Jungkook
Noch etwas verschlafen in meinen Gedanken, folgte ich dem Hellhaarigen schließlich stumm und versuchte, alles in eine erklärliche Ordnung zu bringen. Als ich gestern eingeschlafen war, hatte ich die Möglichkeit nicht außer Betracht gelassen, dass ich heute Morgen - also heute Abend - aufwachen und wieder daheim in meinem Bett liegen würde. Aber wie es aussah, war das hier kein Traum, sondern die pure Realität und ich wusste nicht, ob ich deswegen jetzt glücklich sein oder Angst bekommen sollte.
Alles was ich gewollt hatte, war aus Omelas rauszukommen. Ich wollte eine unerwartete Richtung in meinem sonst so deprimierenden Leben einschlagen und dachte, dass dieser Fremde ein Zeichen darauf war, dass es doch noch mehr Menschen auf unserer Erde gab. Aber inzwischen hatte ich wirklich das Gefühl, dass ich hier in eine riesige Geschichte hineingerutscht war. Leichtsinnig hatte ich Taehyung überredet mich hierher mitzunehmen, aber ich hatte doch keine Ahnung, dass ich mich in einer anderen Welt befand.
Seufzend erinnerte ich mich an den Abend zurück, an welchem wir uns kennengelernt hatten. Tae hatte mir die ganze Zeit versucht klar zu machen, dass ich nicht hierher gehörte und ich hatte ihn ignoriert. Verdammt. Wie recht er hatte, ich gehörte nicht an diesen Ort und das konnte auch jeder auf den ersten Blick erkennen. Und noch viel schlimmer war es, dass man mich für einen Feind hielt. Hatte ich einen Pakt mit dem Teufel abgeschlossen, als ich mich auf diesen Deal einließ? Ich kannte Taehyung nicht einmal... war er der Teufel?
Würde ich jemals wieder nach Omelas zurückkommen? Augenblicklich dachte ich an meinen Vater. Ich war wütend auf ihn gewesen, das war ich grundsätzlich. Es machte mich wütend, mit ansehen zu müssen, wie er Tag für Tag lebloser wurde und all das wegen meiner Mutter. Warum bedeutete sie ihm auch so viel? Seine Liebe zu ihr hat zugelassen, dass sie sein Leben gleich mit sich nahm, als sie gegangen war. Frustriert ballte ich die Fäuste.
Ich wollte nicht so fühlen... diese Wut auf meinen Vater... ich wollte sie nicht, aber sie war da. In dieser Welt, in der Menschen starben und unerwartetes passierte, war es einfach dumm sich zu verlieben. Es ist ein riskantes Spiel mit der Freude, denn der Tod kommt nunmal meist unerwartet und nimmt seine Opfer ohne jegliche Erklärungen mit sich. Trotzdem durfte ich meinen Vater nicht im Stich lassen. Ich hatte doch nicht ahnen können, dass ich ihn vielleicht zum letzten Mal sehen würde, als wir uns an jenem Abend gestritten hatten.
Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich den Hellhaarigen, der schweigend einige Meter vorauslief. Falls Taehyung mich nicht wieder zurückbringen würde, musste ich es irgendwie alleine schaffen. Grübelnd dachte ich nach. Ich wusste nicht einmal, ab welchem Zeitpunkt ich überhaupt die Welten gewechselt hatte, aber die Kette der seltsamen Ereignisse ging mit diesem komischen Lichtstrahl los, durch welchen ich gelaufen war. Ich musste früher oder später also irgendwie dorthin zurückkommen.
„Worüber denkst du nach?", hörte ich plötzlich die sanfte Stimme des anderen neben mir und stellte überrascht fest, dass dieser angehalten war und mich neugierig musterte. Einen kurzen Moment zögerte ich, doch dann lächelte ich ihn schließlich an und setzte zum Reden an: „Über Omelas und meinen Vater."
„Vermisst du ihn?", fragte er vorsichtig und setzte einen prüfenden Blick auf.
„Ein wenig...", gestand ich, „wir sind im Streit auseinander gegangen, weißt du?"
„Soll ich dich zurückbringen, Jungkook?"Seine hellen Augen lagen auf mir, während sie leicht besorgt funkelten, was mich ungläubig den Kopf schütteln ließ. Wie konnte ich auch nur eine Sekunde glauben, dass er der Böse war? Dieser Kerl hatte eine so sanfte Seele, wie sollte er irgendjemandem etwas zuleide tun können?
Hin- und hergerissen dachte ich über seine Frage nach. Früher oder später musste ich zurück, soviel war klar, aber etwas in mir wollte mich hier behalten.
Eine Stimme, die mir sagte, dass ich genau hier richtig war. Hier in der Mondwelt... und bei Taehyung.
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Moonchild {VKOOK}
Fanfiction[ABGESCHLOSSEN] Die Menschen seien in der Regel Meister darin, zwei grundlegende Dinge zu unterschätzen: Wie groß der Raum ist, der sie umgibt - und wie viel sie davon tatsächlich begreifen können. Jungkook war sich sicher, dass nach all den Naturka...