Bathtub [Azumane]

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Liebe ist viel mehr als nur rein körperliche Anziehung.
Liebe ist ein Zusammenschwingen der Seelen.
- Birgit Ramlow

***

Ich schlug die Augen auf, als sich etwas Schweres über meinen Körper legte. Verschlafen blinzelte ich an mir hinab und entdeckte eine Decke. „Hey. Hab ich dich geweckt?“. Azumanes Gesicht tauchte über der Sofalehne auf und blickte besorgt auf mich hinab. Ich schüttelte verneinend den Kopf und rieb mir, nach wie vor müde, über die Augen. Sein schiefes Grinsen zeigte mir, dass er mir meine kleine Lüge definitiv nicht abkaufte. „Wie spät ist es?“, wollte ich schlaftrunken wissen und unterdrückte ein Gähnen. Er wandte sich kurz von mir ab um einen Blick über seine Schulter auf die Uhr zu erhaschen. „Kurz nach neun.“. Ich stöhnte auf. Eigentlich hatte ich heute Abend noch so viel zu erledigen gehabt. Das ich hier auf dem Sofa eingeschlafen war, war nicht geplant gewesen. Ich spürte einen leichten Luftzug und blickte im Halbdunkel zu meinem Freund auf, der sich schmunzelnd auf die Rückenlehne des Sofas gestützt hatte. „Schlaf weiter, Michiko.“, raunte er mir zu und streichelte mir sanft über die Wange – „Du hast die ganze Woche schon viel zu viel und zu lange gearbeitet. Irgendwann brauchst auch du mal eine Pause.“. Ich schmiegte mich lächelnd in seine Berührung und konterte: „Das sagt der Richtige.“. Er zog irritiert die Augenbrauen zusammen und sah mich fragend an. „Du bist derjenige von uns, der stundenlang in der Sporthalle steht und mit seinen Mannschaftskollegen trainiert, als gäbe es kein Morgen mehr. Ich fühle mich schon vernachlässigt.“, mahnte ich ihn neckend. Azumane verzog entschuldigend das Gesicht und ich musste mir auf die Lippe beißen um nicht laut loszulachen. Warum nahm er eigentlich immer alles so ernst? Ich hatte ihn nur ein bisschen aufziehen wollen, doch scheinbar war das mal wieder nicht so bei ihm angekommen. Wir kannten uns seit meinem ersten Jahr am College und seitdem hatte er sich wirklich nicht verändert. Er ließ sich nach wie vor noch gerne von den Worten und Taten anderer verunsichern. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das unsere Beziehung vereinfachte. Zeitweise war es anstrengend jedes Wort auf die Goldwaage legen zu müssen, damit er es nicht in den falschen Hals bekam. Dennoch liebte ich diesen Riesen mit den sanften, braunen Augen, dem markanten Gesicht und den langen Haaren. „Das war nicht so gemeint.“, korrigierte ich meine Aussage und küsste seine Handfläche entschuldigend.

„Ich weiß.“, antwortete er grinsend. Wir sahen uns einige Minuten lang im Halbdunkel des Raumes einfach nur an und ich genoss das wohlig, warme Gewühl, das sein kreisender Daumen auf meiner Haut hinterließ. „Ich gehe baden. Also wenn du mich suchst…“. Ich ließ verheißungsvoll meine Augenbrauen wackeln und entlockte ihm damit ein dunkles Glucksen, bevor er sich zu mir hinab beugte und mir einen kurzen Kuss auf die Lippen drückte. Enttäuscht schob ich die Unterlippe vor, als er sich viel zu schnell von mir löste. Ich war schon versucht ihn festzuhalten und zu mir zurück zu ziehen, doch da hatte er sich schon wieder aufgerichtet. „Bis gleich.“, zwinkernd wandte er sich ab und verschwand aus meinem Blickfeld. Ich hörte, wie sich seine Schritte entfernt und schließlich die Tür zum Badezimmer sich erst öffnete und dann wieder schloss. Ich atmete tief ein und streckte meine steifen Glieder ausgiebig. Obwohl ich unsere graue Sofalandschaft über alles liebte, war es nie eine gute Idee auf ihr einzuschlafen. Sie lud zwar zum Ausspannen und Kuscheln, aber garantiert nicht zum Einschlafen ein. Schwerfällig und mit schmerzendem Rücken setzte ich mich auf und rieb mir über meinen steifen Nacken. Mein Blick glitt in den dunklen Flur. Kurz überlegte ich meinem Freund ins Badezimmer zu folgen und ein wenig Gesellschaft zu leisten, doch dann besann ich mich eines Besseren. Zuerst wollte ich etwas trinken, denn mein Hals war staubtrocken und ich hatte einen enorm schlechten Geschmack im Mund.

Ich erhob mich und tapste in die offene Küche, die sich an unserem Wohnzimmer anschloss, und nahm mir ein Glas aus einem der Küchenschränke. Ich drehte den Wasserhahn auf und hielt mein Glas unter den Strahl. Mit den Gedanken bereits im Badezimmer bei Azumane, drehte ich den Wasserhahn wieder zu und führte das Glas an meine Lippen. Gierig stürzte ich das kühle Nass hinab und stieß ein leises Keuchen aus, als ich das Glas schließlich wieder absetzte und auf die Anrichte stellte. Gähnend machte ich mich daran meine Arbeitsunterlagen zusammen zu sammeln und aufeinander zu stapeln. Schließlich schaltete ich die kleine Tischlampe, die auf einem kleinen Beistelltischchen neben unserem Sofa stand, aus und brachte meine Akten und Papiere ins Schlafzimmer. Im Anschluss machte ich mich auf den Weg ins Badezimmer. Leise klopfend betrat ich den, mit anthrazitfarbenen Fließen gekachelten, Raum und entdeckte meinen Freund bereits in der Wanne sitzend. Er hatte sich entspannt zurück gelehnt und die Augen geschlossen. Durch das, nach wie vor, laufende Wasser, bemerkte er mich nicht gleich. Das gab mir die Gelegenheit den Anblick, der sich mir bot, in vollen Zügen zu genießen. Ich zog meine Unterlippe zwischen die Zähne und lehnte mich ruhig an die Tür in meinem Rücken.

Was die Liebe und das Leben so mit sich bringtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt