X-Ray binaries - Bis(s) zum bitteren Ende

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Dies ist der zweite Teil der Serie "Per Anhalter durch die Galaxis: Orte, die man auch ohne Corona-Lockdown niemals besuchen will". 


Was ist schlimmer als eine shoppingsüchtige Freundin, die jeden Tag die Kreditkarte zum Glühen bringt? Richtig. Ein Roter Riese und ein Neutronenstern - im Doppelpack und mit hübscher Akkretionsscheibe.

Alles begann mit einer prächtigen Supernova vom Typ Ia. Davor waren sie auch schon ein Paar, aber da war der Partner noch ein langweiliger Weißer Zwerg. Dann bekam er unglaubliche Fressattacken und wie das halt eben ist, wenn Sterne zu viel wiegen, sie explodieren irgendwann. Hier geschah das, nachdem er die Chandresekhar-Grenze überschritten hatte. Die Folge war eine Supernova, die jeden Stern in der Galaxis vor Neid erblassen ließ. Der Rote Riese lebt natürlich noch - noch. Denn eines Tages wird der Neutronenstern ihn seiner Masse entledigt haben und ihm alles bis auf den Kern genommen haben. So wie das eben shopping-süchtige Frauen machen, wenn das Konto leer ist: Die Kleidung des Mannes verbrennen und den nackten Ex vor die Tür setzen. Scheidung einreichen. Perfekt ist das ideale Ehe-Drama. 

Heute erinnert nur noch eine hübsche Akkretionsscheibe und ein noch schickerer Leuchtstrahl an die Explosion. Und ein bunter Nebel, der das Sternsystem umgibt. Nicht zu vergessen die harte Röntgenstrahlung, die der Neutronenstern als Zeichen seines Triumphes in die Galaxis hinausposaunt. Die Gravitation hatte den Krieg gegen den Strahlungsdruck gewonnen. Doch noch kann das Pauli-Prinzip der bösen Gravitation Einhalt gebieten. Das Pauli-Prinzip besagt: "Der Aufenthalt von zwei Elektronen mit gleichem Spin ist auf demselben Energieniveau verboten". Typische Abstandsregeln halt. Da Elektronen und Protonen, wenn sie durch einen zusammenfallenden Kern aufeinandergepresst werden, verschmelzen, und als Dankeschön die Welt mit Neutronen und Elektron-Neutrinos beschenken, ist für diese Elektron-Neutrinos leider kein Platz mehr. Um dennoch Platz zu generieren, muss das Elektron angeregt werden - es braucht halt ein höheres Niveau. Aber ohne Energiezufuhr ist da nix zu machen. Da Energie bekanntlich nicht vom Himmel fällt, ist die Schreckensherrschaft der Gravitation am Arsch. Oder wie Physiker das nennen: Der Entartungsdruck und die Gravitationskraft stabilisieren den Stern, bevor er zu einem Schwarzen Loch wird. Fertig ist unser X-Ray binary. 

Falls du jetzt Karten für einen Platz in der ersten Reihe gekauft hast, um dem Kampf Roter Riese vs. Neutronenstern zuzusehen, muss ich dich leider enttäuschen. Das willst du nicht. Wirklich nicht. Es sei denn, dein Leben ist dir nicht wichtig.

Die Röntgenstrahlung wird mit deinen DNA-Molekülen Billard spielen. Um sie daran zu hindern, bräuchtest du schon einen ein paar Zentimeter dicken Raumanzug aus purem Blei. Denn Röntgenstrahlen hassen Blei. Das Blei absorbiert sie und hindert sie exponentiell mit der Dicke wachsend daran, deine DNA-Moleküle herumzuschubsen. Leider ist das Schicksal ein mieser Verräter, denn Blei ist für den menschlichen Organismus nicht weniger ungesund. Blei ist giftig. Du bist also trotzdem früher oder später am Arsch.

Und Akkretionsscheiben sind heiß. Noch heißer als alle Mitglieder von 1D zusammen (ich persönlich mag ja lieber 2D und 3D). Du wirst dir also die Finger an der hundert Millionen Grad heißen Scheibe verbrennen. Das wiederum macht sehr, sehr aua (nee, eigentlich nicht. So schnell wie du dabei stirbst, würdest du gar nicht merken, dass du tot bist). 

Außerdem ist ein fressender Neutronenstern eine tickende Zeitbombe. Ich erinnere nur ungerne an das zulässige Gewicht von Neutronenstern nach der galaktischen Ordnung für Massen von Neutronensternen: Überschreiten sie die drei Sonnenmassen, werden sie von der Polizei in ein Schwarzes Loch verwandelt (oder aber sie tun es von selbst). 

Apropos Schwarzes Loch. Darum wird es im nächsten Teil der Serie gehen. Ihr mögt Spaghetti? Dann sind Schwarze Löcher vielleicht etwas sehr Tolles für euch: Denn sie spaghettifizieren alles was ihnen in die Nähe kommt. Seien es rothaarige Annas, die Erde, rotierende Neutronensterne oder ganze Sterne - die Singularität hungert nach delikaten Spaghetti. 


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