Dec, 23rd: Acceptance

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Taehyung 
23.12; 18:54 Uhr

Schon als ich mein Reinigungsritual viel zu gut überstand, ließ das durchblicken, wie schlimm es für Jeongguk werden würde. Man rechnete einfach mich dem Schlimmsten und leider wurde das auch noch übertroffen. Jeongguk war nach dem Ritual schwach und von den paar Tagen, die wir uns erhofft hatten, blieben uns nur noch ein paar Stunden. Es war also noch viel schlimmer als erwartet. 

Ich versuchte Ruhe zu bewahren, auch wenn ich spüren konnte, dass unsere Zeit ablief. Jeongguks Zustand war übel, also versuchte ich ihm alles so angenehm wie möglich zu machen. Er hatte Schmerzen und zitterte in einer Tour. Die Ärzte des Instituts hatten ihn an einen Tropf gehangen, der nun neben dem Bett in unserem Zimmer stand und Jeongguk mit Schmerzmitteln versorgte. Das Jeongguk überhaupt zugelassen hatte, dass man ihm einen Zugang legte, zeigte, wie schlimm es um ihn stand. Wenn das Leid die Paranoia überstieg, dann wollte das bei Jeongguk schon was heißen. 

Doch die Schmerzmittel machten es besser. Und ich machte es besser.

Zumindest wirkte es so. Vielleicht gab sich Jeongguk auch nur jede Mühe sich so wenig wie möglich anmerken zu lassen. Die Ärzte hatten angeboten noch viel mehr Geräte anzuhängen, um das Unvermeidliche noch länger hinauszuzögern, doch wir hatten uns dagegen entschieden. Jeongguk wäre bereit gewesen sich zu quälen, doch ich konnte und wollte das nicht annehmen. Irgendwie hatte ich mich viel schneller als gedacht mit dem Gedanken zu sterben angefreundet. 

Ich fühlte zwar, dass es zu Ende ging, aber es fühlte sich auch nach dem Ende von einer Menge Leid an. Es hatte wohl einfach nicht sollen sein, mit uns beiden. Was bleibt übrig, als das zu akzeptieren? Ändern konnten wir es ohnehin nicht, also galt es das Beste aus den letzten Stunden herauszuholen, anstatt sich an Ärger festzukrallen. Vielleicht war auf dieser Welt eben einfach kein Platz für uns beide. Vielleicht war es besser zu gehen. Ich hatte meinen Frieden damit geschlossen und ich versuchte diesen Frieden an Jeongguk weiterzugeben. 

Nach dem Ritual war ich Jeongguk nicht mehr von der Seite gewichen um auch wirklich jede Minuten nutzen zu können. Ich lag bei ihm im Bett und hielt ihn so gut wie es eben ging warm, auch wenn er trotz meiner Wärme immer mehr auskühlte. Zärtlich strich ich ihm mit dem Daumen über das Schlüsselbein. Er war blass und wirkte völlig erschöpft. 

"Ich mag Lavendel", meinte ich gerade leise, denn ja, wir unterhielten uns gerade in aller Seelenruhe über Pflanzen. Das war, was wir schon seit Stunden taten. Wir redeten über alles Mögliche, lernten uns dem Ende zum Trotz einfach noch ein bisschen besser kennen. "Wegen der Ästhetik oder wegen der Wirkung?" Ich lachte leise. "Beides", gab ich an, "er sieht hübsch aus und beruhigt." Jeongguk schnaubte. "Also bist das quasi du", meinte er und ich wurde rot. "Danke?" Jeongguk lächelte. "Du riechst sogar nach Lavendel", stellte er fest und ich kicherte. 

"Nicht gerade manly, ich weiß." Jeongguk gab mir einen kurzen, liebevollen Kuss. "Immer diese Künstler", meinte er gespielt vorwurfsvoll. Er musterte mich. "Du musst auch nicht männlich riechen, du bist perfekt so, wie du bist." Er seufzte. "Oh, Mann, ich wünschte, wir hätten mehr Zeit." Ich drückte ihm schnell einen Kuss auf. "Verbotenes Thema", warf ich ihm gespielt tadelnd vor.  Jeongguk seufzte. 

"Ich weiß, aber ich denke, es ist fast so weit", ließ er mich wissen. Mir wurde heiß vor Schreck. 

"Wie kommst du darauf?", fragte ich und schluckte leer. Jeongguk seufzte erschöpft. "Es tut immer weniger weh. Und mein Kopf wird so schwer. Ich bin so müde, Taehyung." Ich presste die Lippen zusammen und nickte. Dann setze ich mich auf und rutschte dann wieder näher an ihn ran. Zärtlich legte ich ihm eine Hand an die Wange und beugte mich zu ihm. 

"Es ist okay, Jeongguk, du kannst schlafen. Du hast lange genug durchgehalten." 

Ich versuchte mich gegen die Tränen zu wehren, die sich hochkämpfen wollten. Es würde ihn sicher nur aufregen, wenn ich weinte. Er würde sich Sorgen machen. "Es tut mir so leid, Tae", wisperte er und ich schüttelte schnell den Kopf. "Dir muss nichts leidtun, was mich betrifft. Alles, was zählt, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast." Sanft strich ich ihm mit dem Daumen über die Wange. 

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