PROLOG

672 80 140
                                    

Happiness can be found in the darkest of times, if one only remembers to turn on the light."

~ Albus Dumbledore

(Harry Potter and the Prisoner of Azkaban)


Cassiopeia

Genervt kickte ich nach der leeren Coladose, die vor mir auf dem Bürgersteig lag. Sie landete mit einem Scheppern auf der Straße und rollte dort noch einen Augenblick von der leichten Sommerbrise getrieben entlang, bis sie von dem dicken Pick-Up plattgewalzt wurde, der rücksichtslos die Straße entlangraste – ein wahrhaftes Sinnbild für diese verfluchte Stadt, in der ich schon mein Leben lang gewohnt hatte.

Früher war Detroit einmal eine blühende Stadt gewesen. Die Autoindustrie hatte geboomt, den Leuten hier ist es gut gegangen und sie haben Arbeit gehabt. Doch als dann plötzlich die Nachfrage an den hier produzierten Automodellen zurückgegangen war, wurde Detroit wie die Coladose auf die Straße gekickt und von der Konkurrenz überfahren. Seitdem lag die Stadt zerdrückt am Boden und schaffte es nicht, sich wieder aufzurichten.

Wer es sich leisten konnte, ist davon gezogen. Wer es sich nicht leisten konnte, blieb zurück. Wir blieben zurück. Zurück in all dem Elend und Chaos, in einer Stadt, wo sich die Polizei in manche Teile nur in Mannschaften mit schwerer Bewaffnung vortraute und man Angst haben musste, am helllichten Tag auf offener Straße erschossen zu werden.

Ich konnte nicht verstehen, wie alle Leute um mich herum diese Umstände stillschweigend akzeptierten, für mich stand fest, dass ich sobald ich meinen Schulabschluss hatte, ganz weit weg von hier ziehen würde, um dort Astronomie zu studieren und mir ein neues Leben aufzubauen.

So war ich heute extra mit dem Bus in die Innenstadt gefahren und hatte mich dort in einen Park gesetzt, um dort zu lernen, auch wenn noch Sommerferien waren und die Schule erst in zwei Wochen beginnen würde, aber ein Stipendium erarbeitete sich schließlich nicht von selbst. Ich lernte selten zu Hause, da ich dort permanent das Geschreie meiner Mutter und meines Stiefvaters im Ohr hatte, sondern suchte mir lieber Plätze außerhalb wie die Schulbibliothek oder die Parks und Cafés in der Innenstadt. Gerade an solchen sonnigen Tagen wie heute, genoss ich das warme Sonnenlicht beim Lernen auf meiner Haut.

Manchmal schloss ich dabei die Augen und wünschte mich an Orte ganz weit weg von hier. Doch wenn ich die Augen wieder öffnete, befand ich mich jedes Mal am gleichen Platz, in der gleichen beschissenen Stadt.

Bei diesem Gedanken verließ ein kaum hörbares Seufzen meinen Mund und ich strich die dunkelbraune Strähne, die durch einen leichten Windstoß in mein Gesicht geweht war, zurück hinter mein Ohr. Dann fischte mein Handy aus der hinteren Hosentasche meiner Jeansshorts, um das Lied zu wechseln, denn die fröhliche Melodie, die gerade über meine Kopfhörer lief, passte einfach nicht zu meiner Stimmung. Als nächstes folgte ein rauer Hiphop-Track und steckte mein Handy zufrieden wieder weg.

Mit zügigen Schritten bog ich um die nächste Ecke und stieß dabei fast mit einem großen, athletisch gebauten Mann um die zwanzig Jahre zusammen, der aus dem kleinen Zigarettengeschäft kam. Ich blieb so abrupt stehen, dass es mir noch haarscharf gelang, eine Kollision zu vermeiden, während mein Gegenüber mich noch nicht mal zu bemerken schien und einfach weiterging. Vor Schreck verharrte ich einen Augenblick und blickte dem jungen Mann mit den pechschwarzen, im Sonnenlicht glänzenden Haaren und der gebräunten Haut nach. Entweder war er wirklich so damit beschäftigt, seine Zigarette anzuzünden, dass er mich nicht wahrgenommen hatte oder es war ihm einfach scheißegal, dass er mich fast über den Haufen gerannt hatte.

Dark Nights in DetroitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt