Kapitel 13

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Marcus und ich saßen uns gegenüber am Tisch in einem Thronsaal und dennoch soweit entfernt, dass unsere Arme nicht lang genug waren um uns zu erreichen. Um uns herum eine Entourage von bekannten Märchenfiguren. Snyderlein, Barbara, Könige, Königinnen, Prinzen und Prinzessinnen. Alle sahen uns streng an.

„Ihr wisst schon,...", schob sich einer Herr mit grau meliertem Bart in einer Uniform in den Vordergrund, die reichlich mit Orden bestückt war. Offensichtlich der Vater von Dornröschen. „...dass ihr hier seid um das Märchenland zu retten, nicht um eure Liebe zu zelebrieren." Sein Ton war mehr als vorwurfsvoll. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen.

„Sie wissen schon, dass ohne uns das Märchenland nicht überlebt?" Mein Tonfall war schneidend.

Er räusperte sich und spielte den Diplomaten: „Doctoress, sie haben ja recht. Verstehen sie bitte, dass wir uns in einer Ausnahmesituation befinden und uns einfach die Nerven durchgehen, während sie und Herr Schenkelberg Zärtlichkeiten austauschen."

Ich zog scharf die Luft ein. „Haben sie das jetzt wirklich gesagt? Wir setzen unsere Liebe ein, damit das Märchenland gerettet wird, werden mit Drogen vollgepumpt, die uns vergessen lassen und ständig, ich betone ständig, auseinander gerissen und dann ist uns noch nicht einmal eine Minute der Zweisamkeit gegönnt? Mal abgesehen davon, müssen wir „Zärtlichkeiten" austauschen, damit die wahre Liebe im Märchenland verteilt wird, n'est pas? Diplomatie und Zusammenarbeit ist definitiv nicht ihre Stärke. Marcus, lass uns gehen", stand ich von meinem Stuhl auf und er kam meiner Aufforderung nach.

„Ihr könnt nicht weg von hier", seufzte Snyderlein. „Das Portal auf der Wiese, durch das ich euch geholt habe und durch das ihr nur wieder zurück könnt, ist leider...vorübergehend aufgelöst. Wohl oder übel müsst ihr das letzte Märchen spielen, damit es wiederhergestellt wird, wie es in anderen Regionen auch der Fall war."

Ich sah Marcus an: „Was sagst du denn dazu?"

„Lass es uns tun. Ähm, ich meine das Märchen spielen. Aber nur unter einer Voraussetzung."

„Die wäre?", fragte Dornröschens Vater.

„Keine Drogen mehr", bestimmte Marcus.

„Wir ziehen uns zur Beratung zurück. Snyderlein, es wäre gut, wenn sie sich nicht zu nahe kommen."

Ich rollte mit den Augen. Das war doch wohl nicht wahr. Trauten sie uns nicht für fünf Minuten Selbstbeherrschung zu? Contenance war doch meine Stärke. Verstohlen sah ich zu ihm herüber, der süffisant grinste. Gänsehaut überzog spontan meinen ganzen Körper.

Die Truppe zog sich in einen Nebenraum zurück. Wir warteten. Nach einer halben Stunde stand die Entscheidung fest. Man hatte sich darauf geeinigt das Märchen zu verkürzen und uns keine Drogen zu verabreichen.

Wieder sprach Dornröschens Vater: „Das Märchen wird auf drei Tage gekürzt. Die drei Tage des Balls. Mehr Zeit haben wir nicht. Barbara wird sich um euch kümmern. Auf die wahre Liebe", verabschiedete er sich.

Barbara sorgte für unsere Kleidung und schaffte uns an den Einsatzort. Marcus in ein Schloss, mich in die Asche vor dem Kamin in einem dreckigen, einfachen Kittel zum Sortieren der Erbsen und Linsen, die auf dem Boden verstreut lagen.

„Oh du meine Güte! Wenn du die echte wärst, würde das Märchen schon anders verlaufen oder?", lästerte meine „Stiefschwester Blondie". Ein dürres Ding, bei der die Knochen lediglich mit einer dünnen, weißen Haut überzogen waren, deren Gesichtsknochen sich spitz abzeichneten und deren dünnes, blondes Haar schlaff auf ihre Schultern fiel wie lasche Spaghetti. „Bei dir aber auch", dachte ich bei mir. Noch etwas dünner und ich würde mich hier sofort nach Mistkäfern umsehen, kam mir mein erstes Abenteuer in den Sinn.

The Doctoress - Märchen-Haft (10)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt