Ryan
Ich bin nicht dumm. Ich weiß, dass Cara mir aus dem Weg geht. Eigentlich dürfte ich sowas nicht sagen, weil wir kennen uns so gut wie gar nicht, aber ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Manchmal trifft man eine Person und man fühlt sich augenblicklich mit dieser Person verbunden. Ich bin mir sicher, dass dort irgendetwas zwischen uns ist, obwohl ich so gut wie nichts über sie weiß. Ich weiß nicht, wie alt sie ist, was ihre Hobbys sind und so weiter. Kein Wunder wir hatten ja noch kein Gespräch, welches länger als 10 Minuten ging. Und irgenwie bin ich frustriert, weil ich sie ja kennenlernen möchte. Aber ich einfach nicht die Gelegenheit dazu finde.
Aber ich weiß auch, dass man nicht ewig Zeit hat. Immerhin arbeite ich in einem Krankenhaus und ich konnte nicht jedem meiner Patienten das Leben retten. Ich habe schon sehr viele Menschen sterben sehen, ob jung oder alt, dick oder dünn, Frau oder Mann, Kinder oder Erwachsende. Es war egal, wer sie waren, aber es war auf jeden Fall ungerecht, Menschen Zeit zu rauben, die sie verdienten durch einen blöden Tumor oder sonst einer nicht heilenden Krankheit. Diese Menschen konnten nichts unternehmen, sie waren ihrem Schicksal ausgeliefert und dies lehrte mich eins.
Ich darf keine Zeit verschwenden und ich muss dankbar sein für alles, was nicht selbstverständlich ist.
Deswegen bin ich dankbar, dass ich Cara auf diesem Konzert in Rom begegnet bin und dass das Schicksal wollte, dass wir uns wieder sehen. Und genau deswegen sollte ich heute meine Zeit sinnvoll nutzen und mich mit Cara länger als 10 Minuten unterhalten.
Ich schaue zu ihr hinüber. Sie steht vor dem großen Regal in meinem Wohnzimmer, in dem alle meine Bücher stehen. Die meisten sind Bücher über Medizin, doch es sind auch manche andere dabei. Sie sieht so wunderschön aus in diesem schwarzen Kleid, welches sich perfekt um ihren Körper schmiegt. Ihre blonden und glatten Haare gehen ihr bis kurz unter ihre Schultern und sie hat die vorderen Strähnen mit einer Klammer an ihrem Hinterkopf befestigt.
Ich gehe auf sie zu, damit ich ihr Gesicht näher bewundern kann. Zum Glück ist es noch nicht so voll, sodass niemand bemerkt, wie ich Cara eingehend betrachte.
Meine Eltern wohnen nur ein paar Straßen weiter und hatten eigentlich auch kommen wollen. Ich hatte mich schon gefreut, dass meine Eltern Cara kennenlernen würden, damit sie mir sagen konnten, was sie von ihr hielten, aber sie konnten nicht kommen, da sie noch einen Notfall im Krankenhaus hatten. Meine kleine Schwester ist bei einer Freundin.
Ich bin nur noch 20 Zentimeter von Cara entfernt. Sie spürt den leichten Luftzug, als ich langsam ausatme, denn ich sehe, dass sie eine Gänsehaut bekommt. Ich wage es kaum mich zu bewegen, als Cara sich langsam zu mir umdreht. Endlich sieht sie mir in die Augen und ich erkenne, dass sie meerblaue Augen hat, in denen ich mich fast verliere.
,,Hey" - meine Stimme klingt rau und ich räuspere mich, bevor ich weiterrede.
,,Ich denke,wir sollten vielleicht mal mehr als 10 Minuten miteinander reden..."
Ich werde sie nicht darauf ansprechen, weswegen sie wirklich im Krankenhaus war, denn anscheinend hat Dr. Brown ihr erzählt, dass ich sie beim Blutabnehmen lassen gesehen habe, sonst wäre sie mir ja nicht die ganze Woche aus dem Weg gegangen und das weist darauf hin, dass sie mit mir nicht darüber sprechen will.
,,Ähm, klar?" - das klang eher wie eine Frage und dazu sieht sie auch noch sehr nervös aus.
,,Wie alt bist du eigentlich?" - frage ich interessiert.
,,Achtzehn. Und du?"
Wow, Achtzehn. Ich hatte es zwar in Rom schon mal vermutet gehabt, dass sie 18 sei, aber es erschreckt mich doch ein bisschen, dass sieben Jahre zwischen unserem Alter liegt.
,,Fünfundzwanzig. Das heißt aber, dass du schon mit der Schule fertig bist oder?"
Ich lenke das Thema auf etwas Anderes, da ich den Schock in ihren Augen sehe und ich keine Lust habe über unseren Altersunterschied zu reden.
,,Jein. Eigentlich wäre ich schon fertig mit der Schule, aber ich gehe auf eine Musikschule, auf der man bis 21 unterrichtet wird."
Echt? Sie geht auf eine Musikschule. Das hätte ich jetzt irgendwie nicht erwartet.
,,Echt? Kannst du irgendwelche Instrumente spielen? Warum wolltest du nicht auf eine normale Highschool?"
Diese Frage ist anscheinend genau die Richtige gewesen, denn ihre Augen fangen an zu Strahlen, als sie beginnt zu erzählen.
,,Ja, ich spiele Klavier, Gitarre und Ukulele. Und ich gehe auf eine Musikschule, weil Musik für mich sehr wichtig ist. Musik bedeutet so viel. Wenn es zu still ist, dann füllt Musik die Stille am besten. Musik kann unsere Gefühle verändern. Wenn wir traurig sind und wir die richtige Musik hören, kann sie Glückshormone in uns hervorrufen. Das alles fasziniert mich. Ich bin zwar nicht so ein Mensch, der die ganze Zeit nur singend herumläuft und sagt, dass Musik alles für einem wär, aber sie ist einfach beeindruckend. Und auch das, was sie mit uns anstellt. Oh, entschuldige. Ich rede zu viel. Bei sowas muss man mich unterbrechen, wenn ich zu viel labere."
Ihre Wangen verfärben sich rosig und es schleicht sich ein Lächeln auf ihre Lippen, doch im nächsten Moment kaut sie auf ihnen herum. Sie schaut nach unten auf ihre Schuhe. Anscheinend schämt sie sich dafür, doch ich fand es einfach nur schön, zu hören, wie sie von etwas so schwärmt.
Ich hebe ihr Gesicht leicht mit meinen Daumen und Zeigefinger unter ihrem Kinn.
,,Entschuldige dich nicht nochmal dafür, dass Musik deine Leidenschaft ist und du deswegen so von ihr schwärmst. Hörst du?"
Sie nickt langsam und ich sehe, wie sie schluckt, während sie mir immer noch in die Augen guckt, doch ich reiße mich von ihren Augen los, als die Klingel ertönt.
Immerhin ist das hier meine Hausparty, weil ich mehr Leute kennenlernen wollte und vielleicht auch ein bisschen, damit ich Cara wieder sehe. Also sollte ich mich möglicherweise jetzt mal um meine Gäste kümmern. Ich mache den Kingleys auf und kümmere mich danach um das Essen. Ich habe ein paar Sachen selbst gemacht, weil ich gerne Koche und wie es bei einem Arzt eben ist, esse ich auch gerne gesund. Aber das meiste vom Essen hat eine gute Freundin von mir gemacht, die hier in Los Angeles ein Restaurant auf gemacht hat und ich wollte sie ein bisschen unterstützen und habe sie deswegen engagiert.
Nachdem dann alle Nachbarn da sind, setzten wir uns draußen an die lange Tafel und fangen an zu essen und uns zu unterhalten.
Cara sitzt etwas entfernt von mir, weswegen ich das Gespräch von vorhin nicht wieder aufgreifen kann, dafür sehe ich sie aber jede Sekunde, in der ich nicht gerade esse oder mich mit jemanden unterhalte, an.
Und so vergeht der Abend. Cara, ihr Bruder und ihre Tante gehen relativ früh. Ich verabschiede mich von ihnen und sehe Cara hinterher. Ich wünschte sie würde sich nochmal umdrehen. Im nächsten Augenblick dreht sie sich wirklich um, wie als hätte sie meine Gedanken gelesen. Ich schaue sie an und erwidere das Lächeln, das sie mir schenkt, bevor sie in ihr Haus hineingeht und die Tür hinter sich schließt.
Ich denke, dass das ein guter Anfang war. Ich werde auf jeden Fall nicht aufgeben ihr näher zu kommen, auch wenn sie sieben Jahre jünger ist, wirkt sie sehr reif auf mich. Deswegen ist es mir egal, wie alt sie ist. Es geht darum, was zwischen uns ist und was sich noch entwickeln könnte.
So das war jetzt ein etwas längeres Kapitel. Dieses Kapitel war ein bisschen tief sinniger. Wie findet ihr es? Schreibt gerne Kommentare.
LG Sophie

DU LIEST GERADE
You and Me, Forever
Romance,,Aua! Pass doch auf, wo du hintrittst! Geht's noch?" - schimpft Cara wütend. Sie schaut hoch und sieht einen sehr gutaussehenden Junge. ,, Sorry, war nicht mit Absicht. Hey, glaubst du an die Liebe auf den ersten Blick, oder soll ich dir nochmal a...