Kapitel 13

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„Hey, Kleine". Max schnaubte mir leise ins Ohr und leckte mich über meine Nüstern. Ich öffnete meine Augen und schaute ihn verschlafen an. Max hellbraunes Fell leuchtete im Sonnenaufgang. Glücksgefühle überfluteten mich, als mir einfiel, dass Nick besiegt war. „Bist du bereit, mit mir unser zukünftiges Wohnort zu suchen?" Ich nickte. Die Stelle wo wir geschlafen haben, war schon schön. Die Bäume waren zwar nicht zahlreich vertreten, sie waren aber trotzdem genügend da, um Schutz zu bieten. „Woher wollen wir wissen, wo der perfekte Ort ist, Max? Er könnte doch hier sein?" Max schüttelte den Kopf: „Die Blumen werden uns schon Bescheid geben. Sie haben bestimmt einen Ort für uns ausgesucht, wo es auch mehr Pferde gibt." Ich schluckte: „Wir brauchen doch nur uns...." Max runzelte die Stirn, sagte aber nichts mehr dazu. „Komm wir gehen. Sieh es als kleines Abenteuer, jetzt wo Nick besiegt ist." Max lächelte und leckte mir übers Ohr. Ich schmunzelte und nickte. Max hatte ja recht. Als Herdentiere brauchen wir logischerweise eine Herde. Und hier gab es weit und breit keine Pferde. Max schmiegte sich an mich und wir gingen los, diesmal in Richtung Norden. Der Wald wurde dichter und dunkler. Die Dunkelheit regte mich zum Nachdenken an. Was wohl Lucy gerade machte? Werde ich sie jemals wiedersehen? Ist sie glücklich? Ich seufzte, denn ich wusste, dass mir diede Fragen niemals beantwortet werden würden. Das Geräusch regte Max Aufmerksamkeit an. Er schaute mich mit schiefgelegtem Kopf an und seine Augen glänzten Neugierig. „Worüber denkst du nach, Süße?" „Ich frag mich, wie es Lucy geht. Ob wir sie jemals wiedersehen werden. Ich vermisse sie, weißt du. Es ist einfach unerträglich zu wissen, dass ich sie nie wiedersehen werde....." Ich seufzte nochmal theatralisch und blieb stehen. Max lehnte sich an meine Schulter und schwieg. Wir saßen dort so lange, bis mir die Tränen kamen. „Warum weinst du denn?" „Wegen Nick mussten wir unser sicheres Leben umkrempeln. Wir haben einfach alles verloren. Die Sicherheit, die Liebe und die Gesellschaft. Das einzige was uns übrig geblieben ist, sind wir selbst.... Und ich hab keine Lust mehr darauf. Ich will zurück." Max schluckte laut und musterte mich langsam: „Sarah... Es macht keinen Sinn, sich auf das Vergangene zu konzentrieren. Wir müssen jetzt einfach versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Wir haben uns selbst und uns gegenseitig. Zusammen sind wir unschlagbar, ganz egal, was mal war. Und nur wenn wir jetzt die Zähne zusammenbeißen, können wir für unsere Zukunft sorgen. Wir suchen uns eine Herde, an einem Ort den wir mögen. Und bis dahin halten wir uns an uns gegenseitig fest. Verstehst du, Sarah?" Max schaute mir in die Augen und mir lief ein Schauer über den Rücken. „Ich lass dich nicht los. Niemals." Er schaute mir tief in die Augen und ich nickte. Darauf küssten wir uns. Innig. Liebevoll. Vertraut.

Nach einem wunderschönem Deckakt, der zärtlich und stürmisch gleichzeitig war, schliefen wir beide aneinander gelehnt im Schutz von mehreren Büschen ein.

Der mit Wolken bedeckte Himmel ließ unsere Stimmung nicht besonders gut sein. Seit Längerem hat es nicht mehr geregnet, um ehrlich zu sein, hat es zuletzt geregnet, als ich bei den Pferdeschlägern war. Es war zwar gut, dass es wieder regnen würde, aber es war so als würden die Blumen sauer auf uns sein, dass wir Nick getötet haben und jetzt weitergehen wollten. Wir gingen trotzdem weiter, denn Max bestand darauf, dass wir versuchten so schnell wie möglich an einen geeigneten standhaften Ort zu kommen. Mit dem Ziel im Blick trabten wir fokussiert in den Norden durch den dichten Wald. Mittlerweile waren vereinzelnde Birken und Weiden zwischen den ganzen Nadelbäumen. Diese brachten uns etwas Hoffnung, denn Max und ich wollten nicht in einem Nadelwald leben. Der Boden dort war nämlich immer fürchterlich stachelig. Am liebsten wollten wir in einem Mischwald leben. Mit Flüssen und Wiesen. Mittlerweile bildeten sich Pfützen zwischen dem Rindenmulch, dem Moos und den Farnen. Max war schon komplett nass, was ziemlich heiß an ihm aussah. Ich beobachtete ihn und er zog seine Mundwinkel leicht arrogant nach oben. Dann drehte er sich zu mir und murmelte: „Macht dir die regnerische Wanderung Spaß? Denn du guckst so glücklich und entspannt!" Sein Blick verwandelte sich in ein Deckblick und ich blieb stehen. „Ehm... Max... Äh... Ja mir geht es gut....", stotterte ich, „es war gestern gut, keine Frage. Aber... wir müssen weiter." Max runzelte die Stirn und ich galoppierte an. Vielleicht würde ein schnelleres Tempo ihn auf andere Gedanken bringen. Wir liefen etwa eine halbe Ewigkeit Richtung Norden, bis wir irgendwann das Ende von dem Wald sahen. Je näher wir ans Ende kamen, desto mehr Laubbäume gab es. Als wir aus dem Wald rauskamen, parierten wir ins Schritt. Vor uns lag eine größere Wiese, die auf einen Hügel führte. Wir schauten uns an und Max flüsterte laut, um den Regen zu übertönen: „ Wenn hinter dem Hügel nichts ist, ist das vielleicht unser Ort." Ich zweifelte zwar daran, da wir hier immer noch kein Pferd weit und breit gesehen haben und hier außerdem eine Süßwasserquelle fehlte, aber ich zuckte dennoch mit den Schultern. Wir haben diesen Ort noch nicht gut genug erkundet, um diese Faktoren auszuschließen. Max schritt voran und wir gingen im schnellem Schritt den etwas steileren Hügel rauf. Meine Gedanken schweiften währenddessen immer wieder ab. Wenn es der Ort war, den wir seit mehreren Monden suchten, dann würde ein Traum in Erfüllung gehen. Dann hätten wir keinen Stress mehr und wir wären endlich Zuhause. Wir müssten uns nicht immer spontan ein Lager suchen, sondern hätten immer ein Schlafplatz. Und wir hätten immer frisches Gras. Ich schaute auf die Blätter die an den Laubbäumen hingen und an das frische Gras am Boden, das aktuell wegen dem Regen noch schön duftete. Ich schüttelte mich kurz, um vielleicht etwas mehr Wärme speichern zu können. Der Regen war aber so stark, dass ich ein paar Wimpernschläge später wieder nass wie ein Fisch war. Max stand schon fast an der Hügelspitze, ich versuchte ihm hinterher zu kommen. Seine Schritte waren aber furchtbar schnell. „Warte doch auf mich...", keuchte ich und Max blieb stehen und runzelte die Stirn: „Ich fürchte, dass wir hier nicht leben werden können." Ich kniff die Augen zusammen und als ich am Ende des Hügels ankam, wusste ich, wieso Max so verärgert war. Ach du heilige Butterblume!

Pferde der WildnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt