Kapitel 5

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Der Schneefall der letzten Wochen hatte sich gelegt und warmen, frühlingshaftem Tauwetter Platz gemacht, das die Novizen und Magier nach draußen lockte. Fröhlich schnatterten sie über ihre Lieblingsthemen der letzten Tage: Die Ergebnisse der Gildenversammlung und die Enthüllungen darin. Sonea hätte gern gewusst, was man über sie und Akkarin redete, doch wo auch immer sie in ihren schwarzen Roben auftauchten, stoppte das Gerede oder man Unterhielt sich über Belanglosigkeiten. Die Furcht und der Respekt, den die Magier ihr und Akkarin entgegen brachten, war bisweilen amüsant, doch an diesem Tag nervte es Sonea, denn die ehrfürchtigen Begrüßungen unterbrachen ihr Gespräch immer wieder, das eigentlich ihre gesamte Konzentration erforderte.

„Vielleicht sollten wir den Sachakanisch-Unterricht doch wieder in unsere Bibliothek verlegen", sagte sie entnervt, als sie zum wiederholten male unterbrochen worden waren und schenkte dem nächstbesten Magier der sich zu ihnen wandte einen so düsteren Blick, dass er es vorzog zu gehen, statt sie zu begrüßen. Akkarin hob eine Augenbraue.

„Wenn du sie alle so anschaust lässt sich das Problem auch lösen. Oder wir wandern zur Quelle, wenn du das schaffst", bemerkte er. Sonea unterdrückte ein wütendes schnauben und beschloss die subtile Provokation zu überhören.

„Die Quelle ist eine gute Idee", stimmte sie ihm zu und legte eine Hand in ihren schmerzenden Rücken. Sie hatte in der Nacht schlecht geschlafen, weil ihr Bauch mal wieder im Weg gewesen war und die Position in der sie endlich ruhe gefunden hatte, hatte ihr eine schmerzhafte Verspannung am nächsten Morgen eingebracht, die sich auch mit Magie nicht vollständig vertreiben lies. Das hielt sie allerdings nicht davon ab ihren täglichen Marsch über das Gelände der Gilde mit Akkarin zu absolvieren, während er ihr die Grundzüge und wichtigsten Wörter der Sachakanischen Sprache beibrachte. Manchmal sprachen sie in dieser Zeit auch über die Kultur dieses Landes, das ihr immer barbarischer erschien, je mehr sie darüber erfuhr.

An diesem Tag hatte Akkarin sich in den Kopf gesetzt, dass sie einige wichtige Wendungen der Sprache auswendig lernen sollte. Seit sie vor einer halben Stunde von der Residenz aufgebrochen waren hatte sie alle möglichen Arten jemanden zu begrüßen gelernt, die sie jetzt wiederholten. Sonea hatte das Gefühl, die Hälfte schon wieder vergessen zu haben und sie fragte sich insgeheim, wie sie sich am Nachmittag auf Lady Vinara konzentrieren sollte, die sich angekündigt hatte, um sie zu untersuchen und ihr wichtige Dinge im Bezug auf ihre weitere Schwangerschaft beizubringen. Wenigstens hatte sie einen soliden Grundstock an Wissen, die Behandlung und Untersuchung von Schwangeren war Teil ihrer Ausbildung zur Heilerin gewesen und Sonea hatte diese Dinge mit Begeisterung gelernt. Trotzdem war sie sich sicher, nicht alles Wichtige darüber zu wissen, sollte sie bei der Geburt auf sich allein gestellt sein oder auf der Reise etwas unvorhergesehenes geschehen.

„Du bist heute unkonzentriert", stellte Akkarin fest, nachdem sie die gleiche Floskel zum dritten mal nicht wusste. Sonea hütete sich davor zu ihm aufzublicken. Sie wusste, seine dunklen Augen würden sie durchbohren wenn sie das tat und dafür sorgen, dass sie sich mehr denn je wie seine Novizin fühlte. Dabei hatte sie ihren Abschluss lange genug, um sich gegenüber ihren ehemaligen Lehrern nicht mehr so zu fühlen, doch Akkarins natürliche Autorität vermischt mit seinen Lektionen sorgten dafür, dass sie dieses Machtgefälle das einst zwischen ihnen bestanden hatte wieder allzu deutlich spürte. Und auf eine gewisse Art gefiel es Sonea. Es erzeugte die Illusion, dass sich nichts zwischen ihnen geändert hatte und ein dunkler Teil von ihr, über den sie nicht weiter nachdenken wollte, genoss dieses Machtgefälle sogar.

„Tut mir leid, ich hab schlecht geschlafen", sagte sie und ärgerte sich im gleichen Moment darüber, wie eingeschüchtert sie klang.

„Sieh mich an", forderte Akkarin sie mit seiner dunklen, befehlsgewohnten Stimme auf und blieb stehen. Sie gehorchte ihm mit einem Anflug von Furcht, der von dem sanften Ausdruck in seinen Augen sofort beiseite geschoben wurde. Das waren die Momente, in denen Sonea sich nur allzu bewusst war, wie viel sich geändert hatte. Früher hätte er sie nie so angesehen, hätte ihr diesen Einblick in sein Gefühlsleben nicht gewährt. Und sie hätte diesen Einblick auch gar nicht haben wollen, weil sie dann gezwungen gewesen wäre anzuzweifeln, ob er wirklich das Monster war, für das sie ihn gehalten hatte und das Rothen noch immer in ihm sah. Doch nun wusste sie es besser.

Die Schwarzmagierin [BMG Fanfic]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt