Kapitel 16: Vor der Schlacht

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Der Tag war vorangeschritten und Théoden hatte, anstatt Verstärkung in irgendeiner Weise anzufordern, beschlossen, die Lücken in seinem Heer mit den Anwesenden seines Volkes zu füllen. Überall war das Schluchzen und Flehen von Frauen zu hören. Eine weißhaarige Frau hielt verzweifelt die Hand ihres ebenso alten Ehemannes, eine Mutter presste mit aller Kraft ihren Sohn an ihren Körper. Doch es half nichts. Alte und Kinder, jeder, der von den Männern Théodens als fähig eingestuft wurde, eine Waffe zu tragen, wurde den Armen seiner Liebsten entrissen. Der Junge – er mochte vielleicht zwölf Winter gesehen haben – versuchte, tapfer zu bleiben und die Tränen zurückzuhalten, während er zu seiner aufgelösten Mutter zurückblickte. Die Frau weinte und flehte die Männer des Königs an. Nicht ihr Sohn. Es gäbe doch bestimmt auch andere, die älter wären. Man müsse doch nicht unbedingt ihren Sohn mitnehmen. Doch man ignorierte ihre Worte. Die Frau blieb zurück, schlang die Arme um ihre Knie und vergrub ihr Gesicht in ihrem Kleid. Sie begann um ihr Kind zu trauern, als wäre es schon tot, als wäre es bereits gefallen, als hätten die Uruk-hai den Körper ihres Sohnes bereits in den Boden getrampelt. Vielleicht war es auch so. Was sollte ein solch kleines Menschlein schon gegen eine Armee von Ungeheuern tun? Nichts als der Tod wartete auf das Kind, sobald die Schlacht beginnen würde.

Ivriniel verspürte Wut. Wie konnte Théoden nur all diese Greise und Kinder in ihren sicheren Untergang schicken?

Legolas, der neben ihr auftauchte, teilte ihre Gedanken.

„Keiner von ihnen wird den Morgen erleben", sagte er.

Die Verzweiflung der Mütter, Töchter, Schwestern, Großmütter und Ehefrauen erdrückte sie beinahe auf dem Weg zur Waffenkammer, wo sie hofften auf Aragorn und Gimli zu treffen. Überall spielte sich die selbe Szene mit geringen Varianzen ab. Hier hörte man Bitten, dort Verwünschungen und doch blieb die Konsequenz die selbe: Die Jungen und alten Männer hatten den Soldaten zu folgen.

Als sie in der Waffenkammer ankamen, herrschte dort reges Treiben. Die Eingezogenen wurden ausgerüstet mit Helmen und Waffen. Mitten in diesem Wirrwar fanden sie schließlich Gimli auf einer Bank sitzen. Der Zwerg wirkte auch nicht glücklicher über den Anblick, der sich ihm bot, als sie. Aragorn, der sich ein Schwert angesehen hatte, kam zu ihnen hinüber.

„Bauern, Hufschmiede, Stallburschen. Das sind keine Soldaten", sagte er und man hörte in seiner Stimme, dass auch ihn dieser Umstand nicht ganz kalt ließ.

„Die meisten haben zu viele Winter erlebt", stimmte Gimli ihm zu.

„Oder zu wenige." Nach diesem Einwurf von Legolas drehte sich Aragorn zu ihnen und nickte. Er wusste es auch.

„Seht sie euch an. Sie fürchten sich. Ich sehe es in ihren Augen."

Wer den blonden Elb hatte sprechen hören, blickte ihn an. Legolas wandte sich zum Gehen, überlegte es sich aber doch anders.

„Boe a hyn neled herain dan caer menig (Es ist notwendig für sie. Es sind dreihundert von uns gegen zehntausend von denen.)", sagte er zu Aragorn.

„Si, beriathar hyn ammaeg na ned Edoras (Hier werden sie sich besser verteidigen als in Edoras.)", entgegnete der Angesprochene.

„Aragorn, nedin dagor hen ú-'erir ortheri. Natha daget dhaer (Aragorn, diese Schlacht können sie nicht gewinnen. Das Morden wird furchtbar sein)."

Es war schwer für sie zuhören, dass Legolas, der unzählige Schlachten in seinem bisherigen Leben geschlagen und auch gewonnen hatte, ihre Lage so einschätzte wie sie es auch tat. Wie gerne hätte sie ihn sagen hören, dass sie den Feind würden abwehren könnten, aber das wäre nicht wahr gewesen. Es brachte nichts, die Realität schön zu reden, wenn der Tod auf all diese Männer, Frauen und Kinder und vielleicht auch auf sie selbst wartete.

Sternenlicht - Legolas FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt