𝓱𝓾𝓻𝓻𝓲𝓬𝓪𝓷𝓮

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Die Diamanten in meiner Hand funkelten und glitzerten wie verrückt im Licht der untergehenden Sonne.

Das letzte Mal hatte ich so wertvolle Steinchen vor einigen Jahren in Rom gesehen, kurz nachdem Andrés einen Juwelier überfallen hatte.

Er hatte mir einen geschenkt, den ich bis heute in meiner Kette trug: Einen hellblauen Aquamarin, der die Farbe von klarem Wasser hatte.

Reflexartig drehte ich wie so oft am Anhänger der Kette.

Ich legte die Edelsteine wieder zurück in den Beutel und ließ ihn danach wieder in meiner Jackentasche verschwinden, bevor irgendjemand hier auftauchen und wie Nairobi (die glücklicherweise noch nichts erzählt hatte) zu viele Fragen stellen konnte.

Heute war einer der anstrengensten Tage der Vorbereitungszeit gewesen: Wir hatten ein Schwein seziert, um einen Mikrochip aus dem Gewebe zu entfernen. Der Geruch, von dem mir sofort übel geworden war, lag mir noch jetzt in der Nase. Am liebsten hätte ich mich Marseille angeschlossen und einfach den Raum verlassen, doch ich hatte eingesehen, dass es besser war, wenn auch ich wusste, wie man Mikros entfernte.

Ich schloss für einen Moment die Augen, um den Geruch und die Fliegen aus meinen Gedanken zu vertreiben.

Ich genoss die Ruhe, ohne Bogotás Witze, Nairobis lauter Stimme oder Denvers dämlicher Lache, bevor ich jedoch etwas merkte.

Irgendjemand weinte.

Ich drehte mich um.
Der Klostergarten war vollkommen leer, bis auf die paar Ziegen, die am anderen Ende im Stall standen.

Ich ging zu dem kleinen Durchgang, der in den Innenhof führte, denn hier gab es eine Bank, die vermutlich aber die wenigsten hier bereits entdeckt hatten.

"Palermo?", flüsterte ich ungläubig. "Ist alles in Ordnung?"

Er saß zusammengekauert auf dem Boden, neben ihm eine Flasche Tequila, den Kopf an die hinter ihm liegende Wand gelehnt, sodass ich im letzten Tageslicht die Tränen entdeckte.

Unser Anführer machte sich nicht einmal die Mühe, seine Probleme vor mir zu verbergen. Eigentlich hatte ich ihn immer für stark und selbstbewusst gehalten, doch gerade bemerkte ich, dass er zerbrechlich war.

"Geh weg, Aires!", zischte er wütend, aber ich machte keinerlei Anstalten, wieder zurück ins Kloster zu gehen, sondern setzte mich neben ihn.

"Was ist los, hm?", fragte ich ihn nochmal.

Es schien, als würde er einen Moment zu zögern, doch schließlich antwortete er.

"Ihr habt alle keine Ahnung, stimmts? Tokio, Nairobi, Denver ... sie halten diesen Plan für selbstverständlich, dabei wissen sie gar nichts darüber! Sie werden früher oder später alles kaputt machen, Aires! Aber für mich ist es mehr, als nur ein Raub. Es ist mein Leben", erklärte er mir. "Andrés war mein Leben..."

Als ich nichts dazu sagte, fuhr er ruhiger fort.

"Ich habe niemanden mehr. Sergio ist eigentlich ein verdammter kleiner Dreckskerl, und der Rest ist genauso, bloß in schlimmer. Ich bin damals gestorben, in der Banknotendruckerei - ach, was erzähle ich dir das überhaupt, ich bin komplett betrunken."

Er stand auf.

"Nicht nur du hast Andrés da drinnen verloren", entgegnete ich leise.

"Was?"

"Er hat nie über mich gesprochen, so wie er nie über dich gesprochen hat", stellte ich fest, als ich Palermos verwundertes Gesicht blickte. "Meine Schwester war seine erste Frau, er war für mich wie ein Vater. Ich bin Alba. Alba de la Rosa."

Ich hielt ihm meine Hand hin, die er zögernd schüttelte.

"Martín Berrote."

Ich lächelte.

"Ich biete dir etwas an, Martín. Ich dafür sorgen, dass die anderen deinen - äh euren - Plan nicht zerstören werden. Ich weiß, dass ich dich nicht so lange kenne, aber du hast es definitiv von uns allen hier am meisten verdient, glücklich zu sein, und wenn es dir hilft, dass das ganze hier gut endet, dann werde ich dafür sorgen, dass es so sein wird, ja? Also sind wir ein Team?"

Martín zwang sich, kurz zu lächeln, dann nickte er.

Bevor wir zusammen ins Kloster liefen, kickte ich schnell die Tequilaflasche um, sodass der Alkohol über das Kopfsteinpflaster in den Garten lief und dort in der Erde versank.

"Komm", flüsterte ich und nahm ihn an die Hand. Er protestierte nicht, sondern lief ganz ruhig mit mir mit.

Ich wusste, wie er sich fühlte, nämlich zerbrochen und leer, und ich wusste auch, dass man immer jemanden brauchte, der einen aufbaute.

Und dieser jemand war ich.

anmerkung: ja, ich bin ein großer Fan von Hamilton und ich finde, dass das Lied ganz gut passt🤷🏻‍♀️😅💘

𝘽𝙪𝙚𝙣𝙤𝙨 𝘼𝙞𝙧𝙚𝙨Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt