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Aktive Galaxienkerne - der Snack für den kleinen Hunger

Ich hasse Sonnenblumenkerne. Schon seit der 6. Klasse. Seit jenem Tag, als ich Fegedienst hatte und das Klassenzimmer mit Sonnenblumenkernen vollgemüllt war wie Messies Wohnung. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie angepisst ich an diesem Tag war... hätt' ich da schon gewusst, was Quasare so Tolles können, dann... ach, lassen wir das. 

Welche Kerne ich bevorzuge: natürlich aktive Galaxienkerne (engl.: "active galactic nucleus", AGN). Die sind nahrhaft, strahlen in allen Farben und vermüllen einem nicht das Klassenzimmer. Ich wage zu behaupten: Das sind die besten Kerne, die mir je untergekommen sind. Denn aus ihnen wachsen keine Sonnenblumen, sondern ganze Galaxien!

Seit neuestem gibt es ein schickes Standardmodell, wie man sich selbst einen aktiven Galaxienkern zusammenbastelt. Man benötigt lediglich die folgenden einfach zu finden Zutaten: 

1) 1 supermassereiches Schwarzes Loch (mindestens vier Millionen Sonnenmassen)

2) 1 Akkretionsscheibe

3) 2 bipolare Jets mit relativistisch beschleunigten Elektronen (hier besonders auf die Marke "relativistisches Beaming" achten. Die schmecken besonders nach scheinbarer Überlichtgeschwindigkeit)

4) 1 Broad Line Region

5) 1 Galaxie (vom Typ 'Spiral', 'Elliptisch', 'Zwerg' oder 'Balkenspiral') 

Jetzt noch kräftig mixen und zwei Millionen Jahre ruhen lassen. Fertig ist der aktive Galaxienkern. 

Optional noch ein bisschen Radio untermischen. Je nachdem, ob man das Ergebnis "radio loud" oder "radio quiet" bevorzugt. 

Die genaue Konfiguration der Zutaten hängt von der gewünschten Geschmacksrichtung ab. Es gibt fünf bekannte Geschmacksrichtungen: 'Radio', 'Seyfert', 'BL Lac', 'Quasar' und 'Blazar'. Regional werden auch AGN vom Typ 'LINER' angeboten. 

Aktive Galaxienkerne des Typs 'Radio' sind besonders radio-laut. Gut hergestellte Kerne erkennt man an ihrer starken Synchrotronstrahlung im Radiobereich. Manche von ihnen könnten rotverschoben werden. Hier muss für das ideale Geschmackserlebnis also noch eine kleine K-Korrektur vor dem Verzehr durchgeführt werden. Charakteristisch für die leuchtenden Kerne ist ihre starke Leuchtkraft: Sie beträgt das 100 Billionen-fache der Sonne. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass sie nicht bei Temperaturen unter hundert Millionen Kelvin gelagert werden, da sie sonst ihren Geschmack verlieren. 

Meine Lieblingskerne sind vom Typ 'Seyfert'. Sie haben einen leichten Geschmack nach Seife, man sollte sie also nicht unbedingt roh verzehren. Es wird dringend geraten, vor dem Verzehr eine K-Korrektur durchzuführen, um den Seifengeschmack wegzubekommen. Außerdem unterscheidet man zwei Subtypen (nämlich Typ I und Typ II), je nachdem, welche Linien man bevorzugt. Ich persönlich mag Typ II, die mit den breiten Linien. Auch hier muss wie schon beim Typ 'Radio' auf entsprechend günstige Umgebungstemperaturen erhitzt werden. 

Der Star unter den aktiven Galaxienkernen sind definitiv die 'Quasare'. Sie sind nicht nur viel dichter als Goethe, sondern auch viele Male heller als die Sonne: Einem Fünf-Sterne-Koch gelang es mit dem Kern SMSS J2157-3602 ein besonders grelles Exemplar zu backen: Es strahlt so hell wie 695 Billionen Sonnen! Interessant ist, dass ein solches Exemplar im Zentrum der Milchstraße großes Ungemach anrichten würde: Vorbei wären die Zeiten des Horoskops. Man würde die Sterne einfach nicht mehr sehen. Dieses Meisterwerk würde von der Erde aus gesehen zehn Mal so hell wie der Vollmond erstrahlen. 

Aktuell bemühen sich die weltweit besten Radioköche, ein umfassendes Standardrezept zu kreieren. Dabei ist es gängige Lehrmeinung, dass die Geschmacksrichtung lediglich vom Winkel abhängt, in dem man auf die fertig gebackenen AGNs blickt. Manche behaupten, dass die Marke 'Quasar' nur durch einen billigen Verkaufstrick entsteht: Man halte die Verpackung orthogonal zu den Augen des Käufers, sodass dieser direkt den relativistischen Jet genießen kann (im Verkäufersprech auch "face on" genannt). Kerne der Geschmacksrichtung 'Radio', so heißt es dagegen, stehen im Laden eher "edge on": Man sieht sie nur von der Seite. Durch richtiges Drehen können sie in die Marke 'Quasar' überführt werden. Gegebenenfalls muss eine K-Korrektur durchgeführt werden, um nicht zu sehr nach Seife zu schmecken. 

Wie ihr seht, rumort es unter den AGN-Herstellern. Wir sind natürlich gespannt, welche Kenntnisse in nächster Zeit in die umfassenden Rezepte einfließen werden, um zukünftig ein noch besseres Geschmackserlebnis gewährleisten zu können.