Kapitel 7

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Ich zerrte in die entgegengesetzte Richtung, aber es war sinnlos. Die Pferdeschläger haben mir was kantiges an den Hals gegeben und mir kurz darauf jede Menge Lianen ums Gesicht geschnallt. Jetzt gehen sie zu viert neben mir her und versuchen mich zu beruhigen und gegen meine Kraft anzukommen. Ich wieherte und bäumte mich auf, aber die Kräfte ließen nach. Das liegt wohl an dem Gegenstand das an mein Hals gedrückt worden war oder an den vielen Lianen. Die Zweibeiner führten mich neben mehreren Bauten her und über viele verschiedene Wege. Schließlich kamen wir an einem Ort an, wo der Boden mit grauen Steinen belegt war, die an einer Wiese grenzten. Rundherum war ein Zaun, der zum Wald führte und vor dem Zaun stand ein größerer Holzbalken, wo noch weitere bunte Lianen hingen. Die Zweibeiner zerrten mich mit voller Wucht zu dem Balken und befestigten mich daran. Das gefiel mir gar nicht. Ich bäumte mich auf, doch die Lianen um meinen Kopf waren so stabil, dass sie einen ziemlich heftigen Widerstand entwickelten. Doch ich hörte auch ein leises Ziehen oben an meinem Ohr. Ich knallte schmerzvoll mit meinen Hufen auf den Boden und zuckte zusammen. Doch so schnell ließ ich mich nicht geschlagen und wiederholte den Vorgang einige Male. Zwar verließen mich mit jedem Aufbäumen die Kräfte ein wenig, aber das Seil war am Reißen. Die Pferdeschläger versuchten mich erfolglos zu beruhigen, indem sie merkwürdige Laute von sich gaben, aber ich ignorierte sie gekonnt. Es musste klappen. Als ich dann doch irgendwann eine Pause machte, um neue Kräfte zu entwickeln, pfiff ein Pferdeschläger und ein weiterer dieser Spezies kam an. Aber nicht alleine. In seinen Händen hielt er eine Liane die verbunden war mit einem Pferd. Mit dem weißen Shagya-Araber. So wie es die Stuten prophezeit haben. Panik brach in mir aus und ich versuchte mich weiter aufzubäumen. Der Hengst hob arrogant seinen Kopf und flüsterte: „Wenn haben wir denn da hübsches? Doch nicht etwa... die heiße Wildstute. Ich werd verrückt. Somit habe ich wohl die Wette gewonnen, die ich mit den Jungs geschlossen haben." Er musterte meinen Körper und mir lief ein Schauer über den Rücken. Ich wieherte noch einmal entschlossen, und die Liane um meinen Körper riss. Sie hing jetzt nur noch über meinen Ohren, sodass ich sie irgendwie los werden musste. Die Pferdeschläger riefen weitere dazu, um mich zu beruhigen und mir eine andere Liane umzubinden. Der weiße Hengst grinste arrogant und wieherte: ,,Das nennt man Stärke." Die Pferdeschläger bei ihm waren mehr auf mich konzentriert und so konnte er mit Leichtigkeit sich losreißen. Er näherte sich mir schnell, während ich versuchte, die Liane von meinen Ohren wegzukriegen und gleichzeitig die Pferdeschläger von mir wegzustoßen. Als der Hengst schließlich zu mir kam, wartete er einen Moment, griff sich in meiner Mähne fest und hob seine Vorderbeine fest vom Boden ab. Erstaunt hörten die Pferdeschläger auf, mich festhalten zu wollen , und entfernten sich ein paar Pferdesprünge. Die Panik wurde größer und als ich die Haut von dem Hengst leicht auf meiner Spürte, rief ich nach den Stuten und nach Max und bäumte sich mit der größten Wucht auf, die ich aufbringen konnte. Die Pferdeschläger schauten erstaunt und geschockt auf und der Hengst fiel von meinem Rücken. Außerdem fiel durch die Wucht auch die seltsame Ranke von meinen Ohren. So schnell ich konnte lief ich auf den Zaun zu, der Freiheit bedeutete. Ich habe es noch nie versucht über einen Zaun zu springen, aber mein hartes Training der letzten Wochen muss sich einfach auszahlen. Ich schloss kurz die Augen und intensivierte meine Galoppsprünge. Im Hintergrund hörte ich die Pferdeschläger rumschreien und den Hengst fluchen, aber ich versuchte den Lärm zu ignorieren. Ich galoppierte schneller und sprang schließlich, eine halbe Pferdelänge vor dem Zaun ab. Ich brachte soviel Kraft in den Sprung, die ich noch übrig hatte. Ich flog über das Holz. Es war sehr knapp und meine Hinterhufe schleiften leicht darüber, aber als ich dann auf der anderen Seite ankam, war ich das glücklichste Pferd auf Erden. Ich schnaufte auf und lief so schnell ich konnte in den Wald raus. Ich musste Max finden. Ich galoppierte über das fluffige Moos und fühlte mich wieder geborgen. Es war eine lange Zeit, die ich nicht mehr hier war. Mein Gehirn arbeitete schon an der Verdrängung wegen dem Fast-Deckakt mit dem weißen Hengst. Nach einer bestimmten Zeit Galopp verlangsamte ich meinen Gang und entspannte mich etwas. Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, dass ich mich von den Stuten nicht verabschiedet habe. Ich hoffte, dass sie es mir nicht übel nahmen und das sie wussten wie dankbar ich für deren physische und psychische Unterstützung war. In regelmäßigen Abständen rief ich nach Max. Ich lief lange durch den Wald, bis es anfing zu dämmern. Ich seufzte. Er musste doch hier irgendwo stecken. Ich legte mich unter einen Baum und schlug die Augen zu. Mit einem unwohlem Gedanken schlief ich dann schließlich ein.

Ich blinzelte,als ich aufwachte und spürte die Negativität von gestern Abend noch. Die Sonne blendete mich mal wieder und ich lächelte. Ich hatte meine Freiheit zurück. Ich wollte aufstehen und strecken. So drehte ich mich nach links und sah Max. Ich hielt die Luft an und lachte. Es war alles wieder gut. Ich leckte Max über die Ohren und zog seinen wunderschönen Duft ein. Er öffnete die Augen und sprach: ,,Die Stuten haben mir erzählt, dass du geflohen bist und im Wald sein musst. Deswegen habe ich dich gestern die halbe Nacht gesucht und gefunden." Er blickte mich mit einem erleichterten und sorgenvollem Blick an und sprach:,,Ich hab dich vermisst, Sarah. Herzlich willkommen, Zurück in der Freiheit." Ich schmiegte mich an ihn und er flüsterte mir noch leise ins Ohr:,,Deine Freundinnen wissen über deine Dankbarkeit Bescheid. Jetzt bist du in Freiheit und in Sicherheit. Denn jetzt wird uns nichts mehr trennen. Das verspreche ich dir." Und somit legte er seine Lippen auf meine und küsste mich. In dem Moment war mir klar, dass dies der schönste Moment in meinem Leben war. Und ich war mir jetzt meinen Gefühlen sicher. Denn die ungewollte Trennung brachte mir die Einsicht, dass ich Max liebte. Und das ich mein Leben mit ihm verbringen wollte.

Pferde der WildnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt