20.

67 7 0
                                    

Ruby

,,Ruby? Zeit fürs Frühstück!“, rief meine Mutter aus unserer Küche. Ich wollte noch nicht aufstehen. Mein Bett fühlte sich gerade so kuschelig an und Spencer hatte sich unerlaubterweise an meine Füße gelegt und sich unter meiner Bettdecke verkrochen. ,,RUBY?“, hörte ich Mum noch mal lauter rufen und ich gab mich letztendlich geschlagen. ,,Komm, meine Kleine“, sanft hob ich meinen weißen Labradorwelpen hoch und setzte ihn auf den Boden. Spencer war noch nicht lange bei uns. Meine Eltern hatten mir sie geschenkt als meine große Schwester Kiera uns verlassen hat, um auf ihre neue Schule, die Midnight Academy zu gehen. Seitdem hatte ich, zu meiner großen Enttäuschung, nur sehr wenige Male mit ihr telefoniert. Ihr schien es dort so gut zu gefallen, dass sie jetzt neue Freunde gefunden hat und mich nicht mehr brauchte. Trotzdem vermisste ich sie.

Nachdem ich meinen Pyjama gegen eine schwarze Jeans und ein rosa gemustertes T-Shirt ausgetauscht hatte, schlüpfte ich in die Küche, in der meine Eltern schon mit je einer Tasse Kaffee in der Hand auf mich warteten. ,,Bitte sehr, Kakao und Toast, so wie immer.“ Meine Mum stellte mir mit einem Lächeln auf den Lippen mein Frühstück vor die Nase und widmete sich gleich darauf Spencer, die nun Schwanz wackelnd vor ihr stand und schon sehnsüchtig auf ihr Essen wartete. Als dieses gleich darauf auf den Boden gestellt wurde, verschlang sie es in Windeseile, während ich meinen Toast erst zur Hälfte aufgegessen hatte. ,,Ich mach mit Spence einen Spaziergang!“, rief ich meinen Eltern zu, ehe ich mir die lila Hundeleine schnappte und meine Jacke anzog. ,,Vergiss nicht eine Mütze anzuziehen!“, warf mir meine Mutter noch hinterher, als ich schon fast aus der Tür heraus gegangen war. Ich wusste ohne Mütze würde sie mich zu dieser kalten Jahreszeit nicht gehen lassen, weshalb ich nochmals zurückging, um mir die grau gestrickte Wollmütze, die ich von Oma zu Nikolaus bekommen hatte, aufzusetzen. ,,Fertig! Komm. Spence!“ Fröhlich spazierte ich mit ihr die Straßen unserer Nachbarschaft entlang. In der Nähe gab es eine kleine Wiese, auf der ich schon einige Male mit ihr trainiert hatte. Bis jetzt konnte sie aber erst die Kommandos „Sitz“ und ,,Platz“. Als wir bei der Wiese ankamen, leinte ich sie ab, sodass sie ein bisschen herumspringen konnte – darüber  freute sie sich immer so sehr! Mum und Dad erlaubten zwar nicht, dass ich ihr die Leine während dem Spazierengehen entfernte – sie sei noch viel zu jung und ungehorsam dafür!- aber sie mussten schließlich nichts davon erfahren. Wer würde ihnen davon erzählen? Spencer? Das ich nicht lachte! Ich nahm ein Leckerli aus der Tasche, um sie gerade dafür zu belohnen, dass sie erfolgreich ,,Platz“ gemacht hatte, als sie auf einmal eine Katze in einem Gebüsch entdeckte und losrannte. ,,Nein! Spencer! Warte! Das ist doch nur eine dämliche Katze!“ Panisch rannte ich ihr nach und sah ihr dabei zu, wie sie die Katze verfolgte. Sie stürmte durch mehrere Blumenbeete, warf im Vorbeirennen einen Gartenstuhl um und hinterließ kleine Pfotenabdrücke in der Erde. Nun war ich auch schon ganz verdreckt von der vielen aufgewirbelten Erde, sodass Mum sicher sauer auf mich werden würde. ,,BLEIB  JETZT SOFORT STEHEN!!!“ Jaulend krümmte sich Spencer plötzlich auf dem Boden zusammen und ich hastete zu ihr, um zu sehen, was los war. Als ich sie berührte, durchfuhr mich ein elektrisierendes Gefühl. Meine Fingerkuppen kribbelten und ich fühlte mich, wie eine Steckdose – aufgeladen und gefährlich. Hatte ich Spencer einen Elektroschlag verpasst? Ich wusste nicht, dass ich zu so etwas fähig war – bisher hatte ich nur von meinen telekinetischen Fähigkeiten erfahren. Zum Glück war es nur ein leichter Schock gewesen, sonst wär sie noch viel länger auf dem Boden liegen geblieben.

Nun hatte ich sie wieder angeleint und Spencer hatte sich wieder aufgerappelt, um weiterzugehen. Für Mum und Dad musste ich mir jetzt nur noch eine Ausrede einfallen lassen für unsere dreckige Erscheinung. Spencer brauchte definitiv ein Bad – ihr weißes Fell war nun  braun von der Erde. Eins stand aber fest: So schnell würde sie keiner Katze mehr hinterher rennen. Also hatte meine elektrisierende Wirkung auf sie doch etwas Gutes gehabt.

AdventskalenderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt