Kapitel 2

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„Sonea, du sollst dich schonen", versuchte Rothen halbherzig sie von ihrem Plan abzubringen, in das Hospital zu gehen, wie sie es fast jeden Tag seit ihrem Abschluss tat. Sie warf ihm einen warnenden Blick zu, der ihm ein wenig Angst machte, obwohl er wusste, dass Sonea ihm nie etwas tun würde.

Von dem um Akkarin trauernden Mädchen war nicht viel übrig geblieben, stattdessen sah er vor sich eine entschlossene junge Frau, die ihr erstes Kind erwartete und sehr genau wusste, was sie wollte. Rothen war sich nicht sicher, ob ihm das gefiel. Mit ihrer Trauer konnte er umgehen, doch vor einigen Monaten hatte sich das plötzlich geändert. Von einem Tag auf den anderen hatte sie ihre Gefühle hinten angestellt und sich aus ihrem Schneckenhaus gewagt. Seitdem umgab sie die gleiche gruselige Aura, die Akkarin immer umgeben hatte. Hatte er früher immer ein feines Gespür für ihre Gefühlslage und ihre Stimmungen gehabt, so wurde er jetzt nicht mehr schlau aus ihr.

‚Der Kampf gegen die Ichani und Akkarins Tot haben sie hart gemacht', dachte Rothen. So wie die Sklaverei Akkarin hart gemacht haben musste. Rothen konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie flegelhaft und großspurig der junge Akkarin gewesen war, ehe er von seiner Reise zurück gekehrt war. Doch das war nicht mehr von Belang, denn er war bei der Invasion auf den Stufen der Universität gefallen um Sonea zu retten. Um sie alle zu retten.

Er seufzte leise. „Na gut, ich begleite dich. Schon alleine, damit du dich nicht zu sehr verausgabst"

Ein kaum merkliches Lächeln huschte über ihr Gesicht, dann wurde es wieder ausdruckslos.

„Dann sollten wir uns jetzt endlich in Bewegung setzen. Schlimm genug, dass die Gilde immer noch auf eine Begleitung beharrt", sagte sie und stürmte dann förmlich davon. Rothen beeilte sich, hinter ihr her zu kommen, was dazu führte, dass er beinahe in sie rein rannte, als sie plötzlich stehen blieb und zu einer entgegenkommenden schlanken Person aufsah.

„Das ist unmöglich", flüsterte sie, die Arme um ihren Leib geschlungen. Als Rothen ihrem Blick folgte, verstand er, was plötzlich in sie gefahren war. Im verschneiten Hof der Gilde stand eine einsame, dunkle, hochgewachsene Gestalt: der ehemalige Hohe Lord, noch bleicher und dünner als er ihn in Erinnerung hatte, aber definitiv lebendig. Der Alchemist schüttelte den Kopf. Das konnte nicht sein, er selbst hatte Sonea von seiner Leiche weggebracht, sein Sohn hatte währenddessen einen sinnlosen Heilungsversuch gestartet, ehe er ihm zur Hilfe geeilt war, um Sonea von dem Leichnam weg zu bringen. Und doch, die mysteriösen Umstände des Verschwindens seiner Überreste gaben Lord Rothen Grund zur Annahme, dass eine minimale Wahrscheinlichkeit bestand, dass das wirklich Lord Akkarin war. Nur warum war er verschwunden und tauchte erst jetzt wieder auf? Vier Monate waren seit der Schlacht vergangen, genug Zeit um zumindest Sonea ein Lebenszeichen zu senden. Oder hatte sie davon gewusst und deswegen aufgehört zu trauern? Ein kurzer Blick in ihr bleiches Gesicht überzeugte ihn schnell, dass dem nicht so war.

„Sonea, Lord Rothen", hallte die sonore Stimme des ehemaligen Hohen Lords über den Hof und für einen kurzen Moment meinte Lord Rothen in Akkarins Blick so etwas wie Schmerz und Liebe zu sehen, doch es war so schnell verschwunden, dass er sich nicht sicher war, ob er es sich vielleicht nur eingebildet hatte.

„Akkarin", hauchte Sonea neben ihm, dann löste sie sich aus ihrer Starre und stürmte auf den Schwarzmagier zu. Kurz vor ihm blieb sie jedoch stehen, irritiert sah sie Akkarin an, der scheinbar verärgert die Stirn runzelte. Schnell trat Rothen neben seine ehemalige Novizin und legte eine Hand auf ihre Schulter.

„Lord Akkarin", grüßte er den Schwarzmagier und versuchte dabei, sich sein Unbehagen nicht all zu sehr anmerken zu lassen. „Ihr seht uns Überrascht, wir dachten, ihr wäret gestorben"

Die Schwarzmagierin [BMG Fanfic]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt