Willkommen in meinem Leben

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„Beeil dich Ti, wir sind spät dran", hetzte mich meine beste Freundin Josie, die mich auf dem Weg zur Schule begleitete. Glücklicherweise war meine kleine Wohnung nahe der Schule gelegen, weshalb wir gut zu Fuß laufen konnten. Mir gehörte die kleine, gemütliche Wohnung, über der von meinen Großeltern. Sozusagen wohnte ich bei ihnen. Der Grund dafür, dass ich bereits mit 18 Jahren selbstständig wohnte, war weniger erfreulich.
Meine Eltern erlitten einen tragischen Tod, als ich erst zwölf Jahre alt war. Sie wurden grundlos ermordet. Erschossen, als wären sie nichts wert gewesen. Und das Schlimmste daran, ich musste es mit eigenen Augen miterleben. Nichts in der Welt beschrieb diesen Schmerz, die Eltern sterben zu sehen und ohne die wichtigsten Menschen im Leben aufwachsen zu müssen, die einem doch eigentlich beim Erwachsenwerden beistehen, dich dein Leben lang begleiten und deinen persönlichen Zufluchtsort darstellen sollten. Familie war das wichtigste im Leben,  schon immer für mich gewesen. Es wäre falsch zu sagen, dass man damit klar kam, denn das würde man nie so richtig, jedoch lernte man, damit zu leben und nach vorne zu schauen. Zu wissen, dass ich diese schöne Zeit erleben und gesund sein durfte, musste geschätzt werden. Alles andere würde mich weiter runterziehen. Das würden meine Eltern nicht wollen. Außerdem setzten meine Großeltern alles daran, mich zu unterstützen, wofür ich ihnen sehr dankbar war. Hauptsache wir hatten uns. Dann war da noch meine beste Freundin Josie, ich kannte sie von kleinauf und sie war mir immer eine perfekte beste Freundin, wenn nicht sogar eine Schwester gewesen.
„Ich bin fast fertig", betonte ich, während ich in einer Hand mein Toast hielt und mit der anderen meine Schultasche packte. Es war das letzte Schuljahr, ich sollte mich besser anstrengen und vorbildlich sein.
In Seelenruhe zog ich mich an, schnappte meine Jeansjacke und schmiss mir meine Tasche über die Schulter, als Josie mich auch schon aus der Tür zog.
Ist ja gut", faselte ich, mit noch vollem Mund.
„Sind wir heute so motiviert auf Schule?", fragend schaute ich sie mit hochgezogenen Augenbrauen an und bemerkte, wie sie angestrengt versuchte ihren genervten Blick beizubehalten und nicht ein Grinsen aufzusetzen. Das reichte mir, ich war zufrieden.
Sag mal Jo, ich habe heute eine seltsame Begegnung gehabt. Ich war eigentlich der Meinung, ich würde schlafen. So etwas ist mir noch nie passiert. Dieses Mal hat es sich so anders, so echt angefühlt..", schwelgte ich in Gedanken und vermittelte dabei scheinbar einen ganz falschen Eindruck.
Na, was ist da so passiert?", jetzt wurde sie neugierig und schaute mich schief an.
„Nein, nicht so", genervt verdrehte ich die Augen, „also ja, es ging um einen Typen, aber ich kannte ihn nicht, wir hatten uns lediglich unterhalten. Er strahlte so eine dunkle, mysteriöse Aura aus und seine Augen... die hättest du sehen müssen! Tiefschwarz! Und doch hatte ich keine Angst vor ihm. Irgendwas in meinem Körper signalisierte mir das. Das mag komisch klingen, aber irgendwie kam es mir sogar stückweise vertraut vor.. bin ich verrückt??", wunderte ich mich.
„Was, wenn du diesen Typen irgendwo schon mal getroffen hast, es nur vergessen und in dein Unterbewusstsein verdrängt hast?", dieser Vorschlag klang gar nicht mal so abwegig, jedoch zerbrach ich mir seitdem den Kopf darüber und es fiel mir einfach nicht ein.
Den ganzen Schulweg überlegte ich und war völlig abwesend. Das ging so lange, bis das Schulklingeln mich zurück in die Realität beförderte.
Im Klassenzimmer angekommen, ließ ich mich auf meinen Sitzplatz fallen und begrüßte mit einer Handbewegung unsere Clique.
Hi Ti, warum so abweisend heute?", grinsend piekste mir Aiden in die Seite. Ich musste mich wirklich auf den Unterricht konzentrieren.
Was meinst du? Ich denke scharf darüber nach, was die Lösung für die Aufgabe sein könnte", zwinkerte ich ihm zu und senkte meinen Blick auf das Blatt.
Natürlich", faselte er in einem verdächtig ironischen Ton.
Hey, zweifelst du an meiner Aussage?", ich schaute ihn entgeistert an und grinste.
Hey Turteltäubchen, es ist mal wieder Zeit für ein Treffen. Habt ihr alle morgen Nachmittag zwei, drei Stunden Zeit?", unterbrach uns Nora, ein schwarzhaariges Mädchen von mittlerer Größe und diejenige, die am extrovertiertesten aus unserer Gruppe war.
„Wer nicht kommt, gibt nächstes Mal Einen aus", fügte sie lächelnd hinzu, aber unsere Blicke sagten bereits, dass natürlich jeder dabei sein würde. Ich liebte unsere Cliquentreffen. Immer, wenn wir zusammen waren, bot es mir die Möglichkeit vor lauter Lachen, den Rest der Welt zu vergessen und einfach das Zusammensein mit meinen Freunden zu genießen. Es war etwas ganz Besonderes, wie sich jeder wünschte. Jeder wurde gleichermaßen angesehen und so akzeptiert, wie er war. Dafür liebte ich meine Freunde. Ohne sie hätte ich niemals wieder zu mir selbst gefunden. Bei diesem Gedanken schlich mir ein Lächeln über die Lippen.
Natürlich bin dabei", verkündete ich strahlend und alle stimmten ein. Äußerst zufrieden fuhr ich mir durch die Haare, als die Stunde auch schon wieder zuende war. Mit einem unscheinbaren Nicken deutete mir Jo an, mit ihr zu kommen.
Wir ließen Nora,  Aiden und Giona, den Letzten in unserem Bunde zurück und huschten zur Mädchentoilette.
Sag mal Ti, wart ihr beiden schon immer so dicke?", aufgeregte schaute sie mich an.
Wen meinst du?", gab ich vollkommen verwirrt zurück, ich wusste absolut nicht, wen sie meinte, da ich keine Veränderung zu irgendjemandem festgestellt hatte.
„Naa mit Aiden", ihre Stimme wurde leiser und ihr Blick wurde immer erwartungsvoller.
Ööh Jo, ich denke ich muss dich da enttäuschen, aber für mich ist alles so wie immer? Was meinst du?", hatte ich etwas verpasst?
„Och Mensch Ti, ich habe das Gefühl, du willst es gar nicht bemerken. Ich denke ich habe schon meine Antwort. Aber komm sei ehrlich, er ist doch schon keine schlechte Wahl?", sie zwinkerte mir zu.
Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte.
Warum versuchst du es dann nicht mal?", lenkte ich lachend die Aufmerksamkeit von mir und signalisierte ihr somit, dass ich gerade wirklich keinen Kopf für sowas hatte. Ehrlich gesagt, hatte ich da noch nie darüber nachgedacht. Sie hatte schon Recht, er hatte braune Haare, war relativ groß und hatte was im Kopf, aber irgendwie hatte ich einfach nicht daran gedacht. Für mich behandelten wir uns immer alle gleich. Wenn Josie meinte, es wär nicht so, musste ich das in Zukunft mal beobachten. Keinesfalls wollte ich, dass das irgendwie die Harmonie unserer Gruppe beeinflusste.

The Devil s DollWo Geschichten leben. Entdecke jetzt