Epilog

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Jimin
25.11; 8:55 Uhr

Die Finger meiner rechten Hand lagen auf den weißen, kalten tasten und ich spielte etwas Kleines, einfaches. Ich konnte nicht wirklich Klavier spielen, doch ich kam dennoch immer her, wenn ich Tae vermisste.

Wir hatten seinen weißen Flügel ins Institut bringen lassen, denn es war zu schade, um einfach vernichtet zu werden. Taes Nachlass war aus irgendeinem Grund an mich gegangen und ich habe keine Ahnung, wann er das arrangiert hatte. Viel davon - und sein gesamtes Vermögen - hatte ich wohltätigen Organisationen zukommen lassen, denn ich wusste, dass er das gewollt hätte. Doch ich wollte nicht, dass sein Piano wegkam. Es war das Einzige in einem Besitz, was er geliebt hatte und ich hatte den merkwürdigen Gedanken, dass es vielleicht irgendwann eine Zeit gab, wenn er sich freuen würde, es wiederzusehen. 

Das war verrückt und ich wusste das selbst. Doch der Gedanke tröstete mich.

"Er hat es bestimmt gut", wisperte ich und ließ meine Finger noch mal ein wenig  über die Tasten gleiten. Klar wollte ich auch gern sein Schutzengel sein, doch Jeongguk war erst mal wichtiger, denn er durfte nicht noch mal so groß werden und man konnte nicht sagen, wie traumatisiert seine Seele wohl sein würde. Wir mussten ihn beschützen. 

Ich war in den letzten Monaten nervöser geworden, denn bald war der Todestag der beiden und das bedeutete, dass mit etwas Glück beide schon wieder auf diesem Planeten waren, oder eben die neuen Versionen ihrer Seelen. Wir mussten dem Zeit geben, ich wusste das auch. Erst mal mussten sie jedoch geboren werden. Klar wäre es wahrscheinlich auch möglich gewesen, sie im Mutterleib zu finden, aber das war viel schwieriger, wie Yoongi zu betonen wusste. Also hatte er den Spell noch nicht gewirkt, sondern wir warteten elf Monate.

Ich hoffte auf einen Treffer, denn der Zauber war kompliziert, verlangte Yoongi einiges ab und er konnte ihn auch nur alle paar Jahre wirken. Das war nichts für einen Nephilim, aber alles, wenn man versuchen wollte, einem Jungen eine beschützte Kindheit zu ermöglichen. 

"Jimin", ich schreckte aus meinen Gedanken auf und sah in Hoseoks Gesicht, der mich angesprochen hatte. Er setzte sich zu mir auf den Hocker und ich sah ihn bitterböse an. 

"Küss mich", sagte er quengelig und ich schüttelte den Kopf. Was fiel diesem Klappspaten eigentlich ein? 

"Du hast Schluss gemacht, hast du das schon vergessen?!", fuhr ich ihn an und er schlag die Arme um mich. Er legte seinen Kopf auf meiner Schulter ab, die wirklich sehr, sehr kalt war, so wie ich sie ihm zeigte. "Jiminiee", raunte er mir zu und ich drehte meinen Kopf demonstrativ weg, was er als Anlass nahm, um mir einen Kuss in die Halsbeuge zu drücken.

"Als wäre das überhaupt wirklich eine Option", sagte er versöhnlich, "du weißt doch ich kann nicht ohne dich und du weißt, du kannst nicht ohne mich. Du weinst bestimmt jeden Morgen seit ich weg bin, weil nur nicht schon morgens meine hässliche Fresse siehst." Ich schnaubte abfällig. "Ich bitte dich, das Fehlen deiner Hackfresse hat mir die ästhetischen drei Tage meines Lebens beschert", antwortete ich bissig und sah ihn wieder an. Er konnte nicht Schluss machen und dann wiederkommen, wie es ihm passte! Blöder, mieser, Kackhaufen! Ich biss die Zähne zusammen.

"Jimin ... du bist doch ... meine kleine ...", fing er absichtlich langsam an. "Wag es nicht!", zischte ich. "Ratte", vollendete er und ich drehte mich zu ihm um, um ihn zu schlagen, aber er steckte den ohnehin nicht ernst versuchten Schlag ein und schnappte sich stattdessen mein Gesicht um mich zu küssen. Ich gab auf und erwiderte den Kuss, den er nach ein paar Sekunden löste, um mir liebevoll in die Augen zu sehen. 

"Es tut mir leid", murmelte er mir zu, "ich lerne noch. Das nächste Mal darfst du ein Arschloch sein, du hast einen gut." Ich schüttelte den Kopf und drehte mich ganz in seine Richtung. "Hab ich nicht", widersprach ich leise, "davor war ich schuld." Er verzichtete auf den Spruch, den er mir dafür hätte drücken können und küsste mich stattdessen nur noch mal.

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