NELES POV:
Die nächsten drei, vier oder auch fünf Tage hatte ich viel zu sehr mit mir selbst zu kämpfen, als das ich das Haus verlassen konnte. Alle diese Fragen schwirrten in meinem Kopf herum. Wer war Andre wirklich? Warum hatte er das alles für mich getan? Immer wieder schwenkte ich zwischen Machoarsch und fürsorglicher Mensch, der selbst schon viel Erfahrung gesammelt hatte hin und her. Er hatte mir ein paar Nachrichten geschrieben, wie es mir ginge und anderes belangloses Zeug. Auf das meiste antwortete ich nur einsilbig oder auch einfach gar nicht. Doch mit jeder Nachricht, die er mir schrieb, mit jedem einzelnen Buchstaben, glaubte ich ihm mehr, was er gesagt und getan hatte und dass er es freiwillig getan hatte. Für mich. Weil er mich sah. In jeder Sekunde, in der er mir nicht schrieb, wurde meine Hoffnung wieder dem Erdboden gleich gemacht. Ich sah Andre in jedem Menschen, der vor dem Fenster vorbei ging. Ich sah sein Gesicht in der Anordung der einzelnen Haferflocken in meine Müslischüssel. Er ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf, genauso wie die Fragen über seine Persönlichkeit. Ich hatte einerseits immer wieder Angst, in eine Falle zu Laufen, wie ich es bei Nico getan hatte. Das Problem darin leag jedoch nicht darin, gefangen zu sein oder sonst etwas über mich ergehen lassen zu müssen, sondern eher darin, Marie damit in Schwierigkeiten zu bringen. Ich würde mich lieber von Andre vergewaltigen lassen, als meiner besten Freundin den Abschied von mir noch schwerer zu machen oder sie in irgendeiner Art und Weise in das Geschehen mit hinein zu ziehen. Andererseits war Andre der einzige Mensch, der sich in im Moment für mich interessierte und mich nicht vergaß, sobald er mich aus den Augen verlor. Er lief mir nach, immer und immer wieder. Egal, wie oft ihn auch zurück wies, er kämpfte weiter darum, mit mir zu sein. Mir zu helfen. Wer war Andre wirklich? Wer? Warum ich? Warum zur Hölle ausgerechnet ein suizidgefährdetes Mädchen, wenn er doch jede haben konnte? Warum mochte er ausgerechnet mich? Oder mochte er mich gar nicht? War ich nur ein Spielzeug? Ungeliebt und später in der Ecke vergessen? Ein Spiel? Eine Wette? Oder ein Herz? Ein Herz voller Mitleid und Verständnis, Erfahrung und Fürsorge. Wenn er eines hatte. Und was, wenn er keines hatte? Wenn es wirklich nur eine Überflüssige Wette war? Ein Spiel um zehn Euro? Jemand, der ihm nicht nachtrauern, sondern sich eher umbringen würde, weil dieser Jemand sowieso schon längst an der Kante des Abgrundes stand? War ich dieser Jemand? War ich das Spiel, um das es ging? War ich nur eine von vielen, die danach weg geworfen wurden? War ich nur eine von tausend? Oder war ich DIE eine? War ich die eine, der er wirklich ein Teil seiner Lebensenergie gab? War ich die eine, der er half, weil er wusste, wie ich mich fühlte? War ich die eine, für die Andre einiges in Kauf nahm? Oder sogar mehr als einiges? Was ich die eine, die er wirklich mochte, nicht, weil ich aus einem gutes Haus stammte oder besonders hübsch war, sondern weil er mich durch seine Hilfe zum ersten Mal seit Jahren hat sehen lassen, zu was Menschen fähig sein können? Was ich die eine, der Andre gezeigt hatte, zuf fühlen? Zu leben? Zu lieben? Zu ehren? Nicht nur das zu tun, was die anderen von einem verlangten? Nicht immer das zu tun, was die anderen beschützt, wenn es mich nicht beschützte? Was ich die eine, der er nachlief, nicht wegen einer Wette oder wegen eines Spieles? Nicht wegen Marie oder einer Bitte, Gefälligkeit oder wegen Mitleid, sondern weil er selbst es wollte? Oder täuschte ich mich in ihm, so wie in jedem Menschen auch? Hatte ich ein Scheinbild vor Augen? Sah ich nicht, was wirklich passierte? War ich blind davon, dass mich einmal irgendjemand sah? Überschätze ich, was er tat? War ich nicht die eine, sonder nur irgendeine von denen, denen er versucht hatte, zu helfen? Hatte er bei den anderen sein Ziel erreicht? Wieso ich? Wieso war ich sein nächstes Opfer? Wieso konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen und das Ende des Leidens, in dem ich schwebte, noch unnötig lange hinaus zögern? Wieso konnte ich nichts tun? Wieso war ich so still, so unfähig, wieso ging ich nicht zurück nach Köln und polierte Andre einmal ordentlich die Fresse? Wieso war ich nicht traurig oder wütend, wenn ich sein Bild vor Augen hatte? Wieso erschienen mir die schlimmen Gedanken über ihn so unwahrscheinlich? Wieso tat ich nichts? Wieso lief ich nicht weiter, schaltete mein Handy aus? Wieso nahm ich nicht eindlich sein Armband ab und versnkte es im nächsten Gulli? Weil ich ihm glaubt! Weil ich Andre glaubte! Weil ich Andre vertraute und meine ganze Hoffnung darein steckte, dass er ein Herz hatte. Un dass ein Teil davon in mir schlug, wo dieser Teil auch bleiben würde. Weil ich Andre vertraute, wie keinem anderen Menschen. Weil er wusste, wer ich war, wie ich mich fühlte, warum ich so war, wer ich war.
"Ich bin, wer ich bin", flüsterte ich. Im selben Moment piepte mein Handy. Ein Bild von Andre. Es war ein Foto seines Tatoos auf seiner rechten Schulter.
"Sum qui sum", sprach ich aus, was ich darin lesen konnte. Es war Latein. Ich glaubte nicht eine Sekunde daran, dass es Zufall war, dass ich genau diese Worte wenige Sekunden vorher auf Deutsch gesagt hatte.
Na? Wie war euer Weihnachten, Leserchens?
Ich hoffe, ihr hattet viel Freunde mit eurer Familie und seid gut über die Feiertage gekommen! Was mich angeht, ich war die ganze Zeit im Gedanken bei Nele. Verrükterweise habe ich mich sogar gestern den ganzen Tag in meinem Zimmer eingesperrt, vor dem Fenster gehockt und ich schöre euch, ich war Nele. Ich habe mich sogar mit den Fingernäglen in die Haut geschnitten und auf eine SMS von Andre gewartet, die ich natürlich nicht bekommen habe. Ich habe so schlimm geweint, diese Nacht und dann bin ich aufgestanden und war wieder ich selbst. Als wenn ich Nele heraus geweint hätte oder so. Das ist extrem gruselig, aber ich denke, das war mein Script für dieses Kapitel!
LG Kaeferchen
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Die Geschichte von Nele (Julien Bam/Apecrime FF FanFiction) (Parallelgeschichte)
FanficDas hier ist die Geschichte eines Mädchens. Eines Mädchens, das irgendwie am Abgrund steht und entscheiden muss, ob die, die ihr helfen, es für sich tun, für sie oder ob sie nur vor haben, ihr Leben noch mehr in die Länge zu ziehen. Genauer gesagt g...