NELES POV:
Ich hatte mir ein Studentenheim nur wenige Kilometer vom Bahnhof entfernt heraus gepickt. Mit dem Longboard fuhr ich bis vor die drei Stufen vor dem Eingang. Ich atmete einmal tief durch. Hier würde alles gut werden. Ich zwang mich zu lächeln, nahm mein Board hoch und trat ein. Ich war nicht die einzige. Heute war einer der Anreisetage. Es war wirklich ziemlich voll, alle drängten sich durcheinander. Ich kämpfte mich bis zur Mitte des Haufens durch, wo eine Frau mit einem Klemmbrett stand und stellte mich vor sie.
"Name?", fragte sie.
"Nele Juhl", sagte ich.
"Studentenausweis?" Ich kramte in meiner Tasche und holte den gefälschten Studentenausweis irgendeiner Universität hier in Düsseldorf hervor. Die Frau nahm ihn mir aus der Hadn, fuhr mit dem Finger auf der Liste in ihren Händen entlang und strich meinen Namen durch.
"Zimmer 23", sagte sie.
"Danke", erwiderte ich und bemühte mich, so schnell wie möglich aus dieser Menschenmasse heraus zu kommen. Als ich endlich einigermaßen Bewegungsfreiheit hatte, sah ich mich erst einmal kurz um. Es gab anscheinend nur ein Obergeschoss, in dem alle Zimmer über 20 untergebracht waren. Vorsichtig und möglichst ohne jemanden anzurempeln stieg ich die Treppe hinauf und suchte mein zugewiesenes Zimmer. Als ich es gefunden hatte, wurde ich praktisch von einer Gruppe Mädchen hinter mir hinein geschubst. Ich schloss schnell die Tür hinter mir und sah mich erneut um. Ein Einzelzimmer mit einem Schrank, einem Tisch und meinem Fenster. Etwas besseres hätte mir eigentlich kaum passieren können. Ich ging zu dem Bett und legte meine Tascche darauf ab, mein Lonboard legte ich verkehrt herum vor das Fenster. Dann stemmte ich die Hände in die Hüften. Was sollte ich als erstes machen? Ich entschied mich dafür, meine Tasche auszupacken, das Ladekabel an eine Steckdose anzuschließen und mir Bettwäsche zu holen. Allein das war schon ein Abenteuer. Was waren die Leute hier denn alle so aufgeregt und hektisch? Als ich schließlich auch diese Odysse zwischen Menschen, Taschen, Rucksäcken und jeder Menge hektischer Blicke abgeschlossen hatte und die Bettwäsche auch aufgezogen hatte, ließ ich mich auf das Bett fallen und schloss die Augen. Im Halbschlaf entwichen meine Gedanken zu Andre, seinem Gesicht, diesem Moment, in dem ich einen Stromschlag bekommen hatte, als unsere Hände sich berührt hatten. Der Augenblick in Bonn, wo ich in seinen Armen gelegen hatte. Wie ich ihm vertraut hatte. Wie ich es noch immer tat. Ohne, das ich es merkte, bildeten sich Tränen in meinen geschlossenen Augen und liefen mir über die Wangenknochen. Ich wischte sie weg und schluchzte kurz. So konnte das nicht weiter gehen. Ich stand auf und trat vor den Spiegel, sah mir selbst in die Augen, die schwarzen Schlieren in den äußeren Augenwinkel. Es war vorbei. Diese Zeit war vorbei. Es brachte nichts, dem nachzutrauern. Ich musste mich nun damit abfinden. Was auch passierte, ich würde nicht zurück kehren. Niemals. Ich sah mir selbst in die Augen und schwor, nicht mehr an diese Leben zu denken. Nicht mehr an ihn zu denken. Seinen Namen nicht mehr zu denken. Es war nur noch er. Das einzige, was bleiben sollte was das, was er mir beigebracht und gezeigt hatte. Das brauchte ich. Das und nicht mehr. Einatmen, Ausatmen. Mit jedem Atemzug presste ich die Erinnerung an sein Gesicht aus mir heraus, bis nicht mehr davon übrig war. Immer und immer weiter, damit ich ihn nicht verlor, aber vergaß. Dann wendete ich mich vom Spiegel ab, packte mein Longboard, mein Handy und meinen Ausweis und machte mich auf in die City von Düsseldorf.
Es war größer und voller als ich gedacht hatte. So viele Menschen auf einem Fleck, wie man es nur von der Domplatte kannte. Nein! Stopp! Nicht. Weiter. Denken. Panisch sah ich mich nach etwas zum Ablenken um. Etwas komm schon... irgendetwas... in meinen Gedanken spielte sich ein Film ab. Ich sah Marie und mich durch die Fußgängerzone laufen, Hand in Hand, bis meine Augen an einem Souvenirshop hängen blieben. Ich klammerte mich daran fest, mit den Augen, Gedanken, mit meinem kompletten Bewusstsein. Mit zügigen Schritten ging ich darauf zu, hinein und ließ mich von dem Duft des Ladens berauschen. Den selben Duft, den ich aus meinem Elterhaus in Köln kannte. Der Kleiderschrank meines Vaters hatte immer so gerochen. In der ersten Zeit, nachdem er weg war, hatte ich mich manchmal hinein gesetzt und sogar darin geschlafen, um bei ihm zu sein. Vor meinen AUgen erschien eine kindliche Version von mir. Ich stand mit einem Teddy in der linken Hand vor dem Kleiderschrank im Schlafzimmer meiner Eltern, vorsichtig öffnete ich die Tür, tapste hinein und verschloss sie wieder. Mich hatte niemals jemand irgenwann dort gefunden, bis dieser dämliche Stiefvater den Schrank besetzte und ich keinen Platz mehr darin hatte. Meine Augen füllten sich wieder mit Tränen und ich wischte sie schnell weg, rannte aus dem Laden und rannte prompt gegen jemanden. Vorsichtig sah ich hoch. Ein junger Mann, blond, blauäugig und hager stand vor mir. Er grinste.
"Hey", sagte er.
"Entschuldigung", murmelte ich und versuchte, aus der Situation zu entkommen.
"Warte doch mal. Alles okay?", hielt er mich zurück. Ich blieb kurz stehen und schaute ihm in die Augen.
"Ja, alles bestens", schnauzte ich sarkastisch, machte mich mit einem Ruck von seiner Hand, die meinen Oberarm umklammerte los und rannte weg. Sobald ich wieder auf ebener Fläche war, sprang ich auf mein Longboard. Das gleichmäßigt klappern war zu hören. Es beruhigte mich. Ich wusste ganz genau, wann die Geräusche kamen und zählte. Dreiundfünfzig Klappergeräusche später wurde der Boden zu Kopfsteinplaster und mir blieb keine andere Möglichkeit als abzuspringen. Ich lief nach vorne aus und sammelte mein Board auf. Mit einem Ärmel wischte ich mir den Schweiß von der Stirn, der sich trotz des kühlen Wetters gebildet hatte. Ich sah mich schon wieder um. Wo war ich? Es sah nach einer kleinen Seitengasse aus. Nicht´viele Schritte von mir entfernt war ein kleines Café. Vorsichtig näherte ich mich dem Geruch nach Kaffee und Croissant. Wie gerne würde ich diese Sachen einmal essen! Dem Duft nach zu urteilen, musste es ein etwas vornehmeres Café sein. Sehnsüchtig blieb ich vor der Glasscheibe stehen und betrachtete die Teilchen. Schweineohren, Eclairs und diverse Sorten Kucken. Kirsche, Stachelbeere, Aprikose und Apfel. In mir kamen die Gedanken hoch, woher diese ganzen Früchte wohl importiert waren. Saisional war diese Auswahl ja nun wirklich nicht. Ich wollte gerade weiter gehen, als mein Blick auf ein Schild im Fenster fiel.
Aushilfe (M/W) gesucht. Bei Interesse bitte im Geschäft melden.
Eigentlich war das eine gute Zwischenlösung, um an Geld zu kommen. Ich streifte meine Kleider glatt und betrat den Laden.
"Hallo", sagte ich freundlich. Außer mir war nur noch ein Gast hier. Eine ältere Dame, die sich gerade ein Stück Aprikosenkuchen gönnte. Ich nickte ihr freundlich zu. Sie nickte zurück. EIne Verkäuferin trat an den Tresen.
"Wie kann ich ihnen helfen?", fragte sie ebenfalls freundlich.
"Ich habe", begann ich und zeigte auf den Zettel. "Den dort gesehen und würde mich gerne bewerben", fuhr ich fort. Die Verkäuferin nickte und verschwand durch eine Tür in das hintere Abteil des Cafés. Als sie wiederkam, war eine Frau mittleren Alters an ihrer Seite.
"Guten Tag. Mein Name ist Frau Mohrens, ich bin hier die Geschäftsleitung", sagte sie und streckte mir die Hand hin.
"Nele Juhl", erwiderte ich und gab ihr die Hand.
Jajaja, es sieht gut aus, Leserchens,
ich denke, das nächste Kapitel könnte das letzte werden. Bleibt noch ein bisschen wach! Es wird spannend!
LG Kaeferchen
DU LIEST GERADE
Die Geschichte von Nele (Julien Bam/Apecrime FF FanFiction) (Parallelgeschichte)
FanfictionDas hier ist die Geschichte eines Mädchens. Eines Mädchens, das irgendwie am Abgrund steht und entscheiden muss, ob die, die ihr helfen, es für sich tun, für sie oder ob sie nur vor haben, ihr Leben noch mehr in die Länge zu ziehen. Genauer gesagt g...