Hoseok
24.12.; 15:15 UhrDer strahlende Sonnenschein war fast schon ein bisschen lächerlich. Er fühlte sich so unwirklich und unpassend an, angesichts einer Trauerfeier. Taehyung war in den frühen Morgenstunden Jeongguk gefolgt und nun standen wir auf dem Friedhof, um die beiden unter die Erde zu bringen. Bei Jeongguk war das deutlich leichter, als bei Taehyung. Jeongguk existierte gewissermaßen gar nicht und außer Taehyung hatte er niemanden, dem auffallen würde, dass er nicht mehr da war. Doch Taehyung war eine ganz andere Hausnummer.
Taehyung war ein recht berühmter Pianist. Das Institut musste seinen Tod faken und öffentlich machen und selbst mir tat weh, dass sie ihm einen Drogen-Selbstmord anhängen mussten. Doch das war ein Thema für die nächsten Tage und würde eine Menge vertuschen nach sich ziehen, inklusive eines gefakten Beerdigungsdatums.
Generell eine Beerdigung zu planen hatte Institut ganz schön beschleunigt, sodass die beiden schon heute zusammen beerdigt werden konnten und dementsprechend standen wir jetzt auf dem Friedhof und lauschten der Rede eines Pfarrers. Ich schenkte den Worten keine Beachtung. Dieser Mann hatte weder Jeongguk, noch Taehyung gekannt, also konnte er sich seine Phrasen, die die Anwesenden trösten sollten, auch sparen. Es waren Standardfloskel, wie sie auf jeder Beerdigung zu hören waren, zumal die meisten nicht wirklich Trost brauchten – eine Tatsache, die mir irgendwie leidtat.
Das Jeongguk niemanden hatte, der um ihn trauerte, war nicht überraschend, doch auch Taehyungs Kreis war nahezu non-existent. Der einzige, der da war, war sein Manager Yongguk. Ich weiß nicht, was das Institut gedreht hatte, dass es ihm nicht komisch vorkam, das Taehyung bei einer Doppelbeerdigung verabschiedet wurde, doch sie schienen damit durchzukommen.
Die restlichen Gäste waren Leute aus dem Institut, mit denen die beiden die letzten Tage zu tun hatten und wir alle kannten die beiden, wenn es hochkam, drei Wochen. Das war nicht gerade eine Zeit, in der man eine umfassende Beziehung aufbaute. Daher herrschte bei den rund 10 Personen, die sich zusammengefunden hatte, um den beiden die letzte Ehre zu erweisen, vielmehr Bedauern, als wirklich Trauer – mal ausgenommen von Yongguk.
Und Jimin.
Jimin war ein ganz anderes Kaliber. Er und Taehyung hatten eine völlig eigene Dynamik entwickelt. Aus irgendeinen Grunde hatte Jimin Taehyung ins Herz geschlossen und Taehyung hatte Jimin vertraut. Dementsprechend war Jimin am Ende. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Er hatte eine harte Nacht, war er es doch gewesen, der Taehyung die Hand gehalten hatte, bis es vorbei war.
Meine Fähigkeit, Gefühle zu beeinflussen, war mir immer wie eine absolute Niete in der Fähigkeitenverteilung vorgekommen. Was sollte man auch damit? Ich konnte meinen Gegner Angst machen, aber auch nur, wenn sie nicht wussten, wo es herkam, sonst wehrten sie sich einfach dagegen und die Sache war für den Arsch. Andere Sachen hatte ich damit nie ausprobiert. Warum auch? Bei den Hawks hatte niemand Interesse an einer Fähigkeit, die im Kampf sinnlos war. Dementsprechend hatte niemand meine angeborene Fähigkeit irgendwie gefördert, bis auf die Tatsache, dass mir gesagt wurde, ich soll üben, anderen Angst zu machen.
Dabei fiel es mir so viel leichter andere zu beruhigen, zu trösten und positiver zu stimmen.
Seokjeon hatte mich schon in unserer ersten Sitzung angehalten zu erforschen, was ich wirklich damit anstellen konnte und diese Gabe, wie er es nannte, als wichtigen Teil von mir zu akzeptieren und wertzuschätzen. Jetzt war ich froh, dass ich auf ihn gehört hatte, denn im Moment war es das einzige, das Jimin auf den Beinen hielt. Es war anstrengend Jimins Trauer zu lindern, damit er den Tag irgendwie überstand, doch zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich wirklich so, als würde ich etwas nützen.
Jimin hatte die Arme um mich geschlungen und ich hielt ihn fest, während wir der Zeremonie weiter beiwohnten. Sanft strich ich über Jimins Haar und drückte ihm einen Kuss auf den Kopf. Ich wusste nicht, was ich wirklich sagen sollte, doch ich musste auch nicht viel sagen, Jimin half es mehr, das ich einfach nur da war, als wenn ich versucht hätte irgendwas Dummes zu sagen.
"Es ist nicht fair", hörte ich Jimin irgendwann flüstern. Ich nickte leicht. "Ich weiß, Jimin. Es tut mir leid, dass du da jetzt durchmusst." Jimin schniefte leise. "Es geht hier nicht um mich", erwiderte er und versuchte möglichst gefasst zu klingen. "Es ist nicht fair für die beiden. Sie haben nicht verdient, was mit ihnen passiert ist. Sie haben nicht verdient getrennt zu werden, wo sie sich doch grade wiedergefunden haben." Ich nickte wieder. "Das Leben ist nun mal nicht fair", meinte ich mit einem Seufzen, "und es geht immer weiter. Die Welt wartet auf niemanden. Schau dich um, die Sonne lacht uns förmlich aus."
Jimin löste sich etwas von mir und sah sich tatsächlich um. "Nein, tut sie nicht", sage er dann und ein nostalgisches, trauriges Lächeln schlich sich auf seine Züge. "Schau nur, wie schön dieser Platz ist. Und wie schön der Schnee in der Sonne glitzert. Ich will das als positives Zeichen sehen. Als gutes Omen", sagte er und ich folgte seinem Blick und ließ ihn über die Szenerie gleiten. Jimin hatte recht. Ich hatte es so noch gar nicht gesehen, aber dieser Ort an sich war viel tröstender, als die Worte, die der Type vorne bei den Särgen loswurde.
Er war ruhig und friedlich. Alles war von einer zarten Schicht Schnee bedeckt und man konnte von dem kalt-nassen Zeug ja denken, was man wollte, aber jeder würde zugeben, dass alles ein bisschen hübscher war, mit Schnee drauf. Ruhe und Frieden. Das war genau das, was die beiden verdient hatten. Ich hoffte, dass ihre Seelen heilen mochten. Ich hoffte, dass ihre neuen Ichs in liebevollen Familien groß worden und dass das Trauma der letzten Leben endlich abklang und sie nicht auch noch in das nächste Leben verfolgte. Und ich hoffe, dass das Band, was sich zwischen ihren Seelen spannte, sie wieder zusammenführen würde.
Sie hatten eine zweite Chance, in welcher Form auch immer, verdient.
Sie hatten ein Happy End verdient.Ich wandte mich Jimin wieder zu und drückte ihn einen weiteren Kuss auf die Stirn. "Scheinbar mache ich grade einen guten Job mit meinen Scheiß hier. Du bist ja richtig positiv", zog ich ihn auf und Jimin schlug mir schwach vor die Brust. "Ist wohl so", gab er zu meinem Erstaunen zu, "was auch immer du da machst, es hilft mir, mich zu auf das Gute zu fokussieren. Versteh mich nicht falsch, ich bin trotzdem unfassbar traurig, aber es fühlt sich besser an." Ich sags ja. Zum ersten Mal fühlte mich wirklich nützlich. "Das muss doch super anstrengend sein", meinte Jimin erstickt und ich zuckte mit den Schultern und drückte ihn wieder an mich. "Mach dir keine Sorgen, mir geht es gut."
Ich seufzte und sah mich noch mal auf dem Friedhof um. "Du weißt, dass Yoongi sie finden kann. Willst du vielleicht doch zuerst Taehyung suchen lassen? Ich weiß, wie viel er dir bedeutet, ich kann verstehen, wenn du ein Auge auf ihn haben willst", bot ich an, doch Jimin schüttelte schnell mit dem Kopf.
"Taehyung wird okay sein", stellte er fest. "Doch Jeongguk? Wir haben keine Ahnung, ob die Besessenheit ein Trauma im nächsten Leben auslöst. Je eher wie ihn finden und ein wachendes Auge auf ihn haben können, desto besser." Jimin lächelte tapfer. Dann hielt er mir den Finger hin.
"Schwöre mir, dass wir alles tun werden, damit die beiden im nächsten Leben ein gutes Leben haben." Ich lachte leise und hackte meinen Finger ein.
"Ich schwöre es."
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Metanoia
Fanfiction//Metanoia// [meh-ta-noy-ah] - Greek (n.) the journey of changing one's mind, heart, self, or way of life; spiritual conversation. Is it possible to rescue a broken soul? !bxb !echt nicht besinnlicher Aventskalender !angst und drama !but a fluff as...