Kapitel 11: Von Schwertern und Äxten

330 22 0
                                    

„Auf Geheiß des Königs wird die Stadt geräumt! Wir suchen Zuflucht in Helms Klamm! Beladet euch nicht mit Schätzen! Nur das Nötigste nehmt mit an Vorräten!",hörte sie den Mann, der sie am Vortag aufgehalten hatte, zu Théoden vorzudringen, den Menschen zurufen, was der König ihnen bereits eröffnet hatte.

„Helms Klamm!", sagte Gandalf verächtlich, während sie sich ihren Weg durch die verunsicherten Menschen bahnten.

Auch Gimli war entrüstet.

„Sie fliehen in die Berge, obwohl sie hier bleiben und kämpfen sollten! Wer wird sie verteidigen, wenn nicht ihr König?"

Es war eine durchaus berechtigte Frage, doch vielleicht war es nicht der richtige Ort, sie zu stellen. Ivriniel bemerkte die Blicke der verängstigten Bewohner, die den Zwerg und den Zauberer sprechen gehört hatten.

Erst als sie in den Stall eintraten, auf den Gandalf zugesteuert hatte, spürte sie die Augenpaare  nicht mehr auf sich.

„Er tut nur, was er für sein Volk als das Beste erachtet. Helms Klamm hat sie schon früher gerettet", versuchte Aragorn Verständnis für die Entscheidung des Königs aufzubringen.

„Aus dieser Schlucht führt kein Weg hinaus. Théoden läuft in eine Falle. Er glaubt, sein Volk in Sicherheit zu bringen, aber es wird in einem Gemetzel enden", entgegnete der Zauberer.

Er lief hinüber zu dem Bereich, in dem Schattenfell stand.

„Théoden hat einen starken Willen, doch ich fürchte um ihn", sagte Gandalf ernst.

Eindringlich sprach er zu dem vor ihm stehenden Aragorn: „Ich fürchte um das Überleben Rohans."

Er machte eine Pause.

„Er wird dich vor dem Ende brauchen, Aragorn. Das Volk von Rohan wird dich brauchen. Ihre Verteidigung muss standhalten"

Aragorn nickte.

„Sie wird halten", versprach er mit Bestimmtheit in der Stimme.

Der Zauberer schien nicht überzeugt zu sein. Er drehte sich zu Schattenfell um und streichelte den Hals des stolzen Tieres.

„Der graue Pilger, so nannte man mich einst. Seit dreihundert Menschenleben bin ich nun schon auf dieser Erde und jetzt habe ich keine Zeit mehr", sagte er mehr sich selbst als zu jemand anderem, ehe er sich zu ihnen allen umdrehte.

„Mit etwas Glück wird meine Suche nicht umsonst sein. Erwartet mein Kommen. Beim ersten Licht des fünften Tages. Bei Sonnenaufgang. Schaut nach Osten", verkündete er.

Aragorn nickte mit dem Kopf.

„Geh", gab er den Zauberer frei.

Gandalf stieg auf sein Pferd und ritt los. Überrascht sprang sie zur Seite um dem Pferd auszuweichen, das nur haarscharf an ihr vorbeilief. Wie alle übrigen auch beobachtete sie die kleiner werdende Gestalt des Zauberers, bis sie am Horizont verschwunden war.

„Und was tun wir jetzt?", fragte sie in die Runde.

„Ich werde in die Halle zurückkehren", meinte Aragorn und verabschiedete sich.

Sie fing Legolas' Blick auf.

„Ich denke, wir haben Zeit das zu tun, worum du mich gestern gebeten hast", sagte der blonde Elb.


Ihr Atem ging schnell. Das blanke Metall an ihrem Hals war kühl. Gimli lachte. Er hatte es sich auf einem Stuhl bequem gemacht und verfolgte Pfeife rauchend das Spektakel.

„Noch mal", forderte sie.

Legolas nickte und nahm das Schwert von ihrem Hals.

„Du musst schneller sein", sagte er, während sie sich wieder in ihre Ausgangsposition begab.

„Behalte deinen Gegner im Auge. Achte auf seine Bewegungen."

Ivriniel beobachtete ihn, versuchte in seinem Gesicht zu lesen, wie er angreifen würde. Sie begegnete dem Blick seiner blauen Augen. Fest sah sie ihn an und hatte Mühe, zurückzuweichen, als er angriff. Sie hatte sich ablenken lassen. Metall prallte auf Metall, als sie seinen Schlag abwehrte. Eilig fuhr sie herum und parierte seinen zweiten Schlag. Nun setzte sie ihrerseits zum Angriff an, den er allerdings mit Leichtigkeit abwehrte. Kurz darauf lag wieder sein Schwert an ihrem Hals. Ihre Blicke trafen sich.

„Das war schon besser", meinte Legolas schließlich, als er die Klinge wieder hinunternahm.

„Aber du musst dich konzentrieren. Ich sehe, dass du noch immer darüber nachdenken musst, was du tust. Das ist auch kein Problem. Die Selbstverständlichkeit kommt mit der Übung und mit der Zeit. Aber bis du so weit bist, musst du bei der Sache bleiben."

Sie nickte. Zu Hause hatte sie Ähnliches schon gehört.

„Versuche es erneut, diesmal mit mehr Konzentration", forderte er sie auf.

Sie nahm Abstand von ihm und ging wieder in ihre Ausgangsposition.

Mehr Konzentration", sagte sie sich immer wieder, während sie ihn beobachtete. Kaum merklich nahm sie eine Regung bei ihm wahr. In einer fließenden Bewegung wich sie ihm aus und bewegte ihre rechte Hand mitsamt dem Langdolch in seine Richtung.

„Nicht schlecht", kommentierte er ihre Leistung, als sein Schwert die Waffe unweit seines Gesichtes stoppte.

„Nicht schlecht? Das war mit Abstand der beste Versuch heute!" Sie war verdammt stolz auf sich.

Plötzlich hatte sie wieder das kalte Metall unter dem Kinn.

„Lass dir den Triumph nicht zu Kopf steigen, bevor die Schlacht beendet ist", sagte Legolas mit einem Lächeln.

Na toll. Nicht einmal das bisschen Freude war ihr vergönnt.

„Wir versuchen etwas anderes", verkündete ihr Gegenüber.

„Stell dir vor, ich wäre ein Ork. Ich bin deutlich größer und schwerer als du. Also lass dich nicht von mir umrennen."

Ivriniel musste schmunzeln, als sie sich einen Ork mit seinem hübschen Gesicht vorstellte. Moment mal. Hübsches Gesicht? Jawohl, hübsches Gesicht. Hätte sie etwas anderes behauptet, hätte sie sich selbst angelogen.

Konzentration", befahl sie sich selbst.

Wieder beobachtete sie ihn genau und sprang zur Seite, als er auf sie zulief. Sie duckte sich unter seinem Schwert hindurch und ging auf Abstand.

„Gut, aber du musst auch angreifen", kam es von Legolas.

Sie nickte. Diese Übungen machten ihr Spaß. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, da sie von einer Klinge vor dem Bauch gestoppt wurde. Sie schaute zu dem Zwerg hinab, der die Axt in der Hand hielt und lachte. Kurz darauf spürte sie die Elbenklinge wieder an ihrem Hals.

„Das ist unfair", beschwerte sie sich.

Gimli lachte lauter.

„Du warst unaufmerksam." Legolas schmunzelte.

„Weil ich nicht wusste, dass ich einen Gegner mehr bekomme", verteidigte sie sich.

„Und kein Gegner wird dir sagen: 'Achtung, ich greife dich jetzt an'", kommentierte der Zwerg.

Scharf sah sie ihn an, ehe sich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen schlich.

„Also dann", sagte sie.

„Dann eben so."

Sternenlicht - Legolas FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt