Taehyung
16.12; 00:23 UhrDie Zeit verging, ohne dass ich hätte sagen können, wo sie hin war. Wir redeten einfach. Wir waren gut darin zureden und dabei von einem Thema zum anderen zukommen, ohne dass es irgendwie stockte oder sich komisch anfühlen würde. Das einzige, was darauf schließen ließ, dass Jeongguk sonst eigentlich gar nicht redete war, dass er nach einiger Zeit heiser wurde.
Jeongguk stellte dazu viele Fragen, manche tiefgründig und durchdacht, andere so simpel, dass man sich fragte, ob er der erste Mensch der Welt wäre. Wie konnte er nicht wissen, dass man sich bei Erkältungen Vitamin C gönnen sollte? Es war, als wäre auch Jeongguk oft in seiner eigenen Welt unterwegs, doch in Gegensatz zu mir war er darin gefangen und nun war ich da, öffnete ihm ein Fenster und erklärte ihm, wie die Welt da draußen aussah.
Als mir dann also irgendwann endlich auffiel, dass Zeit ein Konzept war und dass sie verging waren Stunden vergangen und es war nach null Uhr. Als ich endlich ein Blick auf mein Handy warf, schockierte mich die Uhrzeit mehr als die 25 verpassten Anrufe von Seokjin. "Wirst du doch vermisst?", wollte Jeongguk wissen und ich zuckte mit den Schultern. "Na ja, es ist inzwischen auch schon nach zwölf und ich sollte eigentlich nur einen Kaffee holen gehen."
Verlegen sah ich mich in dem Raum um und presste die Lippen aufeinander. Es war viel zu spät. Eigentlich sollte ich zurück, doch der Punkt war: Ich wollte nicht. Ich wollte bei ihm bleiben, bis er sich vielleicht dazu durchringen konnte mit mir zusammen zu den anderen zu gehen, doch wie brachte ich ihm das bei?
Wollte er mich überhaupt hier haben?
Ich hatte die letzten Stunden nicht das Gefühl, dass er mich loswerden wollte, doch jetzt waren wir wohl aus unserer kleinen Bubble aufgetaucht. Ich ließ das Telefon sinken und sah ihn an. "Ich weiß, was du sagen willst", meinte Jeongguk und ein leicht spöttisches, eher herausforderndes Lächeln umspielte seine Lippen. Ich bemerkte wie meine Wangen warm wurden und legte mir die Hände an die Wangen, um es zu verbergen. Nicht, dass er es nicht trotzdem gesehen hätte. "Oh, ich hätte nicht gedacht, dass deine Gedanken so verwegen sind", zog er mich auf und ich wurde nur noch verlegener.
"Was?", entfuhr es mir wenig geistreich. "Nein! Nein, so ist es nicht, ich bin nur .... ich werde schnell verlegen!" Ich redete mich um Kopf und Kragen. "Ich hatte nichts Schmutziges im Sinn", versicherte ich und hob abwehrend die Hände, doch hatte das Gefühl, ich machte es mit meinem Gestammel nur noch schlimmer. Dachte er, dass ich lüge? Ich wurde, wenn möglich, nur noch roter und hauchte mein Leben aus.
Jeongguk lachte leise.
Verdammt, es klang so schön, wenn ihm doch mal ein Lachen entkam. Weich und warm. Er hatte noch mal neuen Tee aufgesetzt und kam wieder zu mir rüber.
"Vielleicht hatte ich ja was Schmutziges im Sinn?", stellte er in den Raum und mein Herz setzte aus. "Wie bitte?", entkam es mir und ich sah ihn mit großen Augen an. "I-ich", stammelte ich, "ich weiß nicht, was ich sagen soll." Jeongguk hob mein Kinn ein wenig an und schnaubte amüsiert. "Ich zieh dich nur auf", meinte er und ich versuchte nicht zu schmollen. Eher erfolglos."Aber du hast nicht vor zu gehen, was?" Ich schluckte leer und zuckte hilflos mit den Schultern. "Ich kann natürlich gehen, wenn du das willst, aber am liebsten würde ich einfach bleiben", gab ich zu. Jeongguk summte nachdenklich. "Ich hätte dich längst rausschmeißen sollen, du weißt nicht, was gut für dich ist", meinte er, "aber jetzt ist es spät und ich weiß, was da draußen in den Schatten lauert, also kann ich dich jetzt unmöglich gehen lassen." Er ließ mich los und ging zu einer Kommode. "Mal schauen, was ich dir zum Schlafen anbieten kann. Ich schlafe in der Regel einfach in einer Jogging Hose, aber irgendwie scheinst du mir dafür nicht der Typ zu sein", murmelte er. Ich nickte. "Hast du vielleicht einfach ein langes Shirt?" Er nickt wieder und warf mir eins zu.
Ich stand auf und zog mich einfach um. Jeongguk würde nicht über mich herfallen und an sich hatte ich nicht das Gefühl mich vor ihm irgendwie schämen zu müssen. Er tat es mir gleich und ja, es wäre gelogen, würde ich behaupten, dass ich nicht einen Blick auf seine Bauchmuskeln werfen würde. Jeongguk bedachte mich mit einem Blick. "Du kannst die Matratze haben, ich kann ja oben bei den Pflanzen schlafen oder so", meinte er. Ich sprang schnell von der besagten Matratze, auf die ich mich grade erst wieder gesetzt hatte. Darüber hatte ich ja noch gar nicht nachgedacht. "Das musst du nicht!", sagte ich schnell, "ich kann mich einfach neben so einen Heizstrahler legen." Ich ging zu ihm und sah nach oben zu der Luke.
"Wirklich, Jeongguk, das ist okay", versicherte ich ihm, "ich kann dir unmöglich dein Bett wegnehmen." Jeongguk legte nur den Kopf schief. "Ich weiß nicht viel über Höflichkeit, aber das man seinen Gast nicht frieren lässt, das kapiere sogar ich. Außerdem bist du so klein und dünn, du stirbst noch." Ich schnappte empört nach Luft. "So klein bin ich nun auch wieder nicht", beschwerte ich mich. Jeongguk sah zu mir runter. "Du nimmst die Matratze, keine Widerrede." Ich verschränkte die Arme. "Ich-" Weiter kam ich nicht, denn Jeongguk hebelte mich einfach aus und warf mich auf die Matratze, die sein Bett darstellte.
Ich schnappte nach Luft und blinzelte. Das konnte ich unmöglich so stehen lassen. "Ich hab mir den Finger umgeknickt", quengelte ich auf gut Glück und tatsächlich wandte er sich wieder zu mir um. "Lass mal sehen", sagte er und beugte sich zu mir, um sich meine Hand anzusehen. Ich nutze die Gelegenheit und nahm seine Hand und zog ihn zu mir auf die Matratze. "Wir können auch einfach beide hier schlafen", schlug ich schnell vor. Jeongguk stützte sich über mir ab und sah mich nüchtern an.
"Ich kann nicht glauben, dass das funktioniert hat."
Ja, ich auch nicht, aber ich würde mich nicht beschweren."Na, schön", gab er sich geschlagen und rollte sich auf die Seite, "du gibst ja doch keine Ruhe." Ich nickte resolut und legte eins meiner Beine auf ihm ab. Das musste deutlich genug sein. Jeongguk musterte mich kühl und verdrehte demonstrativ die Augen. "Willst du kuscheln? Willst du das, ja?", fragte er mich und ließ es klingen, als würde ich irgendwas Verwerfliches tun wollte. Ich versuchte nicht zu lachen und nickte wieder. "Na, fein", seufzte Jeongguk, "ich habe ohnehin nur eine Decke." Und wie in aller Welt hatte er dann oben schlafen wollen? Bei den Temperaturen?
Jeongguk löste sich von mir und klaubte die Decke zusammen. Er legte sich hin und klopfte neben sich. Ich legte mich zu ihm und er warf die Decke über uns. Dann löste Jeongguk das Licht und eine Weile passierte einfach gar nichts.
"Jeongguk?", fragte ich leise in die Dunkelheit des Raumes. "Du fragst mich aber nicht, ob ich schon schlafe." Was dachte er von mir? Ich räusperte mich. "Kann ich wirklich kuscheln kommen?" Er seufzte. "Ich habe doch schon gefragt, oder?", meinte er. "Na, komm schon her." Ich verkniff mir ein zufriedenes Grinsen, auch wenn es gar nicht sehen konnte und rutschte zu ihm rüber.
Er lag auf dem Rücken, also schlang ich vorsichtig den Arm um seine Mitte und legte meinen Kopf auf seiner Brust ab. Ich konnte sein Herz schlagen hören und irgendwie beruhigte das. Fast könnte ich meinen, dass unsere Herzen im selben Takt schlugen, aber das war wahrscheinlich eher romantische Einbildung. Ich schloss die Augen und atmete tief durch.
"Und? Zufrieden?", wollte Jeongguk wissen und ich nickte glücklich. Er konnte so abweisend tun, wie er wollte.
Ich war mir sicher, er war es auch.
DU LIEST GERADE
Metanoia
Fanfiction//Metanoia// [meh-ta-noy-ah] - Greek (n.) the journey of changing one's mind, heart, self, or way of life; spiritual conversation. Is it possible to rescue a broken soul? !bxb !echt nicht besinnlicher Aventskalender !angst und drama !but a fluff as...