffen konnte, aber es war die richtige gewesen. Es musste die richtige gewesen sein. Und so saß ich im Zug auf dem Weg nach ... Düsseldorf. Dort hin, wo mich noch keiner kannte. Wo ich keinen kannte. Nichts kannte. Und nebenbei bemerkt auch noch keine Ahnung hatte, wo ich etwas Geld her bekommen sollte. Ich saß also im Zug, die Fahrkarte hatte ich mir von meiner alten Kreditkarte gekauft. Sie war dank meinem Stiefvater eigentlich nie im Minus. Er merkte wahrscheinlich gar nicht, wo sein ganzes Geld hinfloss, er hatte eh genug davon. Ein Grund für meine Mutter, ihn zu heiraten. Für mich hatte sich ab diesem Zeitpunkt niemand mehr interessiert. Ich konnte so viel Geld ausgeben, wie ich wollte, davon würde mein Stiefvater eh nie etwas mitbekommen. Aber das wollte ich nicht mehr. Ich wollte diese Verbindung endlich abbrechen. Ich wollte nicht mehr davon abhängig sein. Wir näherten uns dem Kölner Hauptbahnhof. Ich sah aus dem Fenster. Der Dom, die große Brücke mit den Schlössern, dessen Namen ich immer vergaß, der Fluss, das alles würde ich heute zum letzten Mal sehen. Wir fuhren noch ordentlich Tempo, also nahm ich meinen ganzen Mut zusammen, stand auf, öffnete das Fenster und warf meine Kreditkarte hinaus in den Wind. Egal wer sie fand, er konnte damit von mir aus machen, was er wollte. Niemand würde davon etwas verlieren. Und ich schloss die Augen, lehnte mich an die eisig kalte Fensterscheibe und presste mir die Hände auf die Ohren, damit ich die Ansage dieser Station nicht hören musste. Leider drang der Schall trotzdem bis zu mir durch. Köln Haupbahnhof. Es kostete mich eine gewisse Menge an Kraft, nicht aufzuspringen und aus dem Zug zu sprinten. Zu Andre. Aber das durfte ich nicht. Das Gefühl von Geborgenheit, das Andre in mir auslöste, würde von der Ignoranz Maries und dem Rest ihrer Truppe zurück gedrängt werden. Es würde sich alles wiederholen. Das wollte ich Andre nicht antun. Ich wollte nicht, dass er scheiterte. In drei oder vier Jahren, so hatte ich es mir vorgenommen, würde ich ihm vielleicht noch einmal schreiben, ihm richtig danken und erzählen, dass es mir gut ging. Vielleicht würde ich ihn sogar einmal zu mir einladen, um ihn wirklich zu überzeugen. Aber ich würde nicht wieder zurück nach Köln gehen. Niemals wieder. Genauso wie nach Bonn. Ev und Jean hatten mich gehen lassen. Keiner von beiden schien damit ein großes Problem gehabt zu haben. Ich fragte mich bis jetzt, ob sie mir ihre ganze Art nur vorgespielt hatten. Doch darüber brauchte ich mir keine Sorgen mehr zu machen. Ich musste alles vergessen, was passiert war. Was schlimmes passiert war. Das einzige, was zählte war, dass glücklich sein würde. Ich musste nur jemanden finden, dem ich vertrauen konnte, so wie Andre. Endlich schlossen sich die Türen des Zuges wieder und ich konnte mich entspannen. Ich versuchte, meine Gedanken weg von Andre zu scheuchen und mich lieber auf das Geräusch des Zuges zu konzentrieren. Es hätte mir nichts besseres passieren können, als dass ich einschlief.

Mti etwas Glück und Intuition wachte ich exakt zehn Minuten vor der Ankunft des Zuges in Düsseldorf wieder auf. Ich beobachtete das Vorbeiziehen der Häuser und der Bäume, versuchte mir ein paar Anhaltspunkte zu erstellen, bis wir schließlich im Bahnhof eintrafen. Ich packte meine mittelgroße Reisetasche, in der sich alle meine Klamotten, die ich mir noch vor der Abfahrt gekauft hatte, mein Handy, Ladekabel, mein Ausweis, Reisepass und meine Fahrkarte befanden. In der anderen Hand hielt ich mein Longboard. Dann stieg ich aus dem Zug. Mit geschlossenen Augen sog ich die Luft dieser Stadt ein. Sie war ein bisschen staubig und trocken, es roch ein wenig nach Caramel und Zimt, wie das Armband von Andre. Ich trug es noch immer. Es war mein Versprechen und mein Glaube daran, dass Andre Recht hatte. Dass ich Andre irgendwie zufrieden stellen musste. Ich würde leben, wenn auch nicht bei ihm. Das einzige, was ich hoffen konnte war, dass Andre damit klar kam oder es zu mindest verstand. Ich mochte Andre wirklich und ich war ihm sehr dankbar, aber ich konnte nicht zu ihm zurück kehren. Nicht bei dem, was um ihn herum passierte. Ich wollte gar nicht wissen, was dann mit mir passieren würde. Und das wiederum wollte ich Andre nicht antun. Ich wollte ihn auf gar keinen Fall versagen lassen, denn das hatte er nicht verdient. Es war die beste Entscheidung für alle gewesen. Meine Entscheidung war richtig. Ich würde hier bleiben. Es würde hier schön sein. Ich würde jemanden finden, der mich sah und mit dem ich glücklich sein konnte. Vielleicht sogar mehrere, aber selbst einer würde mir schon reichen. Irgendjemand, nur niemanden, den ich bereits kannte.

Vielleicht, aber auch nur vielleicht Leserchens,

kommt heute oder morgen noch das Finale dieser Story. Ja, sie neigt sich dem Ende zu, aber ich rate euch: Bleibt dran und urteilt nicht vorschnell, es ist komplett anders, als ihr es erwartet! Ich schreibe jetzt gleich das nächste Kapitel,

LG Kaeferchen

Die Geschichte von Nele (Julien Bam/Apecrime FF FanFiction) (Parallelgeschichte)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt