Viele Jahre vergingen. Fíli, Kíli und Líli wurden älter. Außer das alle drei größer und kräftiger wurden und zu Lílis Leidwesen einen Bart bekamen, änderte sich nicht viel bei den Geschwistern.
Wie früher warteten sie jeden Tag, wenn Thorin eine Reise antrat, zusammen vor der Tür sitzend auf seine Rückkehr. Und so war es auch an diesem Abend. Es war ein kühler Tag Ende März und Líli hätte jetzt viele Dinge lieber getan, als auf einer kalten Steinschufe eingeengt zwischen ihren Brüdern zu sitzen. Aber sie tat es, schließlich könnte Thorin heute nach Hause kommen. Vor vier Monaten war er losgezogen, weil man Thráin, seinen Vater und Lílis Großvater, angeblich in der Nähe von Dunland gesichtet hatte. Wenn sie ehrlich war, glaubte Líli nicht, dass ihr Großvater noch lebte. Vor vielen Jahren war er mit einer kleinen Gruppe Zwerge losgezogen, um zum Erebor zurückzukehren. Doch eines Morgens war Thráin verschwunden und wurde seither nicht mehr gesehen.
,,Líli, hilfst du mir beim Tischdecken?", fragte Dís auf einmal. Líli wandte sich um. Ihre Mutter stand im Türrahmen und lächelte ihren Kindern zu. Es war ein trauriges Lächeln, voller Hoffnung. Hoffnung auf die Rückkehr ihres Vaters und ihres Bruders. Dís war groß für eine Zwergenfrau. Sie war stämmig und trug ihr braun-graues Haar, genauso wie ihren Bart, immer geflochten. Ihre Augen waren von einem tiefen Dunkelblau. „Natürlich, Amad (Mutter)", antwortete Líli und sprang schnell auf. ,,Und was machen Fíli und Kíli?", fragte sie mehr aus Gewohnheit, während sie ihrer Mutter in die Küche folgte. ,,Sie werden den Tisch später abdecken", antwortete Dís ruhig und lächelte ihrer Tochter zu.
,,Deck' sechs Teller", wies Dís sie an. ,,Warum sechs?", fragte Líli verwundert, ,,wir sind nur zu viert". ,,Wenn Thorin und dein Großvater heute nach Hause kommen, brauchen sie sicher eine Stärkung. Ich habe extra den Lieblingseintopfes deines Großvaters gekocht", erklärte Dís und stellte den Eintopf auf den Tisch.
Zehn Minuten später kamen Lílis Brüder herein, beide durchgefroren und mit roten Nasen. ,,Es bringt nichts mehr, Amad .Heute kommen Thorin und Großvater sicher nicht mehr", sagte Fíli und mit diesen Worten setzte er sich an den Esstisch. Dís betrachtete ihren ältesten Sohn traurig. ,,Gut, dann essen wir jetzt", seufzte sie.
Es war ungewöhnlich still in der Küche der Zwergenfamilie. Fíli, Kíli und Líli aßen mit gesenktem Kopf ihren Eintopf. Dís blickte immer wieder zu dem Gemälde ihres Vaters, welches in der Küche hing.
Plötzlich wurde die bedrückende Stille im Raum von einem Klopfen an der Haustür unterbrochen. Dís sprang von ihrem Stuhl auf und rannte, so schnell sie konnte, in die Diele. Ihr dunkles langes Haar wehte ihr hinterher. Ihre Kinder folgten ihr eilig.
Dís öffnete die Tür. ,,Thorin!", rief sie erleichtert und fiel ihrem älterem Bruder um den Hals. Thorin schlang seine Arme um ihren Körper. ,,Wo ist Adad (Vater)?", murmelte Dís. Thorin antwortete nicht. Dís löste sich hastig aus der Umarmung. ,,Thorin?", wiederholte sie mit zittriger Stimme, ,,wo ist Adad ?"
,,Er wird nicht kommen, Dís. Ich habe ihn nicht gefunden", murmelte Thorin. Dann schob er sich sanft an seiner Schwester vorbei und ging zu Fíli, Kíli und Líli. Er umarmte seine beiden Neffen. Schließlich wandte er sich Líli zu, die im Türrahmen zum Flur stand und mitleidig zu ihrer Mutter blickte.
Thorin umarmte sie fest und kurz. Er roch nach Regen und wilden Kräutern. Er betrachtete sie aufmerksam. ,,Du hast dir wieder den Bart abrasiert", stellte er fest. Dann zog er seinen Mantel aus, hing ihn auf einen Haken und verschwand in die Küche. Líli sah ihm hinterher. Sie schluckte. Die Enttäuschung in seiner Stimme hatte sie nicht überhört.
Thorin schob die leere Schüssel von sich weg. ,,Dieser Eintopf war fantastisch, Dís", sagte er lächelnd zu seiner Schwester, ,,Adad hätte ihn sehr gemocht". ,,Deswegen habe ich ihn ja auch gemacht", erwiderte Dís. Thorin ging nicht auf sie ein. Stattdessen zündete er seine Pfeife an. ,,Ich habe Neuigkeiten. Neuigkeiten aus Bree".
,,Was für Neuigkeiten, Onkel?", fragte Fíli neugierig. ,,Und wo ist Bree?", fragte Kíli. Dís antwortete ihm: ,,Bree ist ein Dorf im Breeland, in der Nähe des Auenlandes. Dort leben Hobbits und Menschen".
,,Ich traf in Bree einen Zauberer. Er nennt sich Gandalf. Gandalf, der Graue", sagte Thorin. Líli sah ihren Onkel ungläubig an. ,,Du hast Tharkûn getroffen?", es war sehr lange her, aber sie konnte sich noch vage an ihren Vater errinern. Vili hatte seinen Kindern zum Einschlafen immer Geschichten von Menschen, Elben, Zwergen, Hobbits und Zauberern erzählt. Der graue Zauberer mit dem Stab war in fast jeder Geschichte vorgekommen. Thorin nickte und fuhr dann fort.
,,Gandalf kannte Adad, Dís", sagte er und sah zu seiner Schwester. ,,Er ermutigte mich dazu, zum Erebor zurückzukehren". Dís starrte ihn entgeistert an. ,,Thorin!", rief sie, ,,hast du nun endgültig den Verstand verloren? Es gibt einen Grund, warum der Erebor seit Jahrzehnten nicht mehr von Zwergen betreten wurde! In diesem Berg, auf deinem Gold liegt ein lebendiger Drache, du Narr!"
,,Ich werde ja nicht alleine gehen", versuchte Thorin sie zu beruhigen, ,,ein paar Zwerge unserer Sippe werden mich begleiten. Balin wird mitkommen und..." ,,Dürfen wir auch mit?", unterbrach Kíli seinen Onkel mit leuchtenden Augen. ,,Kíli, ich..." Dieses Mal unterbrach Dís ihn. ,,Nein! Ihr kommt nicht mit. Diese Reise ist gefährlich. Ihr seid zu jung für sowas, alle drei!" ,,Aber Amad", mischte Fíli sich ein, ,,wir sind alle über 60!" ,,Líli ist erst 60 geworden, Fíli!", erwiderte Dís. Líli sah bestürzt zu ihrer Mutter. ,,Aber ich will mitkommen!" Thorin räusperte sich. ,,Líli, ich habe nicht vor, dich mitzunehmen".
Lílis Stimme zitterte. ,,Was? Warum nicht? Ich möchte den Erebor auch sehen. Du warst es doch, der uns von den prächtigen Hallen unserer Väter erzählte! Warum dürfen Fíli und Kíli, aber ich nicht?! Das ist nicht fair!" ,,Líli! Du bist eine Frau und kannst nicht kämpfen!", entgegnete Thorin eisern. Líli versuchte ihre Tränen zurückzuhalten. ,,Du hast mir gar nichts zu sagen", sagte sie wütend, ,,denn du bist nicht mein Vater, auch wenn du dich so benimmst!" Mit diesen Worten rannte sie nach oben. In ihr Zimmer.
,,Thorin!", sagte Dís, jetzt auch wütend. ,,Es ist doch wahr, Namad. Deine Kinder wissen nichts von der Welt da draußen. Sie halten diese Reise für einen lustigen Urlaub mit ihrem Onkel! Líli kann sich ja nicht mal verteidigen! Sie ist nur ein kleines, naives Mädchen, welches von dem Gedanken besessen ist, eine Krone, wertvollen Schmuck und schöne Kleider zu tragen! Aber mit solch einer Einstellung würde sie dort draußen nicht überleben!"
,,Shazara(Ruhe)!", bellte Dís, ,,Bei Durin, Thorin. Ich weiß nicht, warum du solche Dinge sagst aber wir beide wissen, dass du nicht der Zwerg sein willst, der du gerade bist! Wenn Amad diese Worte hören könnte, würde sie sich in ihrem hastig geschaufelten Grab in der Wildnis umdrehen!" Dís verließ wuntentbrannt die Küche und ging zu ihrer Tochter.
,,Und was hast du nun vor, Onkel?", fragte Fíli eingeschüchtert.
,,Ich habe vor, mein Schwesterssohn", antwortete Thorin langsam, ,,eine Gemeinschaft von Zwergen zu gründen, zum Erebor zu reisen und Smaug, diesen verdammten Lindwurm, zu töten!"
DU LIEST GERADE
Durins Tochter| Hobbit Fanfiction
Fanfiction,,Ich bin keine Prinzessin oder seht Ihr eine Krone auf meinem Haupt?", sagte Líli etwas peinlich berührt. Gandalf entgegnete lächelnd: ,,Aber Eurer Onkel wird Euch eine Krone mitbringen, da bin ich mir sicher". Oder ich hole sie mir selber, dachte...