Kapitel 26: Der Weg ist versperrt

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Schon von Weitem hatten sie das Lager gesehen, das am Fuße des Berges entstanden war. Nach dem Ritt durch die weiten, kahlen Ebenen bot das geschäftige Treiben zwischen den kleinen, weißen Zelten durchaus eine willkommene Abwechslung. Vor einigen Zelten waren Kochstellen errichtet worden, Pferde standen angebunden nebeneinander und Menschen liefen in dem Wirrwar hin und her. Neugierig und ehrfürchtig sahen Männer aus den verschiedensten Regionen Rohans zu ihrem König und dessen Gefolge auf.

"Grimboldt, wie viele?", verlangte Théoden von einem dieser Männer zu wissen.

"Ungefähr fünfhundert Männer aus der Westfold, mein Herr!", antwortete der Angesprochene.

"Wir haben dreihundert weitere aus der Fennmark, Théoden, König", gab ein anderer Auskunft, während sie weiterritten.

"Wo sind die Reiter vom Schneeborn?"

"Es sind keine eingetroffen, Herr", erhielt er als Antwort.

Ivriniel konnte zwar das Gesicht des Königs nicht sehen, doch sie wusste, dass es ihm nicht gefiel. Sie hatten zu wenig Männer. Das war auch Aragorn klar, der eine besorgte Mine zur Schau trug.

In einer langen Schlange machten sie sich daran, hinauf auf den Berg gelangen. Der Weg war recht steil und kurvig, aber die Pferde fanden dennoch guten Halt. Nach einiger Zeit hatten sie die freie Fläche erreicht, die ihnen als Lagerplatz dienen würde. Ivriniel saß ab und verschaffte sich einen Überblick. Man hatte bereits Zelte für den König und seine Heerführer aufstellen lassen, die um einiges größer waren als jene, die den Männern am Fuß des Berges als Unterschlupf dienten. Vor einem dieser Zelte, das direkt neben dem größten, dem des Königs, stand, sah sie Éowyn, die sich darum kümmerte, dass man die mitgebrachten Habseligkeiten in die richtigen Zelte brachte. Der Hobbit, Merry, wenn sie sich richtig erinnerte, saß in der Nähe der jungen Frau im bereits plattgetretenen Gras und sah zu Boden. Wahrscheinlich machte er sich Sorgen um seinen Freund.

Ivriniel ließ ihren Blick schweifen. Selbst wenn sie nicht direkt an die Kante herantrat, konnte sie die vielen Zelte auf der Ebene erkennen, die sich dicht aneinader drängten. Dennoch: Es waren zu wenig Krieger. Wenn sie Gondor helfen wollten, würden sie die Linien Mordors durchbrechen müssen und dafür mussten sie den Feind förmlich überrennen können, sonst würden sie keine Chance haben, gegen ihn anzukommen.

Sie drehte sich um und entdeckte Gimli und Legolas. Je weiter sie sich ihnen und der Felswand näherte, desto unruhiger wurde sie. Da war eine Macht, die auf ihren Schultern lastete und ihren Schritt verlangsamte. Sie kam bei ihren Gefährten an, als diese gerade ein Gespräch mit Eomer begonnen hatten.

"Dieser Weg dort, wo führt der hin?", hörte sie Gimli fragen, als sie bereits fast bei ihnen war.

Sie folgte dem Blick, den Eomer hinter sich warf und machte in dem Felsen einen tiefen Spalt aus, durch den ein schmaler Pfad führte. Die hohen Wände zu beiden Seiten ließen keinen Sonnenstrahl darauf fallen.

"Das ist die Straße zum Dimholt, zum Tor unter dem Berg", erklärte Legolas.

Eomer nickte. "Niemand, der sich dorthin begibt, kehrt jemals zurück. Dieser Berg ist voller Bosheit", sagte er und wandte sich ab.

Ivriniel hatte davon gehört. Es hieß, dort lebte das, was von den Menschen aus Ered Nimrais übrig geblieben war, die Isildur die Treue geschworen und diesen Eid gebrochen hatten: Geister, die keine Ruhe fanden.

Sie trat näher an Legolas heran. Durch seine bloße Anwesenheit fühlte sie, wie das Unheimliche sie weniger beeinflusste. Es verschwand in einem bedrohlichen Gefühl im Hintergrund, das sie weder am Tag, noch in der Nacht ganz verließ. Es ließ sie nicht schlafen, auch wenn bereits die Sterne über den Himmel zogen. Sie streifte ziellos durch das Lager, bis ihr die Blicke lästig wurden, mit denen man ihr nachsah. Nicht, dass sie negativ gewesen wären - im Gegenteil: Sie waren sogar beinahe ehrfürchtig, doch es störte sie. Wie gerne wäre sie wieder unter ihresgleichen gewesen, wo man zwar zu ihr aufsah, ihr aber nicht mit den Blicken folgte.

Sternenlicht - Legolas FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt