Jeongguk
13.12, 14:36UhrEs war verrückt. Ich war verrückt. Unsere Begegnungen gingen mir nicht mehr aus dem Kopf und je mehr ich mir das Hirn darüber zermarterte, desto mehr wünschte ich mir, ich hätte diese dämlichen Konzertkarten übersehen und das, obwohl ich zeitgleich Dankbarkeit verspürte, dass ich sie gefunden hatte.
Ich war verwirrt. Ich war einfach massiv verwirrt.
Sonst war ich beschäftigt mit dem Summen, sonst war mein Tagesablauf davon bestimmt, mein nächstes Opfer zu stalken und ein neues, perfektes Verbrechen zu planen und somit dem Summen und den Schmerzen in meinem Kopf, ein wenig Ruhe zu verschaffen. Doch das alles wurde nebensächlich, seit ich ihm einfach nur beim Klavierspielen zugehört hatte, anstelle, dass ich gehandelt hätte.
Es war nicht so, als hätte ich keinen Auftrag. Es war nicht so, als wäre das Summen nicht dabei, meinen Schädel zum Platzen zu bringen. Aber ich konnte und wollte mich gerade nicht darauf konzentrieren. Es war etwas besser, wenn ich ihn ansah. Ich verbrachte meine Zeit damit, ihn zu beobachten, so wie sonst meine Opfer. Nur, dass ich ihn nicht töten würde, schließlich hatte ich jetzt schon zwei Mal festgestellt, dass ich das gar nicht konnte. Mehr noch, ich hatte den irrationalen Drang, ihn zu beschützen, auch wenn das gar nicht nötig war, schließlich klebten ihm mehrere Nephilim am Arsch.
Er war sogar sicherer ohne mich. Ein Grund, warum ich mich ihm nicht zeigen konnte.
Ein weiterer war, dass ich keinen Plan hatte, wie man vernünftig mit einem Menschen sprach. Ich hatte gelernt Rollen zu spielen und ich könnte auch das wieder tun. Das wäre wahrscheinlich auch das Einfachste für mich. Ich konnte charmant sein, wenn ich wollte. Ich konnte süß sein, ich konnte cool sein, frech, schüchtern, quirky ... ich konnte alles sein, außer 'ich selbst'.
Wer war ich?
Ich hatte nie Grund gehabt, mir darüber Gedanken zu machen, denn ich war allein gewesen. Es sie gab schon seit langer Zeit nur mich in meiner Welt und die Pflanzen, die ich pflegte, wenn auch nur, um zu nutzen. Zumindest die meisten davon. Was sollte ich tun, wenn ich nichts hatte, etwas ich vorspielen konnte? Er würde mich eh durchschauen. Ich hatte eigentlich gar keinen Charakter. Ich war einfach nur noch ein Schatten, der von Kill zu Kill lebte und ich wäre ja traurig, aber auch das fühlte ich nicht.
Es gabt nur eine Sache in dieser Welt, die mich mein Herz spüren ließ und das war Taehyung. Noch immer fühlte ich seine Lippen auf meinen, hatte seinen viel zu süßen Geruch in der Nase. Fühlte man sich so, wen man jemanden liebte? War das normal? Oder war ich schon wieder dabei, zu viel zu tun und toxisch zu sein? Ach, was fragte ich eigentlich, ich stalkte ihn. Das sollte die Frage beantworten.
Er war ... schön. Damit meinte ich nicht, dass er ganz offensichtlich ein schönes Aussehen hatte. Taehyung sah aus, wie ein verdammtes Model. Rein rational war die ästhetische Anziehung zu ihm wirklich stark. Sein Gesicht war symmetrisch, er hatte offene, runde Augen, die satt braun waren. Seine Haare schien einfach natürlich ohne sein Zutun zuliegen. Er hatte weiße, lächerlich gerade Zähne. Doch all das, war nicht, was ich meinte.
Es war seine innere Wärme, die ihn schön erscheinen ließ. Das kleine Lächeln, was sich auf seine hübschen Lippen schlich. Das warme Funkeln in seinen Augen, wenn er einen ansah. Er war wahrlich das Gegenteil von mir. Ich war kalt wie frisch gefallener Schnee an einem Dezembermorgen. Er hingegen war ein warmer, sonniger Tag im Frühsommer. Wenn er lächelte, dann war es, als könnte man die Sonne auf der Haut spüren.
Doch er war auch dunkel. Was auch immer mit mir passierte, schien auch langsam im Begriff zu sein, ihn zu befallen. Ich wusste nicht genau, was ich da heute beobachtet hatte, aber scheinbar neigte er zu Panik. Ich wollte ihn davor beschützen, doch mir wurde schnell klar, dass ich der Auslöser dafür war. Wie also konnte ich ihn beschützen, außer ihn zu meiden? Meine Nähe tat ihm nicht gut.
Dennoch konnte ich nicht ganz von ihm ablassen. Alles daran war wahrscheinlich toxisch und irgendwo krank. Stalking war eine Straftat. Aber was sollte ich sagen? Ich war gut in sämtlichen Straftaten, sogar in den schlimmsten. Mord zum Beispiel. Ich war wirklich gut in Mord. Mit einem Seufzen zog ich meinen Matcha-Latte an mich heran. Das Getränk passte zu mir. Es sah hübsch aus, war aber grässlich.
Ich war nur hier, denn Tae war es auch und so saßen wir an verschiedenen Tischen in einem Café. Ich wusste nicht genau, was er vorhatte. Vielleicht hatte er das Institut wieder verlassen, damit ich zu ihm kam. Er wusste vielleicht sogar, dass ich in der Nähe war, doch er ließ es sich nicht anmerken, oder aber er war so versunken in seinem Buch, dass er einfach vergessen hatte, nach mir zu schauen. Ich saß zwei Tische weiter und behielt ihn mithilfe meiner Smartphone-Kamera im Auge. Ich zoomte ein wenig an sein Gesicht heran. Es war mir so vertraut, kannte ich es doch schon seit Jahren aus meinen Träumen.
Noch immer konnte ich kaum begreifen, was die letzten Tage passiert war. Dabei war nicht mal der größte Mindfuck von Schutzengeln entführt und fast getötet worden zu sein, nein, wieder war Tae alles, was mich interessierte. Ich hatte damit gerechnet, dass ich eines Tages wirklich wen anficken würde und der mich dann aus dem Verkehr zieht. Ich hatte zwar keine Ahnung gehabt, dass es sich um eine Horde Schutzengel handeln würde, aber das war mir halbwegs egal.
Womit ich wirklich nicht gerechnet hatte, war, dass es einen Menschen geben würde, der mir nicht am Arsch vorbeiging. Das eigentümliche Gefühl der Neugier hatte mich erfasst und ich wollte mehr über ihn wissen. Ich wollte ihn kennenlernen, mit ihm reden ... seine Hand halten, es wurde nur immer kitschiger. War das weird? Sicherlich, wenn man bedachte, was sich die Nephilim erzählt hatten, von wegen, dass wir eigentlich eine Person gewesen waren. Sollte ich ihn von Haus aus lieben, wenn er doch eigentlich ich war? Das ergab so gut wie gar keinen Sinn, es sei denn, dass wir davon ausgingen, dass wir inzwischen Individuen waren, doch uns eine besonderes starke Bindung verknüpfte, einfach, weil wir aus demselben Schlamm geformt worden waren.
Doch was wusste ich schon? Vielleicht war das auch einfach krank. Vielleicht.
Ich schwankte zwischen einfach hingehen und meinem inneren Drängen nachzugeben und mich an seinen Rockzipfel zu hängen, wie ein kleines Kind und ihn schützen und das am besten auch vor mir. Wenn ich in meinem Leben ein mal edel sein wollte, dann musste ich einsehen, dass ich mich nicht in seiner unmittelbaren Nähe rumdrücken sollte.
Es blieb mir also nichts weiter übrig, als ihn von Weitem geschäftig zu stalken.
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Metanoia
Fiksi Penggemar//Metanoia// [meh-ta-noy-ah] - Greek (n.) the journey of changing one's mind, heart, self, or way of life; spiritual conversation. Is it possible to rescue a broken soul? !bxb !echt nicht besinnlicher Aventskalender !angst und drama !but a fluff as...