11. Anruf

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"Hallo?"

"Und?"

"Was 'und'?"

"Du weißt, was ich meine. Wie lief das Gespräch?"

"Welches Gespräch meinst du?"

"Das Gespräch zwischen dir und deinem Vater."

"Das ist ziemlich ungenau. Ich führe mindestens ein Mal die Woche ein Gespräch mit meinem Papa."

"Du weißt, welches ich meine."

"Tut mir leid, du musst dich etwas genauer ausdrücken."

"WAS HAT ER GESAGT?"

"Mein Vater?"

"JA!"

"Er hat mir zu meinem Geburtstag gratuliert."

"Und dann?"

"Dann hat er sich mit mir über das Tagesmenü unterhalten."

"Jetzt sag doch endlich, was er von der Poetry Slam Idee hält!"

"Oh. Das habe ich ganz vergessen zu fragen."

"NICHT DEIN ERNST!"

"Korrekt. Ich habe nur einen Scherz gemacht."

"Du bist so blöd!"

"Und du kannst Fragen nicht richtig formulieren."

"Du brauchst dich gar nicht zu rächen wegen gestern."

"Tue ich doch gar nicht. Ich weise dich bloß darauf hin, dass deine Fragen sehr ungenau gestellt waren."

"Okay, okay. Ich hab's verstanden. Ich verhalte mich manchmal wie ein Arschloch."

"Wenn du mit 'manchmal' immer meinst, ja."

"Wenn ich könnte, würde ich dich jetzt boxen."

"Nur zu. Nur werde ich zurückboxen und dann kriegst du ein blaues Auge."

"Wirklich?"

"Ich war mehrere Jahre beim Boxen."

"Das wusste ich gar nicht. Irgendwie passt das nicht zu dir."

"Du meinst wohl es passt nicht zu deiner Vorstellung von mir."

"Anscheinend kenne ich dich wirklich nicht gut."

"Das kann sich ja ändern."

"Ja, wenn du mich irgendwann endlich nach einem Treffen fragst..."

"Das ist nicht dein Ernst!"

"Nö, ist es auch nicht. Kannst du jetzt bitte von gestern erzählen?"

"Also, wo fange ich nur an... Ich hatte ein riesiges Steak mit Rosmarinkartoffeln und eine große Cola. Ich glaube so ein leckeres Steak habe ich noch nie-"

"Komm zum Punkt!"

"Er findet die Idee gut, aber-"

"JA! Das hättest du wirklich schon früher sagen können! Warte- war das ein 'aber'?"

"Ja. Er will die Idee etwas abwandeln. Das Theater schließt, so oder so. Es hat sich auch letzte Woche ein Käufer gefunden. In drei Wochen gehört das Theater ihm."

"Das ist ja total schade. Oder ist das gut? Eigentlich ist es doch gut, oder?"

"Ja, natürlich. Deshalb will mein Vater an dem letzten Wochenende den Poetry Slam veranstalten. Um sich sozusagen von dem Theater zu verabschieden. Und alle Einnahmen von der Veranstaltung werden gespendet."

"Wow, das ist ja cool! Und an wen gehen die Spenden? Zufälligerweise an junge Abiturienten, die bei der Wahl ihrer Zukunft unterstützt werden müssen?"

"Nein."

"Hey, lach nicht! Ich meine das ernst."

"Er möchte das Geld zum einen dem Theater im Norden spenden, damit es hoffentlich länger überlebt als unseres, und zum anderen an Menschen mit Behinderung, die zum Beispiel einen Unfall hatten und jetzt nicht mehr ihren ursprünglichen Job ausüben können. Dafür gibt es mehrere Organisationen."

"Ich bin wirklich beeindruckt. Wenn ihr wollt, frage ich beim Radio nach."

"Das wäre wirklich toll! Nachfragen kostet ja nichts."

"Habt ihr schon die Organisation besprochen?"

"Was genau meinst du?"

"Wird es eine Jury geben? Oder bewertet das Publikum? Und wie kommt ihr an Poetry Slammer?"

"Es gibt eine Jury. Darin wird unter anderem meine Mutter sitzen. Sie ist Kinderbuchautorin und war von der Idee sofort begeistert. Außerdem will mein Vater ein paar Freunde fragen, die beim Theater Schauspieler waren."

"Das klingt richtig gut!"

"Und für die Leute, die auftreten werden, haben wir auch schon eine Idee. Mein Vater hat heute morgen mit dem Theater im Norden telefoniert und es hat zugestimmt, Werbung für unser Event zu machen. An den Fensterscheiben unseres Theaters werden wir natürlich auch werben. Und meine Eltern kaufen uns wahrscheinlich einen kleinen Radiospot in ihrem Lieblingssender. Ach ja, und wenn du und dein Chef nichts dagegen haben, kannst du natürlich auch in der Bar etwas werben."

"Ich frage heute Abend mal nach. Und wie funktioniert das mit der Anmeldung? Darf sich jeder einfach so anmelden?"

"Ja, per E-Mail oder Post. Aber man muss einen Text mitschicken, den man an dem Abend vortragen möchte. Auf dieser Grundlage werden dann ungefähr 20 Teilnehmer ausgesucht. Und bevor du fragst: es wird keine zweite Runde geben. Der Wettbewerb soll schließlich nicht im Vordergrund stehen."

"Das finde ich gut. Ihr habt euch da was richtig Cooles überlegt!"

"Ich hoffe doch. Ich habe echt Angst, dass das alles in die Hose geht, so kurzfristig wie wir das geplant haben."

"Aber der Plan ist gut ausgearbeitet. Und die Stadt ist ja groß. Das wird bestimmt ein richtig toller Abend!"

"Ich wünschte ich hätte so viel Optimismus wie du. Naja, wir werden es in drei Wochen sehen."

"Du meinst wohl, wir werden uns in drei Wochen sehen."

"Vielleicht auch schon vorher. Wer weiß."

"Solange du nicht richtig fragst, wird das wohl nichts."

"Solange du nicht richtig antwortest, auch nicht."

"Du bist auch nicht gerade besser!"

"Weiß ich doch. Gute Nacht."

"Schlaf gut, Blödmann."

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