Kapitel 6

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Die Tage vergingen im Schneckentempo. Meine Tage sahen immer gleich aus. Morgens wurde ich mit den anderen Stuten von den Pferdeschlägern auf die Koppel gebracht, und kurz darauf wurde ich von den Pferdeschlägern abgeholt und auf eine steinige Fläche gebracht, die von den Pferdeschlägernbauten umrandet war. In den ersten Tagen wurde ich oft von bestimmten Pferdeschlägern abgetastet und bekam merkwürdige Gegenstände in meine Haut gedrückt. Nachdem dies einige Tage passierte, wurde ich zu dieser Zeit immer auf eine sandige Fläche gebracht, bekam andere Gegenstände ums Gesicht geschnallt und durfte im Kreis an einer langen Liane entlang laufen, während die Pferdeschläger Geräusche machten. Nach einer halben Ewigkeit Laufen wurde ich in meinen Holzraum gebracht, wo die Pferdeschläger mir geschmackloses, getrocknetes Gras hingelegt hatten. Das war meine Zeit, die ich alleine war. Denn während ich frei hatte, hatte Minerva Springtraining und auch die anderen Stuten waren allesamt unterwegs. Diese Zeit nutzte ich meistens um über meine Vergangenheit nachzudenken. Viele Fragen gingen durch meinen Kopf. Wie weit ist Nick so? Wird er mich fangen? Was werde ich machen, wenn ich aus dem Pferdeschlägerstall raus bin? Und was ist, wenn dies nie passieren wird? Aber die größte Frage war: Was macht Max aktuell?

Nach der langsamen Zeit in dem Holzrahmen, wurde ich wieder auf die Stutenweide gebracht. Dort traf ich meistens alle meine Bekannten vom Stall.

Heute war ich mit Polenia, der kleinen Pintostute unterwegs und unterhielt mich mit ihr. ,,Wie ist das so in der Wildnis?", fragte sie neugierig. Ich seufzte und schaute die wilde Islandstute an. Ihre voluminöse Mähne wehte elegant im Wind. Manchmal fragte ich mich schon, ob sie die lange Mähne nicht stört. ,,Nun, ich habe nie was anderes erlebt. Für mich war das selbstverständlich. Ich sehnte mich deswegen immer nach mehr ...." Ich führte eine Denkpause ein, die Polenia dafür nutzte, mich weiteres zu fragen: ,,Lässt du viel zurück?" Ich schaute sie verwirrt an:,,Wie meinst du das? Wie gesagt, ich bin gerade von meiner Herde geflüchtet." Sie antwortete mit einem arrogantem Unterton: ,,Nun, die Pferdeschläger trainieren meine Tochter, weshalb ich sie nicht oft sehe. Aber ich tu es manchmal. Und diese Momente genieße ich mit voller Freude. Denn als hübsches Islandpony bin ich sehr gefragt. Die Pferdeschläger wollen meine Gänge sehen oder sogar währenddessen auf meinem Rücken sein. Mein größter Traum würde in Erfüllung gehen, wenn ich jemals die Welt hinter diesem Zaun sehen könnte." Sehnsüchtig schaute sie in den dichten Wald. ,,Wenn ich darüber nachdenke, bekomme ich jetzt schon einen Adrenalinkick." Ich nickte und schluckte. Polenia und ich hatten ganz andere Lebenseinstellungen. Ich blickte sie an: ,,Nein, ich lass nicht viel zurück. Außer meinen Kumpel Max, meinen Exfreund. Er hat aus Liebe zu mir die Herde verlassen und ist mir hinterher gelaufen..... Ich frag mich die ganze Zeit, was er macht und wo er steckt.... Ich meine, es ist schon eine halbe Ewigkeit vergangen." Polenia nickte ernst: ,,Du bist schon einen Mond hier.... Ich denke, dass die Pferdeschläger nicht mehr lange warten werden und dich mit dem Shagya-Araber decken werden, so wie es Acapella gesagt hat....." Ich wieherte. Ich wollte das nicht. Aber auch Minerva hat es ja prophezeit. Und diese Stuten haben mehr Ahnung von Pferdeschlägern als ich. Polenia und ich sahen die anderen Stuten auf uns zu kommen. Sie nickten mir zu und wieherten:,,Gehen wir weiter trainieren?" Ich nickte. Im letzten Mond habe ich viel Springtraining mit Minerva und Acapella gemacht. Acapella ist ein Schulpferd, wird aber auch fürs Springtraining eingesetzt. Und wenn die beiden nicht da waren, trainierte ich mit Safira meine Kondition. Das Konditionstraining fand häufiger statt als das Springtraining, da das Konditionstraining wie normales Laufen bei den Pferdeschlägern aussieht. Aber es ist um einiges mehr. Nur mit Luna, der Haflingerstute, konnte ich mich nicht anfreunden. Wir gingen zu einer Stelle die nicht in der Sichtweite der Pferdeschläger war und ich fing an zu trainieren. Während dem letzten Mond habe ich schon ein gewaltiges Stück höher springen gelernt. Ich war schon stolz auf mich, aber ich konnte immernoch nicht hoch genug springen, um über den Zaun zu kommen. Gleichzeitig merkte ich auch, dass die Zeit tickt. Denn auch die Pferdeschläger sahen im Training Fortschritte, auch wenn ich mir Mühe gab, nicht zu viel zu lernen und viele Fehler zu machen. Es war eine psychische Sabotage. Die Pferdeschläge waren nicht dumm. Ich aber auch nicht. Trotzdem schafften die Pferdeschläger mit jeder Stunde mich etwas zu überwinden. Zwar nicht viel, aber der Tag des Deckens näherte sich. Wieder ziemlich lange trainierten wir und ich machte heute einen ziemlich großen Fortschritt. Mir fehlten nur noch einige Zentimeter, bis ich den Zaun überspringen könnte. Konzentriert und fokussiert trainierte ich und Minerva lobte meinen Fortschritt. Plötzlich erstarrten Minerva und Acapella und blickten Richtung Wald:,,Da steht ein Hengst! Ein Wildhengst!" Ich blickte auf und schaute in Max Augen. ,,Max!" Ich brach mein Training ab und lief zum Zaun. Max lächelte mich an. ,,Da bist du ja endlich! Du hast aber abgenommen, Süße." Ich lehnte meinen Kopf über den Zaun, indem ich meinen Hals streckte. Ich leckte ihm über das Gesicht. ,,Wie geht es dir, Max? Was hast du in den letzten Wochen gemacht?" ,,Nach dir gesucht!" „Die Pferdeschläger wollen mich mit einem riesigem Hengst decken lassen. Sie bereiten mich darauf vor. Ich muss schon davor fliehen. Deswegen übe ich mit den Mädels hier das Springen und meine Kondition. Ich habe dich vermisst, Max. Sehr sogar." Er nickte und lächelte mir zu: ,,Ich dich auch." Er runzelte die Stirn und blickte auf die Weide. Die anderen Stuten standen angespannt in Reih und Glied und musterten Max mit großen Augen. „Haben die anderen Stuten denn Angst vor mir? Wissen sie nicht, dass ich nur Augen für dich habe? Und sei es nicht so, würde ich auch keiner Fliege was zu leide tun!" Max seufzte, während ich ihm erklärte, dass die Mädels keinen Kontakt zu Hengsten haben und wenn dann werden sie nur von ihnen gedeckt. ,,Ich werde dich beschützen. Ich werde hier im Wald übernachten und tagsüber so viel Zeit wie möglich mit dir verbringen, bis du in der Lage bist über den Zaun zu springen. Ich habe die Umgebung hier gecheckt und ich weiß, wo wir als nächstes hinmüssen." Er grinste mir schelmisch zu und ich nickte. ,,Du musst aber Acht vor den Pferdeschlägern geben. Nicht, dass du hier auch noch hinkommst." ,,Ei,Ei, Ma'am." Ich lachte und drehte den Kopf. Er wird mit jedem Tag noch selbstbewusster und einen Teil mehr unverschämter. Ich leckte ihm nochmal über das Gesicht und drehte mich zu den anderen Stuten, die anfingen, mich über unsere Beziehung ausfragten.

mal wieder zu spät🙈

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