Dec, 12th: Welcome Home

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Jimin
12.12; 06:51 Uhr

Das war alles schräg gewesen und es ging mir auch nicht ganz aus dem Kopf. Das große Bild, das größere Bild ... die Art und Weise wie Jin alles überblickte, war erstaunlich und beeindruckend für mich. 

Was auch erstaunlich und beeindruckend war, war, wie gut Hoseok sich verstecken konnte. 

Ernsthaft, wo steckte der Kerl? Ich war noch nie in der Verlegenheit gewesen, nach ihm zu suchen. Normalerweise rannten wir uns einfach so über den Weg. Wie ich gelernt hatte, legte Jin es sogar darauf an. Also wie sollte ich ihn jetzt finden? Ich suchte schon eine gefühlte Ewigkeit.

Wenn ich ein Hoseok wäre, wo würde ich mich verstecken, wenn ich zuvor einen Gefangenen hätte laufen lassen? Ich hatte keine Ahnung. 

Erst als ich aufhörte zu denken und einfach loslief, fand ich ihn. Vielleicht war das Zufall. Vielleicht war es ein Band, dass wir aus irgendeinem Grund hatten. Was auch immer, eine Welle der Erleichterung überflutete mich, als ich ihn endlich fand. Tatsächlich hatte er sich einfach unter die Obdachlosen gemischt, die unter einer der Brücken waren. Umständlich kletterte ich unter die Brücke und atmete durch. Ich sandte einen kleinen Dank in den Himmel und näherte mich ihm. 

"Hey", sprach ich ihn an und biss mit leicht auf die Lippe, denn aus irgendeinem Grund überfiel mich ein wenig die Verlegenheit. Ich warf einen kleinen Blick über die Szenerie. Hier war man offensichtlich anonym, denn auch für mich interessierte sich niemand. Keiner würdigte mich auch nur eines Blickes, sie waren alle mehr oder weniger mit sich selbst beschäftigt. Ich vergrub die Hände in den Taschen.

"Schön hast du es hier, hast du Hunger?", fragte ich ihn und er sah mich misstrauisch an. Er hatte sich die Kapuze seines Hoodies auf den Kopf gezogen und die Hände in seiner Jeansjacke versenkt, während er versuchte an einer Pennertonne Wärme zu bekommen. Doch er fror nicht wirklich, ich konnte es sehen, denn er zitterte nicht. Das, was er hier eigentlich machte, war einfach nicht aufzufallen.

"Nein", antwortete er. Dann warf er mir einen kleinen Seitenblick zu, ehe es seinen Blick wieder ins Feuer zog. "Du hast so lange gebraucht, ich war mir bereits sicher, dass du mich verarscht." Ich schüttelte den Kopf. Das hatte ich nie vorgehabt. Ich bedachte ihn mit einem weiteren vorsichtigen Blick. War er derart hoffnungslos? Dass er kein Vertrauen zu mir hatte, war klar, aber Hoffnung schien er auch nicht zu haben.

"Es war ein Tag Hoseok", ließ ich ihn wissen und auch wenn ich so schnell wie möglich versucht hatte, mein Versprechen einzulösen, machten mir seine Worte ein schlechtes Gewissen, "ich musste erst mal mitbekommen, dass Jeongguk wieder frei herumrennt. Er ist direkt zu Tae gegangen." So viel schon mal als Information. 

"Tae hat mir heute Nacht erst erzählt, dass er ihn getroffen hat, in der Nacht von vorgestern auf gestern. Ich habe danach so schnell wie möglich mit Jin gesprochen. Müde rieb ich mir die Augen. "Es ist nicht mal sieben. Gönn mir eine Pause ... und ne Kippe, wenn du eine hast." Ich glaubte nicht daran, aber man konnte ja mal fragen. Ich hatte aufgehört, doch wenn das so weiter ging mit dem Stress, dann würde ich mir wieder eine Schachtel kaufen. 

"Alles faule Ausreden", meinte er herausfordernd und grinste verhalten. Er legte den Kopf schief und schnaubte ein wenig. "Außerdem Jimin: Rauchen ist eine schlechte Angewohnheit. Du solltest das lassen. Hol dir besser einen Kaffee." Gerade er meinte mir eine Predigt zu halten? Das war irgendwie lustig. Er hatte Dinger hinter sich, die ich mir nicht vorstellen konnte. Er hatte getötet. Aber Rauchen war natürlich ungesund. 

"Vollidiot", schimpfte ich leise lachend mit einem kleinen Seitenblick. Ich musste dran denken, was Jin mir gesagt hatte. Er war ein Mörder ja, aber er war gut. Deswegen die Void. Wie passte das mit gängigen Moralvorstellungen zusammen? Vielleicht liegt es einfach an Ursache und Wirkung. Er hatte nie eine Wahl gehabt. 

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