Kapitel 7 ~ Man kann sich auch täuschen #1

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Ungläubig starrte ich in den Spiegel und strich mir vorsichtig über die Lippen. Wenn das ein Traum gewesen sein sollte, warum fühlte es sich dann nur so real an? „Das war kein Traum, Coco! Du und mein Bruder haben sich echt geküsst!“

Hinter mir stand eine strahlende Zoey im Pyjama und hüpfte herum, als hätte sie einen Flummi gefrühstückt. Man sollte fast meinen, dass sie sich noch mehr freute, als ich mich.

Und diesen dämlichen Spitznamen, der besser zu einem Affen gepasst hätte, hatte sie sich noch gestern Abend einfallen lassen. Ein Geniestreich schöpferischer Kunst.

„Warum freut dich das sag mal so sehr?“, versuchte ich ein Wenig von der Tatsache abzulenken, dass Jason mich tatsächlich geküsst hatte. Meine Wangen waren schon wieder leicht gerötet, aber das war bei mir ja völlig normal.

„Weil es das erste Mal ist, dass mein Bruder eine gute Entscheidung in Sachen Mädchen getroffen hat.“ Sie umarmte mich schnell, bevor sie auch schon wieder in ihr Zimmer verschwand, um sich anzuziehen.

Ich grinste über ihre Worte und rief mir das überwältigende Gefühl von gestern noch einmal ins Gedächtnis zurück. Allein bei der Erinnerung begann wieder alles zu kribbeln und ein breites Lächeln erschien auf meinem Gesicht.

Zoey war gestern zwar nicht ganz so erfolgreich gewesen, aber sie war froh, wenigstens ein Mal Zeit mit Kyle verbracht zu haben. Laut ihr empfand sie es auch nicht als Rückschlag, denn sie wartete ja schon so lange auf ihn, dass die paar Tage mehr jetzt auch nichts mehr ausmachten.

Dennoch hatte sie schon wieder neue Pläne, die es in die Tat umzusetzen galt und ich sollte in jedem dieser Pläne ihren Bruder ablenken. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, aber es kam mir irgendwie so vor, als würde ich ihn nur ausnutzen, sollte ich dies tun.

Andererseits wäre es sicher cool, noch mehr Zeit mit ihm verbringen zu können. „Wir müssen gleich los!“, brüllte Zoey aus ihrem Zimmer, was selbst durch zwei geschlossene Türen noch ohrenbetäubend laut war.

Wenn sie so weitermachte, würde ich irgendwann noch taub werden. Noch lauter, als sie –sollte dies überhaupt möglich sein- brüllte ich zurück: „Ist gut. Bin fast fertig!“

Ein letztes Mal betrachtete ich mich im Spiegel. Ich musste zugeben, dass ich mir heute extra viel Mühe gegeben hatte und das unter anderem, um Jason zu gefallen.

Natürlich wusste ich, dass er mich nicht für mein Aussehen mögen sollte, aber es konnte definitiv nicht schaden. Meine schwarzen Haare hatte ich geglättet, aber das war auch schon das Aufwändigste an meinem Styling gewesen.

Ich wollte es ja schließlich auch nicht übertreiben. Schnell lief ich nach unten, wo Zoey und ihr Vater bereits mehr oder minder ungeduldig warteten. Hastig schlüpfte ich in meine Schuhe, schnappte mir meine Jacke und meine Tasche und lief den Beiden zum Auto hinterher.

Es war ein neuer Wagen, der sogar noch diesen typischen Neuwagengeruch hatte, den es mit einem Duftbäumchen zu vertreiben galt. So gut ich das beurteilen konnte, war er ebenso teuer gewesen, wie das Auto von Zoeys Mutter.

Beide ihrer Elternteile fuhren extrem moderne Sportwägen. Wo sie das Geld hernahmen, wusste ich nicht, aber da es mich nicht weiter interessierte, hatte ich nie weiter nachgefragt. Im Wesentlichen ging es mich ja auch nichts an und mit der Information könnte ich ohnehin nichts weiter anfangen.

Als wir vor der Schule hielten, sprang Zoey aus dem Wagen, während ich gemächlich ausstieg. Meiner Meinung nach, konnte man das Betreten der Schule nicht lange genug hinauszögern, deshalb ließ ich mir so viel Zeit wie möglich.

Hibbelig wechselte Zoey neben mir von einem Fuß auf den andern, während sie mich dazu drängen wollte, dass ich mich gefälligst beeilen sollte. Kopfschüttelnd folgte ich ihr über den Hof, auf die weit geöffnete Flügeltür zu, als sie abrupt anhielt.

Geistesgegenwärtig wich ich ihr aus und setzte meinen Weg unbeirrt fort, ohne groß auf sie zu warten. Sie würde ohnehin in wenigen Sekunden wieder neben mir auftauchen. Man gewöhnte sich mit der Zeit an ihre Eigenarten und plötzlicher Sinneswandel war eine davon.

„Ähm, ich will dich ja wirklich nicht beunruhigen, aber was genau macht Jason da mit deiner dämlichen Freundin?“ Anklagend blickte sie mich an und zeigte mit ihrem Finger unauffällig in eine bestimmte Richtung.

Jetzt war ich es, die abrupt anhielt und hektisch den Schulhof mit den Augen absuchte. Zuerst bemerkte ich die Beiden nicht, aber dann sah ich sie. Sie standen dicht nebeneinander und schienen in ein ziemlich interessantes Gespräch vertieft zu sein.

Von Natur aus wurde ich zwar nicht leicht eifersüchtig, aber da ich ja wusste, dass Dessy nicht vorhatte, ihre Finger von ihm zu lassen, hatte ich dennoch ein mulmiges Gefühl dabei.

Leider konnte ich Jason allerdings auch nichts vorhalten, immerhin waren wir nicht zusammen. Er hatte mich lediglich geküsst und ich wusste nicht einmal genau, warum er das getan hatte.

Am Ende hatte er es aus purer Langeweile getan und ich machte mir jetzt unnötig Hoffnung, dass mehr aus uns werden könnte. Selbst von hier konnte ich sehen, dass die Beiden nicht einfach nur redeten, sondern eher flirteten.

Oder bildete ich mir das alles einfach nur ein? Nein, ich kannte Dessy gut genug, um ihre versteckten Gesten zu erkennen, wenn sie sie denn machte und jetzt hielt sie sich keinesfalls damit zurück.

Äußerlich war ich zwar zu einer Salzsäule erstarrt, aber das hieß nicht, dass ich innerlich nicht in völligem Aufruhr war. Was, wenn das alles wirklich nur ein fieser Witz sein sollte und ich mal wieder viel zu viel irgendwo rein interpretierte?

Zaghaft zupfte Zoey an meinem Ärmel und holte mich damit aus meiner Starre. Ich war zwar immer noch ziemlich abwesend, aber einige simple Bewegungen konnte ich wieder ausführen.

„Warte hier, ich rede mal kurz mit ihm. Nicht weinen!“ Von ersterem war ich weniger begeistert, denn das war allein eine Sache zwischen mir und Jason und Zoey hatte sich da eigentlich nicht einzumischen.

Andererseits war ich ihr recht dankbar dafür, dass sie das Gespräch für mich übernahm. Letzteres zog ich gar nicht in Betracht, denn es fühlte sich an, wie ein schrecklicher Traum, aus dem ich sicher gleich erwachen würde.

Dennoch beobachtete ich Zoey aufmerksam, als sie zielstrebig auf Jason zulief, ihn am Arm packte und von meiner ehemaligen besten Freundin wegzerrte. Es erstaunte mich zwar, dass er es ihr so einfach machte, aber ich schenkte dem Fakt keine weitere Beachtung.

Das laue Lüftchen, das wehte, trug ihre Stimmen zwar nicht bis zu mir herüber, aber sowohl Zoeys, als auch Jasons Gesichtszüge sprachen Bände. Während sie zornig auf ihn einredete, machte er sich immer kleiner, indem er den Kopf einzog.

Wow, ich hätte nie von ihm erwartet, dass er sich von Zoey so zusammenstauchen lassen würde. Verwirrt achtete ich weiter auf ihre Gesten, um in etwa zu erfahren, was sie sprachen.

----------------------------------------------------------------- Danke für die 500 Reads :*

Far awayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt