Kapitel 5

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,,Beruhige dich, Sarah!", rief mir Minerva zu. Ich schüttelte den Kopf:,,Ich möchte in die Freiheit! Ich möchte hier nicht gefangen sein. Ich möchte einen Ort finden, wo ich frei bin! Wo ich einer Herde angehören kann, wo ich einen Gefährten habe und wo ich dann meine Fohlen aufziehen kann. Und wo bin ich? In einem Stall. In einem Pferdeschlägerstall! So eine Schande!" Minerva schaute mich verletzt an:,,Ich kann dich verstehen, Sarah. Aber das heißt nicht, dass du ausflippen darfst. Wir brauchen einen Plan und Geduld. Du gehörst hier nicht hin. Das ist mir bewusst. Komm, trab mal und gehe dann in den Schritt über, dass wird dich beruhigen." Ich parierte durch und es beruhigte mich wirklich. Schließlich trabte ich brav neben Minerva her.,,Mmh,Minerva?! Wie ist es denn so für dich hier zu leben?" Minerva starrte mich überrascht mit großen Augen an.,,Jaja, ich weiß",schnaufte ich etwas leiser, ,,es kommt gerade seltsam. Aber es interessiert mich irgendwie." Minerva schaute mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten konnte. Ihre braunen Augen durchlöcherten mich:,,Naja,ich kenne es nicht anders. Was soll ich sagen. Ich dachte immer, dass die Chance, dass es Wildpferde gibt, sehr gering ist. Ich habe eines der besten Lebensstandarten. Als Turnierpferd wird man nämlich sehr stark gepflegt und hat viel Freiheit, im Gegensatz zu anderen Pferdearbeiten. Sogar das Springen macht mir sehr viel Spaß. Das ist nicht jederpferdsache. Wäre ich ein Zirkus-,Unterricht-,Kirmes-,Arbeits-, Zuchtpferd oder einfach ein Pferd, das von morgens bis abends in einer Box steht, wäre mein Lebensstandart nicht so gut. Alle diese Pferdeberufe sind auf seiner Weise schlimm und ein Turnierpferd hat tatsächlich am wenigsten Nachteile. Aber seit ich dich gerade gesehen habe, wie du so unglücklich in der Box gescharrt hast und wie du jetzt auf der Weide voller Energie bist, bin ich etwas nachdenklich geworden. Ich denke jetzt, dass es noch einen Schritt besser als Turnierpferd gibt. Ein Geheimnis wurde gelüftet. Für uns alle Stallpferde....." Sie schaute in die Ferne. Ich folgte ihrem Blick, musste aber ein bisschen den Hals recken, um auf ihre Größe zu kommen. Weiter vor uns, im Tal, auf der Koppel stand eine kleine Stutenherde aus Maximal zehn Stuten in allen Möglichen Farben und Größen.,,Da du jetzt nicht so schnell aus dem Pferdeschlägerhof raus kommst, würde ich dich den anderen Stuten vorstellen.", schlug Minerva vor. Ich nickte, während Minerva angaloppierte. Ich tat es ihr gleich, hatte aber Mühe ihr Tempo zu halten. Ich sollte mir eine Scheibe von ihr abschneiden, wenn ich zurück in die Freiheit wollte. Ich prüfte den Zaun. Das braune Gestell würde mir ungefähr bis zum Widerrist gehen. Das würde ein hoher Sprung sein. Minerva würde das garantiert als ausgebildete Springstute schaffen. Ich fragte mich, wieso die braune langbeinige Stute dies noch nicht getan hat. Vielleicht wollte sie das nicht, weil sie Angst gehabt hatte, dass es keine Wildpferde gibt und sie dann ohne Herde da stehen würde. Ich keuchte. Schließlich waren wir bei den Stuten. Ich schaute sie mir genauer an. Mir fiel sofort eine etwas kleinere Pintostute auf. Sie ging mir mit dem Kopf höchstens bis zur Schnauze. Sie und drei andere Stuten drehten sich nach mir um und musterten mich mit einem misstrauischem Blick. Die anderen Stuten nahmen mich nicht wahr. Eine Palomino Stute,mit einer breiteren Gestalt schaute Minerva am meisten misstrauisch an:,,Äh, wen hast du dort,Mi? Diese Stute riecht weder nach Turnierpferd noch nach Zuchtpferd. Was macht sie hier." Ihre Augen wanderten über meinen Körper und der angeekelte Blick lag noch immer in ihren Augen. Ich fühlte mich total unwohl in ihrer Gegenwart. Im Gegensatz zur Minerva war diese Stute total unsympathisch. ,,Lou",schnaufte Minerva, ,,Sarah ist kein Abschaum. Sie ist ein Wunder." Minerva schaute mir lächelnd in die Augen, während ich ein Auflachen von Lou hörte:,,Ein Wunder?! Sie ist ganz bestimmt nicht ein solch gutes Rennpferd wie Safira oder solch ein gutes Gangpferd wie unsere Süße Polenia. Und sie ist auch nicht so erfolgreich wie du, Mi." Der verhasste Blick von Lou wurde nicht sanfter. Aus dem nichts Kommentierte Minerva:,,Wovor hast du Angst, Lou? Wovor hast du Angst, dass du so wütend bist? Ja, sie ist kein Turnierpfer. Und auch kein Zuchtpferd. Aber sie ist ein Wunder. Ein Traum. Sie hatte die Ehre, als Wildpferd geboren zu werden...." Minerva schaute Lou mit einem ruhigen, respektvollen Blick an, während Lou und die anderen Pferde die Luft anhielten. ,,Nein....", sagte die große Rappstute. ,,Es gibt keine Wildpferde." Obwohl ich bis jetzt gar nichts gesagt habe, nahm ich mich selber jetzt in Schutz: ,,Es gibt Wildpferde. Ich bin von meiner Herde geflohen mit einem Freund, doch dann bin ich von den Pferdeschlägern gefangen worden. Versteht ihr? Jetzt bin ich hier in so einem Mi....." Minerva schaute mich wieder mit so einem verletzte Blick an, weshalb ich nicht weitersprach. Die vier Stuten schauten mich an, als wäre ich ein Geist. Ich seuftzte. ,,Auch wenn es ein seltsamer Anblick ist, bitte ich zumindest um ein bisschen Akzeptanz und Respekt. Ich bin hier von den Pferdeschlägern gefangen worden. Es ist eine große Umstellung für mich. Und ich bitte euch um Hilfe. Vielleicht schaffe ich es irgendwann mal, hier zu fliehen. Aber dafür müsste ich...." Ich schluckte und schaute auf den Zaun, der die Weide umrundete. ,,einen großen, für dich ungewohnten Sprung wagen.", beendete Minerva den Satz. Die Stuten nickten. ,,Wir können dir helfen. Aber das Training ist hart. Außerdem müssen wir auf die Pferdeschläger achten und dürfen nur in Momenten trainieren, wo sie uns nicht beobachten.", sprach Polenia für alle. Die kleine Islandstute sah zwar am meisten selbstbewusst und elegant aus, aber ich konnte sie mir nicht als Springpferd vorstellen. Die Stuten sahen zwar immernoch größtenteils misstrauisch aus, aber sie machten mir schon einen sympathischeren Eindruck. Acapella, eine Stute in meiner Größe, ging auf mich zu. Sie war braun und hatte am hinteren Teil ihres Körpers viele kleine und große weiße Punkte. Im Großen und Ganzen sah sie ziemlich ruhig aus. Sie stupste mich mit ihren Nüstern an und wieherte: ,,Sarah, ich möchte dich ein bisschen besser kennenlernen. Außerdem möchte ich dir was zeigen." Sie schaute mich mit einem eher zurückhaltendem Lächeln an und lehnte ihre linke Flanke leicht an meine rechte Schulter, um mir den Weg zu zeigen. Ich schaute nach links und sah nur eine weite, hügelige Graslandschaft. Man kann ja sagen was man will, aber die Pferde von den Pferdeschlägern bekommen genug Platz zum Rennen. Schließlich fing hier die eine Hälfte der Weide an. Ich lächelte vor mir hin und galoppierte gemeinsam mit Acapella an. Endlich konnte ich mich zumindest etwas entspannen. Ich spürte wie meine Muskeln arbeiteten als ich durch das Moor flog. Diesmal konnte ich das Tempo halten, da Acapella einer ähnlichen Größe war wie ich. Doch plötzlich stoppten wir. Wir sind den Mooshügel hinuntergaloppiert und der Zaun war wieder da. Okay, ich nimms zurück. Hinter dem Zaun war eine andere Weide. Nur dort standen gute fünf Hengste und Wallache. Ich schaute sie mir an und schluckte. Allesamt waren um einen Kopf größer als Max. Acapella deutete mit dem Kopf auf die männlichen Pferde und sprach in einem leisem Ton: ,,Der  Shagya Araber Hengst ist aktuell das Deckpferd das von den Pferdeschlägern eingesetzt wird. Ich bin auch mal von ihm gedeckt worden, weshalb er der Vater von meinem Sohn ist." Sie deutete auf einen Hengst, etwas größer als sie. Er hatte hellbraunes Fell und eine dunkle Mähne und Schweif. ,,Seine Deckzüge sind hart und er lässt dir kaum Luft. Nachdem Deckakt hatte ich erst Lungenprobleme." Sie schaute mich mit riesigen Augen an. Ich nickte ihr zu, aber fragte dann: ,,Wieso erzählst du mir dies denn?" Acapella schaute in die Ferne und sagte. ,,Nun, weil ich das Gefühl habe, dass die Pferdeschläger vor haben dich mit ihm zu decken." Entsetzt schaute ich Acapella an. ,,Nein, das kann doch nicht wahr sein!"

etw. verspätet 😅

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