Nachdem ich das Licht angeschaltet hatte, betrat ich den kalten Raum. Die Wände waren grau und die Regale nur spärlich bestückt, was meine Suche sicher erheblich vereinfachen würde.
Ich hatte gerade festgestellt, dass sich die Kekse nicht im Regal an der Tür befanden, als plötzlich das Licht ausging. Von draußen kam allerdings auch noch ein schwacher Lichtschein und so hielt ich es nicht für nötig, es wieder anzuschalten.
Diese Entscheidung bereute ich schon bald, als ich mir den Fuß an irgendetwas Spitzem anschlug. Fluchend balancierte ich auf meinem unbeschadeten und betastete den Verletzten.
So gut ich das beurteilen konnte, hatte ich keine Knochenbrüche davongetragen, aber vielleicht würden die Zehen blau werden. Da ich mit dem Rücken zur Tür stand, bemerkte ich auch nicht, wie sich mir jemand näherte und direkt hinter mir stehen blieb.
„Was machst du nur immer für Sachen?", fragte Jason amüsiert, weshalb ich fast einen Herzinfarkt bekam. Zum Glück konnte ich wenigstens den Reflex unterdrücken, ihn zu schlagen.
Stattdessen fragte ich verblüfft nach dem Grund für seine Gesellschaft. „Dem Intelligenzbolzen von einer Schwester ist aufgefallen, dass du gar nicht weißt, wo unsere Mutter sie Kekse versteckt."
Bei dem letzten Wort seines Satzes machte er Gänsefüßchen mit seinen Fingern und verdrehte die Augen. Meine Mutter versuchte bis heute, ein sicheres Versteck für die Süßigkeiten zu finden, die sie uns vorenthalten wollte.
Jedes Mal scheiterte sie an Simon, der bisher wirklich alles gefunden hatte. Er war nun einmal ein kleines Leckermaul, aber man sah es ihm wirklich nicht an, weshalb außer meiner Mutter auch niemand im Haus das Essen versteckte.
Ihre Begründung war seit Jahren dieselbe, und auch mit der Zeit wurde sie nicht besser. Aber sie wollte ja nur das Beste für uns, also verübelten wir ihr diese Aktionen nie.
Wenn sie sich allerdings weigerte, überhaupt Süßigkeiten zu kaufen, waren alle so lange sauer auf sie, bis ihr Versteck wieder gefüllt war. In der Not aß mein Bruder wirklich alles, das auch nur im Entferntesten süß war.
Als meine Mutter ihn mit der Tafel Kuvertüre erwischt hatte, war die Hölle losgewesen und bei der Aussage, dass er sich die 200 Gramm auf zwei Tage aufgeteilt hatte, war ich vor Lachen vom Stuhl gefallen.
Aber zurück zum Thema und das war die Suche nach den Keksen. „Also, normalerweise müssten sie hinter dem Gemüse versteckt sein, weil da nie jemand von uns suchen würde, aber in letzter Zeit, tut sie die Süßigkeiten immer hinter die Konservendosen. Frag mich nicht, was sie sich dabei denkt, sie überhaupt zu verstecken, ich meine viel unnötiger geht es nun ja wirklich nicht."
Tatsächlich wurden wir hinter den gestapelten Dosen fündig. In einer Glasschale befand sich eine Vielzahl an unterschiedlichen Keksen, von denen ich die meisten noch nie gesehen hatte.
Dennoch reichte der Geruch, um mir das Wasser im Mund zusammenlaufen zu lassen. Gerade wollten wir wieder zurück zu Kyle und Zoey, als die Tür ins Schloss fiel. Wir beide merkten nur, wie es plötzlich stockdunkel wurde und ein leises Klicken ertönte, aber da war es bereits zu spät.
In dem Moment wurde mir klar, woraus Zoeys Plan bestand und, dass ich niemals hätte zustimmen dürfen. Weder ich noch Jason bewegten uns, bis plötzlich eine weitere Tür zufiel. Entsetzt riss ich die Augen auf; das hatten sie nicht wirklich getan, oder?
Zumindest Kyle hätte uns doch helfen können, wo er doch nicht eingeweiht war. Aber nein, er machte sich jetzt einen schönen Tag mit Zoey, während sie mich und Jason im Keller versauern ließen.
Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit und ich konnte einen Schemen neben mir ausmachen, der wohl Jason war. „Liege ich recht in der Annahme, dass sie gerade gegangen sind, nachdem sie uns hier eingesperrt haben?"
Jason klang weniger wütend, als ich es war, aber vielleicht trog der Schein ja. Ich hielt mich nicht ganz so sehr zurück und stieß einige wüste Beschimpfungen aus. „Ganz ruhig, so schlimm ist es nun auch wieder nicht."
Er hatte gut reden, wo er laut Zoey doch schon einmal hier drinnen festsaß! Warum merkte ich mir so etwas eigentlich? Der Unterrichtsstoff blieb nie so einfach hängen, aber so irrelevante Dinge konnte ich natürlich behalten.
Ein Hoch auf mein Gehirn.
„Nicht so schlimm? Das ist schrecklich! Wer weiß schon, wann die beiden wiederkommen?" Ich war nahe eines hysterischen Anfalls, da meine Vorstellung schon ein ausgesprochen gruseliges Bild von meinem Leichnam in einer Ecke des Kellers hatte.
Zudem behagte mir die Tatsache nicht, dass Jason mich die letzten Wochen so ignoriert hatte und jetzt plötzlich wieder mit mir redete. Da sollte mal einer verstehen, was dieser Junge dachte.
„Spätestens in drei Stunden kommt mein Vater nach Hause, der uns im Notfall rettet. Oder wir rufen meine Mutter an und behaupten, der Wind hätte die Tür zugeschlagen. Andererseits müsste ich ihr dann erklären, was ich hier mache, also sollten wir das lieber lassen. Damit wäre aber auch die Option „Warten, bis mein Vater heimkommt" aus dem Rennen."
Jetzt war ich natürlich total beruhigt, wo ich doch nur drei Stunden hier drin herumsitzen sollte. Würde da nicht jeder einen Freudentanz veranstalten?
Obwohl ich ihn in der Dunkelheit nicht wirklich sehen konnte, schenkte ich ihm einen verzweifelten Blick: „Und was sollen wir machen, bis Zoey und Kyle zurückkommen? Falls sie das überhaupt tun?"
Ich hörte ein Rascheln und sah, wie Jasons Schemen entweder schrumpfte, oder sich hinsetzte. Letzteres erschein mir als sehr viel wahrscheinlicher, aber ich hatte keine Lust mich auf den kalten Steinboden zu setzen.
„Kannst du vielleicht irgendwie Licht machen?", fragte ich ruhig, um die Situation nicht noch unnötig zu verschlimmern. Ein Streit war das allerletzte, was ich jetzt gebrauchen konnte.
„Hier drin ist kein Lichtschalter, frag mich nicht, was sie der Architekt dabei gedacht hat. Aber ich könnte mit meinem Handy Licht machen. Allerdings ist es schon fast leer und wir hätten nur wenige Minuten etwas davon. Wenn wir Glück haben, sogar eine halbe Stunde."
Na toll, das wurde ja immer besser. Zoey hatte jetzt sicher ihren Spaß mit Kyle. Sie war ja auch nicht in einem Keller ohne Licht eingesperrt. Zerknirscht tastete ich mich an der Wand entlang, bis ich einen Stapel an weichen Dingen erreichte.
Erleichtert stellte ich fest, dass das wohl Kissen waren und griff nach einigen davon. Als sich plötzlich etwas in meiner Hand bewegte, machte ich entsetzt einen Satz zurück und stieß einen erstickten Laut aus.
Bei dem Glück, das ich heute hatte, stieß ich in eines der hölzernen Regale, welches gefährlich anfing zu wackeln. So gut ich in meinem Zustand konnte, hielt ich es fest, bis es wieder sicher stand.
Wenn ich doch nur Licht hätte! Damit wäre mir so etwas sicher niemals passiert. Allerdings war die Frage, die mich in diesem Moment sehr viel mehr beschäftigte, was genau sich da in meiner Hand bewegt hatte.
„Jason, gibt es hier Ratten?" Ich hatte eigentlich nichts gegen die Nager, aber wenn sie mir hier in der Dunkelheit auflauern konnten, waren sie mir auch nicht ganz geheuer.
„Normalerweise haben wir nur Zoey hier, warum?" Auch wenn er dachte, das wäre lustig, fand ich, dass eher das Gegenteil der Fall war. Von mir aus konnte er noch so viele dumme Kommentare abgeben, aber nicht zu Zoey, denn sie war in den letzten Wochen zu einer wirklich guten Freundin geworden.
„Lass sie gefälligst in Ruhe! Nur weil eure Eltern so beschissen sind, heißt das nicht, dass ihr euch gegenseitig dafür verantwortlich machen solltet. Geschwister sollten zusammenhalten, aber ihr tut genau das Gegenteil! Merkt ihr denn nicht, dass ihr damit alles nur noch schlimmer macht?"
Obwohl mich das Leben dieser Familie eigentlich weniger anging, musste ich ihm einfach klarmachen, dass sein Verhalten keinen Zweck hatte. Was brachte es ihm schon, wenn er sich mit Zoey zerstritt, wo doch seine Eltern der Unruheherd waren?
Die Antwort kam überraschend, aber dennoch erfüllte sie mich mit Stolz: „Du hast recht." Erfreut lächelte ich die Dunkelheit an, die Ratten hatte ich soweit verdrängt.
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Far away
Любовные романыEin Auslandsjahr ist ja an sich schon total spannend. Neue Leute, neue Schule und neue Cora. Jedenfalls war das Ganze in Coras Vorstellung irgendwie anders. Es war einfacher. Das ist es in der Vorstellung wahrscheinlich immer. Es war leichter, vor a...