Mein Handy klingelt. Ärgerlich nehme ich ab, denn dem Puzzle von heute Nachmittag haben nur noch ein paar Teile gefehlt.
„Hallo Viktor, ich wollte mich nochmal nach euch erkundigen", grüßt Amelie freundlich. Augenblicklich gehe ich zum Lächeln über. Nicht nur, weil ich wieder an den tollen Kuss mit Lenny denken muss, sondern auch weil Amelie am anderen Ende ist. Nicht vielen Leuten hätte ich jetzt vergeben, mich in meiner Arbeit unterbrochen zu haben.
„Also mir geht's toll, und ich glaube Lenny sogar besser als vorher."Ich erzähle ihr von unserer Unterhaltung, nach einigem Stottern sogar von unserem Kuss.
„Oh Gott, Viktor... Sei ja vorsichtig, du hast gemerkt, was passieren kann", meinte sie. Dennoch verrät ihre Stimme, dass sie sich freut.
„Ja bin ich, das weißt du doch!"
„Auch mit dir selbst, Viktor. Es ist toll, dass du ihm helfen möchtest, aber vergiss dich bitte nicht", ergänzt sie warnend.
„Ich komm' schon klar, mach dir mal keine Sorgen um mich", beschwichtige ich.
„Jaja, solange bis du nicht mehr klarkommst. Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst!"
„Danke, Amelie... Aber Lenny ist nicht wie er. Ich schaffe das auch alleine", erwidere ich.
„Hoffentlich. Und du meinst, er hat es begriffen?"
„Was begriffen?"
„Dass er Hilfe von einem Arzt braucht."Ich zucke mit den Schultern.
„Viktor?"
„Äh – sorry. Ich weiß es nicht, ich glaube nicht, dass er in den letzten zehn Jahren jemals einen Arzt gesehen hat... Aber ich bleibe da dran."
„Wieso denn das?", fragt Amelie entsetzt, „er braucht doch Impfungen und so! Kümmert sich dann da keiner drum?"Ich lache trocken.
„Was soll denn das jetzt heißen?"
„Nein, darum kümmert sich mit Sicherheit keiner. Darauf verwette ich mein Patent am subjektbezogenen Zeit-Relations-Paradox. Aber das kriegen wir schon alles hin. Wenn er safe ist schlepp ich ihn erstmal zu allen möglichen Ärzten, damit die mal eine Meinung abgeben. Erstmal zu einem Kopfdoktor. Eigentlich wäre es gut, wenn du da auch dabei wärst, du kannst deine Vermutung sicherlich besser erklären."
„Das wird aber nichts, wenn wir dafür wieder so eine Geheimaktion machen müssen. Wenn wir alle drei nicht da sind, kann das Sakura auch gleich schließen. Es war schon mit Eileen alleine stressig genug. Sie ist ja nett und alles, aber als Kellnerin nicht zu gebrauchen. Und dein Patent woran? Und warum überhaupt safe? Du sprichst in Chiffren."
„Nix, war nur 'ne komische Formulierung von mir", flüchte ich eilig, „aber du hast Recht. Ich hoffe, dass er bald etwas mehr raus darf. Darüber haben wir auch gesprochen." Naja, irgendwie zumindest.
„Okay Viktor, ihr schafft das schon irgendwie. Aber denk immer an mich, wenn du irgendwas mit Lennard machen willst und frag dich, ob ich das gut finden würde, okay?"
„Nein. Er heißt Lenny. Aber sonst geht das klar."Amelie kichert leise und ich weiß einfach, dass sie gerade den Kopf schüttelt.
„Gute Nacht nachher", verabschiedet sie sich.
Ich erwidere und lege dann auf. Lächelnd lasse ich mich nach hinten auf das Bett fallen. Glücklich begutachte ich die Decke, während ich an meinen kleinen Engel denke. Alles wird gut!
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Am Mittwochmorgen wird Lennard wieder vom Wecker geweckt. Entsetzt stellt er fest, dass er nur noch zwei passende Shirts im Schrank liegen hat. Eines davon zieht er an, bevor er auf Zehenspitzen zu seinen Brüdern schleicht. Im Türrahmen quietscht er entzückt auf, denn er findet die Zwillinge eng umschlungen im gemeinsamen Bett vor. Mit diesem Level an Niedlichkeit könnten wohl nicht einmal Hundewelpen oder flauschige Küken mithalten. Es grenzt nachgerade an Herzlosigkeit, die Jungen jetzt zu wecken, aber es hilft ja nichts. Schließlich müssen sie in die Schule. Außerdem handelt es sich um einen Tag, an dem Lennards Vater in die Firma muss, es also auch noch ein gemeinsames Frühstück geben muss.
Mitleidig streichelt Lennard Tom, doch dieser scheint davon völlig unbeeindruckt. Kichernd rüttelt er etwas fester, sodass der Kleinere schließlich gähnend erwacht und sich streckt. Von dieser Bewegung gestört verlässt auch Manuel das Land der Träume. Als Lennard wenig später aus dem Badezimmer zurückkehrt sitzen die Zwillinge aufrecht und grinsen ihren Bruder vielsagend an.
„Hab ich das verpasst?", fragt dieser verwirrt.
„Bisher noch nicht", meint Manuel und zupft an Lennards Hosenbein.
„Aber gleich schon, oder was?", hakt dessen Besitzer nach. Immer noch versteht er den Anlass der morgendlichen Fröhlichkeit nicht.
„Wenn du nicht zu uns kommst schon", kichert Tom.Durcheinander lässt sich Lennard auf das Bett sinken, woraufhin sich seine Brüder an ihn kuscheln.
Nach einigen Minuten fragt er irritiert: „Und was hätte ich jetzt verpasst?"
„Eigentlich nichts", freut sich Manuel und Tom ergänzt: „Aber wir wollten dass du zu uns kommst."„Ihr hinterlistigen Biester", meint Lennard und schüttelt den Kopf. Natürlich streichelt er kurz danach entschuldigend die kleinen Körper.
Etwas über eine Stunde später (denn in der Zwischenzeit sollte es ja ein reichliches Frühstück geben, dessen Geschirr auch noch gereinigt werden musste) gehen die Brüder schnellen Schrittes in Richtung der Grundschule.
„Und wie sieht es heute mit den Arbeiten aus?", erkundigt sich Lennard.
„Englisch", seufzt Tom, weshalb Manuel ihn ärgerlich boxt.
„No violence, please!", fordert Lennard lachend.
„Och nööö Lennard, lass das", meckert Manuel genervt.
„Huh? I can't understand you", erwidert Lennard und grinst.
„Du bist gemein!"
„I know, that's the plan! I just want you to really learn this language. It'll be so much easier later. So – what's the topic today? Or is it just vocab?"
„Hör auf damit, das ist doof", bittet Tom.Traurig lässt Lennard den Kopf hängen.
„Ich weiß, es ist komisch. Ich will euch doch nur dabei helfen, jetzt schon Englisch so zu lernen, dass ihr es am Gymnasium schon sprechen könnt. Stellt euch vor, ihr greift ständig mündlich gute Noten ab und müsst nichts mehr dafür tun – alles nur, weil ihr flüssig sprechen könnt."
„Jaaaaa, aber..."
„Da gibt's kein schlaues Aber. Aber hier habt es mal wieder geschafft, darum herum zu kommen mit eurer Diskussion", stellt Lennard fest, denn sie sind schon fast an der Schule angekommen, „ihr macht mich fertig."
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Es ist dein Leben - kämpfe dafür!
RomanceTonys Leben ist genau wie er es sich wünschen würde. Tolle Freunde, Wunschausbildung, Partys am Wochenende. Seine Freiheiten als Single nutzt und reizt er dabei gekonnt aus, bis ihm eines Tages ein Junge über den Weg läuft, der gegenteiliger nicht s...