Ein mysteriöser Brief

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Mit einem flauen Gefühl im Magen wachte ich mal wieder in meinem Bett auf. Irgendwie wünschte ich mir, die Träume würden länger andauern. Die Unterhaltungen mit Asmo waren so interessant, auch wenn er mir manchmal mit seiner Art auf den Keks ging. Trotzdem hatte er Recht, ich war dabei, Sympathie für ihn zu entwickeln. Dieses Phänomen war mir immer noch ein Rätsel, dass Menschen dazu neigten, freche Typen auch noch anziehend zu finden. Ich hoffte bei mir würde dies nicht passieren, oft genug hatte ich miterlebt, wie das bei Nora in die Hose ging und sie am Ende furchtbar darunter litt. Daraus lernten wir alle. Warum machte ich mir überhaupt diese Gedanken über eine fiktive Figur?
Mit den Augen rollend öffnete ich meinen kleinen Briefkasten. Ein paar Werbeprospekte und ein Brief! Von wem der wohl war? Gespannt musterte ich den Umschlag, komischerweise war kein Absender angegeben. Die Schrift war relativ krakelig, könnte von einem Mann sein.
Ich setze mich auf meinen Küchendrehstuhl an die kleine Theke und öffnete ihn. Ein seltsamer Geruch kam mir entgegen. Angestrengt versuchte ich, diesen zu deuten. Tief einatmend fiel es mir ein. Alkohol! Wirklich? Was sollte mich da erwarten? Ich begann zu lesen und wäre vor Schreck fast vom Stuhl gefallen.
Ein Drohbrief!!
Mein Herz begann zu rasen und meine Luftröhre wurde immer enger.
Zitternd laß ich den ganzen Brief:

Ich werde dich holen, wie du es verdienst. Genauso wie es dein Vater und deine Mutter verdient haben. Bereite dich darauf vor. Er hat mein Leben zur Hölle gemacht, ihr werdet dafür büßen. Jetzt fehlst nur noch du! Dieses Gefühl, als ich abgedrückt habe, war einfach unglaublich. Einmal will ich es noch spüren, erst wenn dein Blut vergossen ist, gebe ich mich zufrieden. Ich gebe dir noch ein paar Wochen. Die Gedanken daran, wie es dir jetzt ergeht, machen mich richtig heiß! Wie ist es, am Abgrund zu stehen und auf seinen Tod zu warten? Niemand wird dir helfen können. Die Polizei auch nicht! Du wirst wieder von mir hören!
Dein Mörder"

Was zur Hölle? Ich kämpfte mit mir selbst, nicht in Panik zu verfallen. Zum Glück erlitt ich keinen Anfall, wenn es auch kurz davor war. Mit einem Schlag kamen die ganzen Bilder wieder in den Kopf. Ich fühlte es ein zweites Mal. Die ganze Angst, die ganze Wut, alles brodelte in mir hervor und wollte bereits dazu ansetzen, den Brief zu zerstückeln, als ich zur Besinnung kam und mir in Erinnerung rief, dass ich ihn noch brauchen würde. Wie konnte ein Mensch so brutal, so herzlos sein? Ich verstand es nicht. Warum könnte jemand so eine Wut auf unsere Familie entwickeln? Mein Vater hatte niemandem etwas angetan!
Immer noch völlig außer Atem und völlig fassungslos rief ich Josie an, um mit jemandem darüber zu reden und alles, was sich in mir anbahnte, rauszulassen.
Knapp eine Stunde telefonierten wir bereits, als Jo mich auf etwas aufmerksam machte:

„Aber Ti, was wirst du jetzt machen? Du schwebst in großer Gefahr! Du musst zur Polizei gehen! Dieser Typ ist unberechenbar! Du weißt ja, wozu er fähig war! Ich habe Angst um dich! Wahnsinnige Angst! Versprich mir, dass wir morgen nach der Schule sofort zur Polizei gehen!"

„Ich verspreche dir, dass wir gehen! Aber dieser Irre hat Recht, die Polizei wird nichts tun können. Es macht mich so wahnsinnig!", leise rollten Tränen über meine Wangen. Gab es überhaupt einen Ausweg? Das Einzige, was ich tun konnte, war meine letzten Wochen zu genießen und zu hoffen, dass die Polizei eine Lösung finden würde. Ich betete, dass sie ihn finden würden, wie auch immer. Laut seiner Drohung, hatte ich ja noch ein wenig Zeit, bis er sich erneut melden würde. Das war Teil seines kranken Spielchens, mich gezielt in die Irre treiben und leiden zu lassen. Warum ließ mich mein Leben nicht einfach damit abschließen, warum musste er nach verdammten sechs Jahren wieder ankommen? Ich hatte es endlich geschafft, glücklich zu werden! Er würde mir das nicht wieder nehmen! Das ließ ich nicht zu! Richtig? Ich versuchte so sehr stark zu sein und meine Tränen zu unterdrücken, bis ich es schließlich schaffte.
Um das erstmal zu verarbeiten, legte ich mich zurück in mein Bett, ich hatte ohnehin nicht so viel geschlafen.

„Was ist passiert?", er saß schon wieder neben mir. Zweimal an einem Tag träumte ich von ihm?

„Ich habe einen Drohbrief erhalten. Nach verdammten sechs Jahren!", flüsterte ich leise in mein Kissen.

„Zeig ihn mir!"

„Da hinten liegt er", ich zeigte mit dem Finger auf meinen Tisch.
Mit einer schnellen Bewegung sprang er auf und widmete sich dem Brief. Gespannt wartete ich auf seine Reaktion.
„So ein verfluchter Idiot! Möge er in der Hölle schmoren!", er bebte förmlich. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Ich schaute zu ihm herüber, er kehrte mir den Rücken zu, als wolle er nicht, dass ich es bemerke.
Seine Stimmlage hatte ihn bereits verraten. Irgendwie süß, dass er meine Wut in diesem Ausmaß teilte, obwohl er es nicht selbst erlebt hatte. Aber, wer würde nicht so reagieren?
Eine Weile geschah nichts. Vermutlich sammelte er sich. Ich hatte meinen Kopf wieder in mein Kissen vergraben. Einige Sekunden später spürte ich, wie er sich neben meinen Körper setzte.

„Ti, ich habe dir schon einmal gesagt, ich werde dir helfen und ich sage es dir erneut. Du kannst mir vertrauen und alles erzählen. Ich werde dich beschützen. Ich verspreche es dir. Dir wird nichts passieren, hab keine Angst."

„Das ist echt lieb von dir, das weiß ich zu schätzen, nur ich weiß nicht, wie du das tun willst", antwortete ich.

„Vertrau mir einfach, kannst du das?"

„Okay", ich war mir nicht sicher, wie er mich vor meinem Schicksal schützen wollte und doch vertraute ich ihm. Irgendwas in mir glaubte daran, dass ich in Sicherheit war, er gab mir Sicherheit. Jeder würde denken, ich wär verrückt, aber ich glaubte ihm tatsächlich.

„Danke Asmo!", ich blickte erneut von meinem Kissen auf und schaute ihm in seine wunderschönen Augen. Ich verspürte das Verlangen ihn zu umarmen, auch wenn er immer noch ein Fremder in meinem Zimmer war, dazu gesagt, in meinem Traum. Zaghaft richtete ich mich auf und kam ihm näher, er beobachtete genau jede einzelne Bewegung meines Körpers. Vorsichtig legte ich meine Arme um ihn und drückte ihn, so dankbar war ich, einfach dafür, dass er so für mich da war, ohne dass ich ihm etwas zurückgeben konnte.
Etwas unsicher erwiderte er meine Umarmung und ich legte meinen Kopf auf seine Schulter. Dieses Gefühl war unbeschreiblich, eine Mischung aus Geborgenheit und Vertrauen. Niemand hätte mir erzählen können, dass das nicht echt war, dafür fühlte es sich zu gut an. Ein Lächeln entwich meinen Lippen und ich schloss die Augen. Ich konnte seinen warmen Körper an mir spüren und genoss es, bis ich aufwachte und er verschwunden war...

The Devil s DollWo Geschichten leben. Entdecke jetzt