Kapitel 8 ~ Uneinsichtigkeit tut weh #2

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Am liebsten hätte ich einen Freudenschrei ausgestoßen, doch ich riss mich zusammen und löste mich zögerlich von ihm. Warum musste ich ausgerechnet heute mit ihm reden?

Ich könnte das doch auch erst in ein paar Wochen machen, wenn sich das Ganze beruhigt hatte und Dessy merkte, dass Jason mich mochte. Mir war klar, wie egoistisch dies klang und dennoch wäre es mir das Liebste.

„Also, ich wollte reden.“ Jetzt wieder völlig überzeugt von meinem Vorhaben sah ich ihn an. Perplex schaute er zurück: „Worüber?“ Ich seufzte angespannt und überlegte, wie ich es ihm möglichst gut beibringen sollte.

Jetzt die falschen Worte zu benutzen würde sich vermutlich eher negativ auf den Ausgang dieses Gesprächs auswirken. „Naja, also eigentlich wollte ich fragen, was der Kuss zu bedeuten hatte. Und vor allem wollte ich wissen, was hinter den Gerüchten steckt. Nicht das ich wirklich daran glauben würde, aber hinter jeder Geschichte steckt zumindest ein Fünkchen Wahrheit. Bevor ich dir hier aber Dinge unterstelle, die du nicht getan hast, möchte ich deine Sicht der Dinge hören.“

Da war wieder das altbekannte Stirnrunzeln, gefolgt von einer krausgezogenen Nase. Sogar mit diesem Gesichtsausdruck gefiel er mir! „Was für Gerüchte denn?“ Das war ja mal wieder typisch; die Betroffenen bekamen nie etwas davon mit, aber die halbe Schule zerriss sich schon das Maul darüber.

Ich hätte mir ja denken können, dass es nur Unwahrheiten waren, aber vielleicht spielte er die Rolle des Unschuldigen auch einfach nur zu gut. „Später. Ich möchte zuerst klären, was da zwischen uns ist. In meiner Schule wurden genug Mädchen verletzt, weil sie ausgenutzt wurden und ich möchte nicht, dass mir dasselbe passiert. Man lernt auch aus Fehlern anderer, auch wenn ich dir das um ehrlich zu sein nicht zutraue. Also, bitte Klartext: warum hast du mich geküsst?“

Es tat gut, mir die Fragen von der Seele reden zu können. Jetzt brauchte ich nur noch die gewünschten Antworten, die mein Herz vermutlich zu Höchstleistungen antreiben würden.

„Komm mit hoch, ich muss noch Shiquanda füttern, sonst wird sie wieder aggressiv. Außerdem glaube ich, dass das Gespräch länger dauern wird und wir uns vielleicht setzen sollten.“

Wer oder was war Shiquanda? Fragend blickte ich ihn an, sagte aber nichts dazu und folgte ihm stattdessen einfach nach oben. Ich hatte heute vor Aufregung kaum etwas essen können, aber jetzt wo er es sagte, sollte ich mir wohl auch etwas zu futtern besorgen.

„Warte kurz hier“, sagte er und ließ mich im Flur stehen, wo ich mich aufmerksam umsah. Dennoch kam ich mir fehl am Platz vor, weshalb ich mich dazu entschied, in sein Zimmer zu gehen, anstatt tatenlos im Gang herumzustehen.

Kurz darauf kam Jason mit einer Plastiktüte in der Hand ins Zimmer, in dem zwei graue Wollknäule lagen. Erst nach genauerer Betrachtung ging mir ein Licht auf, was den Inhalt des Beutels betraf.

Angewidert starrte ich die toten Mäuse an, deren kleine, zierliche Körper keine einzige Regung zeigten. „Was genau willst du damit jetzt füttern?“, fragte ich ein wenig verstört.

Welche Tiere hielt er sich denn hier, wenn er sie mit toten Mäusen füttern musste, damit sie nicht aggressiv wurden? Er deutete auf eine gläserne Kiste, die mir bisher gar nicht aufgefallen war, aber jetzt entdeckte ich den schuppigen Körper einer Schlange darin.

Nachdenklich sah ich ihr dabei zu, wie sie sich langsam in ihrem Glaskasten bewegte. Kurz sah ich eines ihrer schwarzen Augen aufblitzen und dann hörte ich das Zischen.

Es war genau so, wie es in Filmen dargestellt wurde, nur ging es tiefer unter die Haut. Jetzt konnte ich nachvollziehen, wieso Schlangen in alten Kulturen verehrt worden waren; sie waren maistätisch und hatten etwas Ehrerbietiges.

„Darf ich sie mal anfassen?“ Wie so oft hatte ich gesprochen, bevor ich gedacht hatte. Ich war hier, um ein ernstes Gespräch mit ihm zu führen und ließ mich von einem wechselwarmen Reptil ablenken!

Allerdings war es eine interessante Erfahrung, die ich hier machen könnte. Außer ihm kannte ich niemanden, der in Besitz einer Schlange war. „Klar darfst du.“ Er lächelte erfreut und nickte begeistert.

Offensichtlich begeisterte er sich wirklich für das Tier, was ich vermutlich nicht könnte. Ich hatte zwar ein Lieblingstier, aber Haie konnte man sich nur schwer zuhause halten.

Als Kind hatte ich einmal eine Blindschleiche gefangen und natürlich auch angefasst, aber näher war ich einem schlangenartigen Wesen noch nie gekommen. Eigentlich konnte man nicht einmal die Blindschleiche zählen, wo es doch biologisch gesehen eine beinlose Eidechse war.

Ich stellte mich direkt neben ihn, vor das Terrarium, dessen Deckel er anhob. „Wir füttern sie zuerst, dann ist sie ruhiger, auch wenn sie dir ohnehin nicht viel tun könnte.“

Zustimmend lächelte ich und beobachtete, wie er die toten Mäuse in das gläserne Gefängnis der Schlange fallen ließ. Diese schnellte vor und verschlang beide Nager innerhalb eines Wimpernschlags.

„Keine Angst, dich verschlingt sie sicher nicht so schnell.“ Er zwinkerte belustigt und schob den Deckel nun endgültig weg. „Ist sie eigentlich giftig?“ Nicht, dass ich Angst vor Shiquanda hätte, aber es interessierte mich wirklich, immerhin wollte ich sie anfassen.

„Ja, natürlich.“ Sein ironischer Tonfall überzeugte mich vom Gegenteil. „Also, dann fassen wir sie mal an“, meinte ich erfreut und streckte furchtlos –soweit man überhaupt Angst vor der Schlange haben konnte- meine Hand in Richtung Reptilienkörper.

Entgegen meiner Erwartung fühlte sich die schuppige Haut trocken und warm an. Durch die langsame Bewegung der Schlange spürte ich, wie sich die vielen Muskeln unter der Haut bewegten.

„Ich habe mir Schlangen immer ganz anders vorgestellt“, gab ich wahrheitsgemäß zu. Nachdem ich meine Hände wieder aus dem Terrarium zog, brachte Jason den Deckel wieder in Position.

Aus einem mir unbekannten Grund war ich vollkommen ruhig, auch wenn ich wusste, dass das Gespräch unangenehm werden würde. Ich setzte mich auf das Bett, während er sich den Schreibtischstuhl heranzog.

„Du willst Erklärungen und du sollst sie bekommen. Ich hab dich geküsst, weil ich dich mag, Cora.“ Ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Körper aus und ich musste ein erfreutes Quieken unterdrücken.

Dennoch lösten seine Worte ein wohliges Kribbeln in mir aus, das sich nicht unterdrücken ließ. „Ich mag dich auch, Jase.“ Ermutigend lächelte ich ihn an, was ihn zum Weitersprechen motivieren sollte.

„Und nun zu den Gerüchten; ich hab nicht den blassesten Schimmer, wovon du redest.“ Ich glaubte ihm und das zeigte mir, dass ich ihm doch tatsächlich vertraute; so vieles sprach gegen eine Aussage und dennoch hielt ich es für die Wahrheit.

Selten hatte ich so schnell Vertrauen zu jemandem gefasst, wie zu ihm und Zoey. Die beiden waren sich in gewisser Weise ähnlich, auch wenn sie auf den ersten Blick komplett verschieden wirkten.

„Du kennst doch meine Freundin Desiree, oder?“ Er nickte nachdenklich, zögerte aber nicht mit seiner Antwort: „Ja, wir haben schon einige Male miteinander gesprochen. Aber was hat das mit den Gerüchten zu tun?“

Letzteres fragte er verständnislos, was mich mit Zuversicht erfüllte. Wenn er etwas von Dessy wollte, hätte es spätestens jetzt Klick gemacht. „Ich hab von einigen Leuten gehört, dass da etwas zwischen euch wäre“, murmelte ich kleinlaut.

Im Nachhinein erschien mir allein die Annahme als völlig lächerlich. Er schwieg und das mulmige Gefühl kehrte allmählich zurück.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Ich denke, euch wird schon aufgefallen sein, dass sich die Geschichte allmählich dem Ende nähert :/ Aber falls es euch beruhigt (im Falle, dass ihr das Buch bisher mochtet) es wird eine Fortsetzung geben ;) jedenfalls, falls ihr das wollt :3 Schreibt es doch bitte in die Kommentare ;)

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