"Meine Damen und Herren, erheben Sie sich!"
Der Direktor des Tenniscampes ließ seinen Richterhammer, der verdächtig wie ein Schnitzelklopfer aussah, auf den Tisch donnern.
"Herr Noel wurde beschuldigt, einen Löffel aus der Generalküche entwendet zu haben. Die Anklage wird geführt von Frau Veronica, Oberhaupt der Tenniscamp Polizei, Verteidigung des Angeklagten übernimmt Frau Audrey, Buchführerin der Ereignisse, die möglicherweise passieren könnten. Die Geschworenen bilden mehrer Schüler des Camps, die weder mit Verteidigung oder Anklage vertraut sind und somit unbefangen urteilen werden. Anklage, bitte beginnen Sie mit ihrem Plädoyer."
Veronica stand auf und war heute mit Plateauschuhen beinahe über einen Meter fünfzig groß.
"Der Angeklagte verließ vor fünf Tagen sein Zimmer, um für eine Dose Gulasch eine Löffel zu entwenden. Begleitet wurde er dabei von Herrn Denver, seinem Zimmergenossen. Wir können Herrn Denver bis auf Mitwisserschaft bis jetzt nichts nachweisen. Die beiden betraten dich Küche durch die Tür, die sie mit unbekannten Mitteln aufbekommen hatten. Dort entwendeten sie einen Löffel, der uns hier als Beweisstück vorliegt."
Sie hob die Hand mit einer Plastiktüte und knallte sie vor Noel auf den Tisch. "Erkennen Sie diesen Löffel!?"
Bevor Noel antworten konnte, sprang Audrey auf.
"Einspruch, euer Ehren! Mein Mandant ist nicht im Zeugenstand und darum nicht verpflichtet, die Frage zu beantworten!"
Veronica warf Audrey einen Blick zu, der so giftig war wie eine Arabische Sandrasselotter.
Der Richter überlegte kurz. "Stattgegeben!"
Veronica sah wütend aus, machte aber weiter.
"Darüber hinaus sind Herrn Noels Fingerabdrücke auf der hauseigenen Mikrowelle, mit der er darüber hinaus einen Stromausfall auslöste. Es gibt keinen Zweifel, meine Damen und Herren: Herr Noel ist der Täter!"
Als nächstes war Audrey dran.
"Ich muss die Argumente leider entkräften! Herr Noel betrat die Küche zu dieser Tageszeit, das leugne ich nicht! Allerdings beweisen die Fingerabdrücke auf der Mikrowelle gar nichts, das es zumindest tagsüber gestattet ist, sich seine Mahlzeiten dort aufzuwärmen. Es gibt keine Beweise dafür, dass mein Mandant die Mikrowelle zu der Zeit benutzt hat, in der der Löffel entwendet wurde. Was den Stromausfall betrifft, dieser konnte auch von einer Fehlfunktion des Gerätes ausgelöst worden sein, wie das acht von zehn Fällen der Fall ist. Ich rate ihnen an dieser Stelle, den Mikrowellenhersteller zu verklagen!"
Audrey wirkte sehr zufrieden mit sich selbst.
"Vor allem aber, und das ist der wichtigste Punkt: Herr Noel hat den Löffeln nicht gestohlen! Er gehört... BEREITS IHM!"
Eine Schockwelle durchfuhr den Raum und Noel glaubte beinahe, dramatische Musik aus dem Off zu hören.
Audrey stakste mit ihren Absätzen, die sie trug um ihre Dominanz hervor zu heben, an Noel vorbei zu den Geschworenen.
"Sehen Sie? Sein Name ist sogar auf dem Löffel eingraviert! Oder kennen Sie hier noch einen anderen Noel?"
Sie drehte sich dramatisch zum Publikum um.
"Man kann nichts stehlen, was einem bereits gehört! Und ich weiß, was Sie jetzt denken: Er ist trotzdem in die Küche eingebrochen. Aber auch das kann ich entkräften."
Noel runzelte die Stirn. Wie wollte sie einen Einbruch rechtfertigen?
"Sind Sie mit der lokalen Saftküche im Vertrauten?"
Nein, war Noel nicht. Denn er verließ so selten wie es nur ging sein Zimmer.
"Dort können sich die Schüler des Camps zu jeder Tageszeit am Verdünnsaft zu bedienen, damit sie nicht dazu gezwungen sind, mit ungesunden Softdrinks ihren Durst zu stillen. Und dort steht einen handgeschriebenen Notiz, die besagt, dass jederzeit in der Küche neuer Saft geholt werden darf, falls dieser ausgeht. Und bei dieser Notiz befindet sich ein Schlüssel zur Vorratskammer, die eine zweite Tür beisitzt, die zur Küche führt. Die Tür zwischen Küche und Vorratsraum wird oft offen stehen gelassen."
An dieser Stelle warf sie Denver einen langen Blick zu.
"Wenn Herr Noel also so in die Küche gekommen ist und sich dort einen Löffel genommen hat, der bereits ihm gehört, ist nichts an dieser Tat illegal. Somit ist mein Mandant unschuldig."Dann waren die Zeugen dran. Da die Anklage keine vorzuzeigen hatte, rief Audrey Denver in den Zeugenstand.
Der Richter betrachtete ihn streng. "Schwören Sie die Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit, und nichts als die Wahrheit?"
Denver runzelte die Stirn und zündete sich eine Zigarette an. "Nein."
Einen Moment lang war es sehr still.
Der Richter wandte sich an Mr Sanchester, der neben ihm saß. "Was... was tue ich jetzt?"
"Woher soll ich das wissen? Ich bin Tennislehrer!"
Audrey hob die Hand, um sich einzumischen.
"Da niemand Herrn Denver und Herrn Noel widersprechen kann, und sie sowieso nur wiedergeben werden, was ich bereits erläutert habe, schlage ich vor, die Zeugen wegzulassen, und die Geschworenen gleich ein Urteil fällen lassen!"
Der Richter nickte, erleichtert, aus der Situation befreit zu sein.
"Also gut! Meine Damen und Herren Geschworenen, ich bitte Sie, den Raum zu verlassen und zu einem Urteil zu kommen!"
Etwa 42 Sekunden später kamen die Geschworenen zurück und die Sprecherin verkündete: "Wir sprechen Herrn Noel mit diesem Urteil nicht schuldig."
Veronica sprang aus und schrie auf: "WAAAaaaaaaAAAAaaaAaaaaaAaAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAaaaaaaaaaaassssssssssssSSSS?"
P.A. ballte bereits die Faust, aber Denver schob Noel schnell zur Tür hinaus.
Die drei standen jetzt alleine vor der Tür des Klassenzimmers, dass zum Gerichtssaal umfunktioniert worden war.
"Audrey, ich muss sagen, dass hast du wirklich gut gemacht." Denver hob die Hand zum High Five.
"Meinst du das ernst?"
"Ja, komm schon. Gib mir das High Five."
Audrey streckte sich und klatschte ab.
Noel grinste, als er seine Freunde so sah.
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Noel
HumorEine Geschichte über Noel, Denver und Audrey. Außerdem über ein oder zwei Tenniscamps, kleinere Verbrechen und mehr Zigaretten, als man zählen kann. Haltet euch fest, seid auf Überraschungen gefasst und vor allem: lasst euch nicht irritieren. Wir...