„Ich verstehe nicht", blickte ich ihn fragend an.
„Puh! Ich bin inkognito hier. Der richtige Jäger ist mein „geheimer" Bruder. Er trifft sich heute mit jemandem und kann den Auftrag nicht ausführen. Also hat er mich eben herkommen lassen."
„Woher?", grübelte ich laut.
„Aus Mittelerde natürlich. Eine andere Welt ähnlich der diesen hier. Gebaut aus menschlicher Fantasie."
„Ok, das verstehe ich. Du darfst der Königin nicht unter die Augen kommen..."
„Ich weiß, er hat mich vorgewarnt. Deswegen solltest du ja nicht so laut brüllen."
Stikum verdrückten wir uns aus der Burg und begannen durch den dicken Schnee in den Wald zu stapfen. Eine legere Unterhaltung pflegend, erreichten wir bald den Punkt, an dem die Sonne sich anschickte den Heimweg anzutreten.
„So, ich muss langsam zurück. Ein Reh erlegen muss ich auch noch, gehört ja zu der Geschichte. Es war nett dich kennengelernt zu haben. Falls du mal nach Mittelerde kommst, können wir ja was zusammen trinken gehen", verabschiedete er sich mit einer dezenten Umarmung.
„Nimm dich in Acht vor der Königin, wenn du zurückkehrst und ja, falls es mich mal nach Mittelerde verschlägt, will ich alles sehen. Alles und dann benötige ich definitiv einen Waldläufer und König, der sich auskennt. Dann mache ich mich wohl mal auf zu den Zwergen. Welche Richtung?", fragte ich.
Er deutete in Richtung der Sonne. „Folge ihrer Spur. Ach, und ich hab da noch was für dich." Er drückte mir ein kleines Säckchen in die Hand. „Athelasplfanze, auch Königskraut. Gib das einem der Zwerge. Ein Notfallmittel, gegen den Schlaf. Sie wissen, was damit zutun ist", nickte er mir zu und verschwand geräuschlos im Wald.
„Also dann, Doctoress. Ab zu den Zwergen. Zum Glück gibt es hier keine Treppen", schnaufte ich und setze einen Fuß vor den anderen.
Ich erreichte das Haus der Zwerge nicht und verbrachte die Nacht im Wald, umringt von den warmen, dampfenden Leibern eines Sprungs Rehe, wobei eines einen Hasen im Schlepptau hatte. „Danke Disney!", murmelte ich und fiel in den Schlaf.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, waren meine Glieder steif wie nichts und ich roch nach Wild. Nicht unbedingt erfrischend. Ich machte mich auf den Weg und erreichte die Hütte eine gute Stunde später und tat, was getan werden musste, trank aus einem Becher, aß von einem Teller, saß auf einem Stühlchen, schnitt mit einem Messerchen, stach mit einem Gäbelchen und letztendlich schlief ich in einem Bettchen ein.
Jemand räusperte sich und ich schlug die Augen auf. Diese Zwerge, waren echte Zwerge, nicht diese verweichlichten gurkennäsigen Disney-Verschnitte. Nein, echte kleine, kräftige Kerle mit struppigen Bärten und glitzernden Augen. Kompakt und äußerst kräftig. Ich wette, ein jeder von ihnen hätte mich werfen können. Lauter kleine Gimlis. „Oh, gut. Ihr seid da. Ich hoffe, ich habe alles richtig gemacht, bislang?", grinste ich die grimmigen Kerle an.
„Ja, hast du. Du bist also der Ersatz?", checkte einer von ihnen mich von oben bis unten ab und verunsicherte mich damit.
„Ja, was nicht in Ordnung?"
„Trägst du magische Kleidung?", fragte ein anderer mit rotem Bart.
„Ähm, vorgestern ja, heute nicht. War einfach zu beengend für den Gewaltmarsch. Tut mir leid, wenn ich dem Original nicht so nahe komme", druckste ich herum.
„Ach, was!", brüllte der Größte unter ihnen, in dessen Bett ich lag. „Endlich mal was ordentliches. Du könntest eine von uns sein. Kompakte Frau. Mit Bart würdest du mir noch besser gefallen, aber so ist es auch schon sehr gut. Du darfst gerne in meinem Bett schlafen heute Nacht", lachte er rauh und dreckig und alle anderen Zwerge mit ihm. Um Himmels Willen – wo war ich hier denn gelandet? Lüsterne Zwerge, die auf dicke Frauen standen?
„Komm, Mädchen", sagte der Älteste von ihnen, der schon ein wenig klapprig auf den Beinen war und einen weißen Bart hatte, der bis auf den Boden reichte, und lud mich an den Tisch ein. „Bei uns geht es ein wenig derber zu, als man es euch Menschen im Fernsehprogramm weiß machen will. Ich hoffe, du kommst damit zurecht", sah er mich fragend an.
„Das werde ich", gab ich zur Antwort.
„Du weißt auch, was deine Aufgaben hier sind?", erkundigte er sich nach meinem Wissenstand.
„Ja, ich werden den Haushalt machen und Essen kochen, während ihr in der Mine seid... und darauf warten, das die böse Stiefmutter vorbeikommt und mich vergiften will."
„Ja, so sieht es aus. Und gerade du könntest noch etwas anderes für uns tun. Weißt du, wir sind hier immer so alleine und haben wenig weibliche Gesellschaft..." Was waren das für Andeutungen?
„Soll ich für euch singen?"
„Öhm, nein...", sah der alte Zwerg verlegen zu Boden, während die anderen begannen: „Ausziehn, ausziehn!" zu brüllen. Mein entsetzter Gesichtsausdruck sprach Bände.
„Ihr seid ja richtige Schweine! Ich mach euch gleich nen Kopf kürzer, wenn ich sowas von mir verlangt!" Ich war stockwütend und ließ meiner Wut freien Lauf, die Faust lautstark auf den Tisch gedonnert.
„Was für ein Weib!" „Juchu, eine halbe Zwergin!" „Wenn die auch so saufen kann wie wir, haben wir eine sehr glückliche Zeit vor uns!"
Plopp, servierte mir der Große einen Teller mit einem riesigen Stück Wildschweinbraten. „Bitteschön", lächelte er verlegen. „Du wirst es gut haben bei uns."
„Da bin ich mir noch nicht so sicher", seufzte ich und in meinem Kopf zogen ganz böse Bilder vorbei. Ein Rudel lüsterner Zwerge zerrte an meinen Klamotten. „Marcus!", wimmerte ich in Gedanken.
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The Doctoress - Märchen-Haft (10)
FanfictionUrheberrechtlich geschützt! Copyright by rivka76 Die Doctoress und Marcus in ihrem märchen-haftesten Abenteuer. Diesmal bekommen sie es mit dem größten Gefühl von allen zu tun: der Liebe. Oder auch nicht, denn sie ist dem Märchenland abhanden gekomm...