14. Anruf

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"Guten Abend. Sie sprechen mit dem Heimwegtelefon. Ist alles in Ordnung bei-?"

"Habe ich dir nicht verboten, mich so zu begrüßen?"

"Mache ich es dadurch nicht erst recht?"

"Verdammt!"

"Ich finde es auch schön, dich zu sprechen, Mai. Warum rufst du an?"

"Habe ich jemals aus einem Grund angerufen?"

"Sag du es mir."

"Ich denke es war jedes Mal aus purer Langeweile."

"Dann denkst du nicht richtig."

"Okay, ich denke du bist ein echt cooler Typ und ich denke ich genieße es sehr mit dir zu telefonieren. Aber wie du schon sagst, denke ich ja gar nicht richtig."

"Du bist ein Trottel."

"Du erst. Wie du beim letzten Mal einfach gedacht hattest, ich würde vor deiner Haustür stehen."

"Könnte doch sein! Kommst du eigentlich auch zum Poetry Slam?"

"Ich schau vielleicht mal vorbei, wenn es zeitlich passt."

"Ich dachte du wärst total begeistert davon."

"Das gerade habe ich doch nicht ernst gemeint. Natürlich bin ich begeistert, ich freue mich schon seit Tagen!"

"Hast du jemals etwas so gemeint wie du es gesagt hast?"

"Öfter als es dir bisher aufgefallen ist. Haben denn schon viele Leute ihre Texte eingeschickt?"

"Total viele! Meine Mutter, zwei Schauspieler und Sina, die am Ende auch in der Jury sitzen, lesen sich die Texte durch und merken sich ihre Favoriten. Einsendeschluss ist ja sowieso schon am Sonntag."

"Sina vom Radio?"

"Genau. Die, die in der Morgensendung immer kleine politische Gedichte und Songs vorträgt."

"Das ist ja cool, dass sie mitmacht! Ich habe sie leider beim Praktikum nicht viel gesehen, aber sie passt bestimmt gut in die Jury."

"Naja, es wird ja sowieso keinen Gewinner geben, also ist das nicht so wichtig. Sag mal, was für Musik hörst du da im Hintergrund? Die klingt total schön."

"Alter Bridge. Freut mich, dass sie dir gefällt."

"Ah, ich glaube von denen kenne ich sogar ein paar Songs. Hörst du gerne Musik in Richtung Rock und Metal?"

"Ja, schon. Obwohl ich auch viel Pop und Rap höre. Eigentlich bin ich, was Musik angeht, ziemlich offen. Und du?"

"Ich höre total gerne Indie-Musik. Die kann ich auch gut beim Lernen hören."

"Uh, cool! Willst du mir irgendwas empfehlen?"

"Ich höre eigentlich immer nur meine selbst erstellten Playlists. Aber ein Lied geht mir in letzter Zeit nicht mehr aus dem Kopf. First day of my life heißt das."

"Das hier?"

"Ja, genau. Du kannst ruhig etwas lauter machen, haha."

"Oh, die Zeile war ja schön. Think I was blind before I met you."

"Jaa, die finde ich auch besonders schön."

"I'm glad I didn't die before I met you."

"Oh ja."

"Ich hätte ja wirklich sterben können auf dem Rückweg vom Club, hättest du nicht abgenommen."

"Naja, du wärst dann einfach zu jemand anderem durchgestellt worden."

"Aber Günther wäre vielleicht eingeschlafen, während ich überfallen worden wäre."

"Ach, ich schätze Günther macht seinen Job genauso gut wie die anderen."

"Nicht so gut wie du."

"..."

"Das Lied war wirklich schön. Ich mag die Leichtigkeit und die gleichzeitig tiefe Bedeutung der Wörter."

"Ich mag alles daran. Freut mich, dass es dir gefällt."

"Ich glaube ich muss jetzt auflegen."

"Oh, schon?"

"Irgendwie hat mich das Lied inspiriert. Ich muss schreiben, jetzt sofort."

"Dann störe ich dich lieber nicht dabei."

"Danke. Bis bald."

"..."

"Du bist ja immer noch dran?!"

"Ist das schlimm?"

"Wieso hast du nicht aufgelegt? Du warst jetzt bestimmt eine Stunde am Telefon, ohne dass wir miteinander geredet haben."

"Ich hab der Musik zugehört."

"Du bist wirklich so komisch."

"Bist du schon fertig mit Schreiben?"

"Nein, aber ich habe schon einige Zeilen."

"Liest du es mir vor, wenn es fertig ist?"

"Mach ich. Aber jetzt muss ich wirklich auflegen. Ich sehe gerade, dass meine Freundin mich schon seit einer halben Stunde versucht anzurufen. Es scheint wichtig zu sein."

"Hoffentlich nichts Schlimmes. Bis dann."

"Vielen Dank, dass Sie unsere Nummer gewählt haben! Bis zum nächsten Mal!"

"Wieso hast du das gerade gemacht?"

"Damit du merkst, wie nervig das ist."

"Und was soll ich jetzt noch sagen, wenn du mir einfach so die Worte wegnimmst?"

"Alles, außer das."

"Schlaf gut und bis bald."

"Siehst du, wie schön sowas klingen kann?"

"Ich hab's ja schon verstanden."

"Wehe-"

"Ich weiß doch."

"Und nächs-"

"Nein, nächstes Mal mache ich das nicht wieder."

"Und au-

"Auch nicht übernächstes Mal."

"Woher kennst du mich so gut?"

"Tja, ziemlich erschreckend oder?"

"Nicht so erschreckend, wie der Fakt, dass du gerade mitbekommen hast, wie ich noch drei Mal das Lied von dir gehört habe und beim letzten Mal sogar mitgesungen habe."

"Ach, ich fand's süß, vo-."

"Tschüss!"

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